ausser, daß die Artischocken, die ich vorlegen muste, und daher nicht versuchte, ganz geröstet und gebraten, fast schwarz und sehr hart waren, und so ohne Brü- he begierig gegessen wurden. Um 12. Uhr stand man auf. Oben besetzte gleich alles wieder die Spieltische. Die Karossen rangirten sich vorm Hause, auf mich war- tete keine, ich suchte daher um 1. Uhr den Weg nach Hau- se. -- -- Paris ist bei Nacht, wie am Tag; der Unterschied im Getümmel ist wahrhaftig nicht gros. Das aber ist eine häßliche Gewohnheit, daß des Nachts die Millionen Nachtgeschirre alle oben herab ausgeleert werden. Was Wunder, daß Gestank und Koth in Paris nie aufhören?
Den 19ten Jun.
Le Palais Marchand, ou on plaide. Da ging ich heute hin, um die Form der Gerichtsbarkeit in Frank- reich, und das Parlament sitzen zu sehen. Die Gerech- tigkeit wohnt eben nicht prächtig. Es ist ein altes viel- winklichtes Gebäude aufm Platz Dauphine in der alten Stadt Paris, zwischen dem Wasser, dem Pontneuf gegen über. Die breiten Plätze darin sind mit Bouti- quen angefüllt, aber die Zugänge zu den Chambres sel- ber sind eng, krumm, finster, schmal. Ich ging son- derlich in die grande Chambre, wo das Parlament würklich versammelt war. Der Platz zur Sitzung ist mit Schranken eingefaßt, an denen aussen die Fremden und Zuschauer stehen. An den Wänden herum sitzen die Par- lamentsherren in schwarzen Röcken wie unsre Kirchenröcke, mit langen Ueberschlägen, und rothscharlachenen Ueberrö- cken, und ziemlichen Perücken, so auch der Advocat general, der etwas niedriger sitzt. Die Pulte sind mit
blauen,
auſſer, daß die Artiſchocken, die ich vorlegen muſte, und daher nicht verſuchte, ganz geroͤſtet und gebraten, faſt ſchwarz und ſehr hart waren, und ſo ohne Bruͤ- he begierig gegeſſen wurden. Um 12. Uhr ſtand man auf. Oben beſetzte gleich alles wieder die Spieltiſche. Die Karoſſen rangirten ſich vorm Hauſe, auf mich war- tete keine, ich ſuchte daher um 1. Uhr den Weg nach Hau- ſe. — — Paris iſt bei Nacht, wie am Tag; der Unterſchied im Getuͤmmel iſt wahrhaftig nicht gros. Das aber iſt eine haͤßliche Gewohnheit, daß des Nachts die Millionen Nachtgeſchirre alle oben herab ausgeleert werden. Was Wunder, daß Geſtank und Koth in Paris nie aufhoͤren?
Den 19ten Jun.
Le Palais Marchand, ou on plaide. Da ging ich heute hin, um die Form der Gerichtsbarkeit in Frank- reich, und das Parlament ſitzen zu ſehen. Die Gerech- tigkeit wohnt eben nicht praͤchtig. Es iſt ein altes viel- winklichtes Gebaͤude aufm Platz Dauphine in der alten Stadt Paris, zwiſchen dem Waſſer, dem Pontneuf gegen uͤber. Die breiten Plaͤtze darin ſind mit Bouti- quen angefuͤllt, aber die Zugaͤnge zu den Chambres ſel- ber ſind eng, krumm, finſter, ſchmal. Ich ging ſon- derlich in die grande Chambre, wo das Parlament wuͤrklich verſammelt war. Der Platz zur Sitzung iſt mit Schranken eingefaßt, an denen auſſen die Fremden und Zuſchauer ſtehen. An den Waͤnden herum ſitzen die Par- lamentsherren in ſchwarzen Roͤcken wie unſre Kirchenroͤcke, mit langen Ueberſchlaͤgen, und rothſcharlachenen Ueberroͤ- cken, und ziemlichen Peruͤcken, ſo auch der Advocat general, der etwas niedriger ſitzt. Die Pulte ſind mit
blauen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0272"n="248"/>
auſſer, daß die <hirendition="#fr">Artiſchocken,</hi> die ich vorlegen muſte,<lb/>
und daher nicht verſuchte, ganz geroͤſtet und gebraten,<lb/>
faſt ſchwarz und ſehr hart waren, und ſo ohne Bruͤ-<lb/>
he begierig gegeſſen wurden. Um 12. Uhr ſtand man<lb/>
auf. Oben beſetzte gleich alles wieder die Spieltiſche.<lb/>
Die Karoſſen rangirten ſich vorm Hauſe, auf mich war-<lb/>
tete keine, ich ſuchte daher um 1. Uhr den Weg nach Hau-<lb/>ſe. ——<hirendition="#fr">Paris</hi> iſt bei Nacht, wie am Tag; der<lb/>
Unterſchied im Getuͤmmel iſt wahrhaftig nicht gros. Das<lb/>
aber iſt eine haͤßliche Gewohnheit, daß des Nachts die<lb/>
Millionen Nachtgeſchirre alle oben herab ausgeleert werden.<lb/>
Was Wunder, daß Geſtank und Koth in <hirendition="#fr">Paris</hi> nie<lb/>
aufhoͤren?</p></div><lb/><divn="3"><head>Den 19ten Jun.</head><lb/><p><hirendition="#aq">Le Palais Marchand, ou on plaide.</hi> Da ging<lb/>
ich heute hin, um die Form der Gerichtsbarkeit in <hirendition="#fr">Frank-<lb/>
reich,</hi> und das Parlament ſitzen zu ſehen. Die Gerech-<lb/>
tigkeit wohnt eben nicht praͤchtig. Es iſt ein altes viel-<lb/>
winklichtes Gebaͤude aufm Platz <hirendition="#fr">Dauphine</hi> in der alten<lb/>
Stadt <hirendition="#fr">Paris,</hi> zwiſchen dem Waſſer, dem <hirendition="#fr">Pontneuf</hi><lb/>
gegen uͤber. Die breiten Plaͤtze darin ſind mit Bouti-<lb/>
quen angefuͤllt, aber die Zugaͤnge zu den <hirendition="#aq">Chambres</hi>ſel-<lb/>
ber ſind eng, krumm, finſter, ſchmal. Ich ging ſon-<lb/>
derlich in die <hirendition="#aq">grande Chambre,</hi> wo das Parlament<lb/>
wuͤrklich verſammelt war. Der Platz zur Sitzung iſt mit<lb/>
Schranken eingefaßt, an denen auſſen die Fremden und<lb/>
Zuſchauer ſtehen. An den Waͤnden herum ſitzen die Par-<lb/>
lamentsherren in ſchwarzen Roͤcken wie unſre Kirchenroͤcke,<lb/>
mit langen Ueberſchlaͤgen, und rothſcharlachenen Ueberroͤ-<lb/>
cken, und ziemlichen Peruͤcken, ſo auch der <hirendition="#aq">Advocat<lb/>
general,</hi> der etwas niedriger ſitzt. Die Pulte ſind mit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">blauen,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[248/0272]
auſſer, daß die Artiſchocken, die ich vorlegen muſte,
und daher nicht verſuchte, ganz geroͤſtet und gebraten,
faſt ſchwarz und ſehr hart waren, und ſo ohne Bruͤ-
he begierig gegeſſen wurden. Um 12. Uhr ſtand man
auf. Oben beſetzte gleich alles wieder die Spieltiſche.
Die Karoſſen rangirten ſich vorm Hauſe, auf mich war-
tete keine, ich ſuchte daher um 1. Uhr den Weg nach Hau-
ſe. — — Paris iſt bei Nacht, wie am Tag; der
Unterſchied im Getuͤmmel iſt wahrhaftig nicht gros. Das
aber iſt eine haͤßliche Gewohnheit, daß des Nachts die
Millionen Nachtgeſchirre alle oben herab ausgeleert werden.
Was Wunder, daß Geſtank und Koth in Paris nie
aufhoͤren?
Den 19ten Jun.
Le Palais Marchand, ou on plaide. Da ging
ich heute hin, um die Form der Gerichtsbarkeit in Frank-
reich, und das Parlament ſitzen zu ſehen. Die Gerech-
tigkeit wohnt eben nicht praͤchtig. Es iſt ein altes viel-
winklichtes Gebaͤude aufm Platz Dauphine in der alten
Stadt Paris, zwiſchen dem Waſſer, dem Pontneuf
gegen uͤber. Die breiten Plaͤtze darin ſind mit Bouti-
quen angefuͤllt, aber die Zugaͤnge zu den Chambres ſel-
ber ſind eng, krumm, finſter, ſchmal. Ich ging ſon-
derlich in die grande Chambre, wo das Parlament
wuͤrklich verſammelt war. Der Platz zur Sitzung iſt mit
Schranken eingefaßt, an denen auſſen die Fremden und
Zuſchauer ſtehen. An den Waͤnden herum ſitzen die Par-
lamentsherren in ſchwarzen Roͤcken wie unſre Kirchenroͤcke,
mit langen Ueberſchlaͤgen, und rothſcharlachenen Ueberroͤ-
cken, und ziemlichen Peruͤcken, ſo auch der Advocat
general, der etwas niedriger ſitzt. Die Pulte ſind mit
blauen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/272>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.