Heut sah ich auch einen Abbe', der auf dem Hin- terkopf, auf der Sutura cranii, 2. grosse aufrechtstehen- de Locken hatte, wie an den Seiten. -- Eine bizarre Figur! Aber so weit geht die Putzthorheit, und die Sucht, was neues zu haben, selbst unter den Mannspersonen die- ser Nation! --
Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung eines Schreibtisches bei dem Kaufmanne, Hrn. La- vabre, wo ich neulich zu Abend speißte. Damit der Sand nicht auf dem Tische liegen bleibt, hatte er gar kei- ne Sandbüchse, sondern unter dem Tischblatt eine Schub- lade mit Fächern, da war sein Sand, -- nämlich Sä- genspäne von Buxbaumholz -- darin; das Geschrie- bene hält er in die Schublade und bestreut es. So kam kein Körnchen Sand auf den Tisch; ca use les habits, sagte der Franzos.
Viele Franzosen bewunderten meine Schreibtafel von Pergament. Sie fanden sie sehr bequem, und auf Reisen gar gut, daß man sie mit Oehl wieder auslöschen kan. Ihre Tabletten stecken voll Kartenblätter, Korkzie- her, Fläschchen, kleine Kämmchen etc. denn Spielzeug müssen ja die grossen Kinder beständig haben, wenn sie zufrieden seyn sollen. --
Zu den Lieblingsgesprächen der Nation gehörts mit, vor die Karte von Paris hintreten und streiten, welches Quartier das schönste sei. Stundenlang können sie darüber ein Geschrei machen, daß man unwillig wer- den möchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver- sailles, so verliert er ganz gewis bei den Parisern allen seinen Kredit. Da heißts: Il est bien ennuyant, il
n'y
Heut ſah ich auch einen Abbe’, der auf dem Hin- terkopf, auf der Sutura cranii, 2. groſſe aufrechtſtehen- de Locken hatte, wie an den Seiten. — Eine bizarre Figur! Aber ſo weit geht die Putzthorheit, und die Sucht, was neues zu haben, ſelbſt unter den Mannsperſonen die- ſer Nation! —
Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung eines Schreibtiſches bei dem Kaufmanne, Hrn. La- vabre, wo ich neulich zu Abend ſpeißte. Damit der Sand nicht auf dem Tiſche liegen bleibt, hatte er gar kei- ne Sandbuͤchſe, ſondern unter dem Tiſchblatt eine Schub- lade mit Faͤchern, da war ſein Sand, — naͤmlich Saͤ- genſpaͤne von Buxbaumholz — darin; das Geſchrie- bene haͤlt er in die Schublade und beſtreut es. So kam kein Koͤrnchen Sand auf den Tiſch; ça uſe les habits, ſagte der Franzos.
Viele Franzoſen bewunderten meine Schreibtafel von Pergament. Sie fanden ſie ſehr bequem, und auf Reiſen gar gut, daß man ſie mit Oehl wieder ausloͤſchen kan. Ihre Tabletten ſtecken voll Kartenblaͤtter, Korkzie- her, Flaͤſchchen, kleine Kaͤmmchen ꝛc. denn Spielzeug muͤſſen ja die groſſen Kinder beſtaͤndig haben, wenn ſie zufrieden ſeyn ſollen. —
Zu den Lieblingsgeſpraͤchen der Nation gehoͤrts mit, vor die Karte von Paris hintreten und ſtreiten, welches Quartier das ſchoͤnſte ſei. Stundenlang koͤnnen ſie daruͤber ein Geſchrei machen, daß man unwillig wer- den moͤchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver- ſailles, ſo verliert er ganz gewis bei den Pariſern allen ſeinen Kredit. Da heißts: Il eſt bien ennuyant, il
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Heut ſah ich auch einen Abbe’, der auf dem Hin-
terkopf, auf der Sutura cranii, 2. groſſe aufrechtſtehen-
de Locken hatte, wie an den Seiten. — Eine bizarre
Figur! Aber ſo weit geht die Putzthorheit, und die Sucht,
was neues zu haben, ſelbſt unter den Mannsperſonen die-
ſer Nation! —
Noch bemerkte ich heute eine bequeme Einrichtung
eines Schreibtiſches bei dem Kaufmanne, Hrn. La-
vabre, wo ich neulich zu Abend ſpeißte. Damit der
Sand nicht auf dem Tiſche liegen bleibt, hatte er gar kei-
ne Sandbuͤchſe, ſondern unter dem Tiſchblatt eine Schub-
lade mit Faͤchern, da war ſein Sand, — naͤmlich Saͤ-
genſpaͤne von Buxbaumholz — darin; das Geſchrie-
bene haͤlt er in die Schublade und beſtreut es. So kam
kein Koͤrnchen Sand auf den Tiſch; ça uſe les habits,
ſagte der Franzos.
Viele Franzoſen bewunderten meine Schreibtafel
von Pergament. Sie fanden ſie ſehr bequem, und auf
Reiſen gar gut, daß man ſie mit Oehl wieder ausloͤſchen
kan. Ihre Tabletten ſtecken voll Kartenblaͤtter, Korkzie-
her, Flaͤſchchen, kleine Kaͤmmchen ꝛc. denn Spielzeug
muͤſſen ja die groſſen Kinder beſtaͤndig haben, wenn ſie
zufrieden ſeyn ſollen. —
Zu den Lieblingsgeſpraͤchen der Nation gehoͤrts
mit, vor die Karte von Paris hintreten und ſtreiten,
welches Quartier das ſchoͤnſte ſei. Stundenlang koͤnnen
ſie daruͤber ein Geſchrei machen, daß man unwillig wer-
den moͤchte. Und lobt ein Fremder etlichemahl Ver-
ſailles, ſo verliert er ganz gewis bei den Pariſern allen
ſeinen Kredit. Da heißts: Il eſt bien ennuyant, il
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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