kömmt auch hinab, sie bittet ihn, zurück zu gehen, end- lich ruft sie Charon, und ehe man's sich versieht, führt sie Herkules unten zwischen lauter Feuer und Felsen herauf etc. Ich bin müde, aber Rousseau's Stelle fällt mir noch ein: Les passions violentes ont tou- jours dans leurs exces quelque chose de puerile, qui nous amuse, seduit, et nous fait aimer ce qui seroit a craindre. Voila pourquoi nous aimons tous le theatre, et plusieurs entre nous les romans.
Den 14ten Jun.
Mr. Delor und ich wolten heute Mr. de Bomare besuchen, um sein Kabinet, Rue Ferrerie zu sehen; er war aber für den ganzen Sommer in Chantilly beim Prinz von Conde'. Es ist unglaublich, was das für eine Last ist, in Paris des Morgens Stundenlang her- um zu laufen und doch seinen Zweck nicht zu erreichen. Alles läuft auf und vom Markt, beständig glitscht man aufm Pflaster, ganze Strassen lang muß man oft hinter den Lastwagen herkriechen, die mit Steinen, Ziegel, Holz etc. so beschwert sind, daß sie alle Augenblicke bre- chen und 50. Menschen die Füsse entzwei schlagen können. Man bekömmt Kopfweh nur von dem ewigen Schlagen, und Trampeln der Pferde, und dem Schreien und Fluchen der Leute. Wer strepitum tumultumque urbis nicht kennt, kan's hier erfahren. Sieht man's nicht an den Einwohnern von Paris selber, daß ihnen das be- ständige Getümmel zur Last ist, da sie aufs Land gehen, sobald die Natur wieder schön wird? Wie arbeiten oft Menschen, um die besten natürlichen Vergnügungen zu
verjagen!
O 5
koͤmmt auch hinab, ſie bittet ihn, zuruͤck zu gehen, end- lich ruft ſie Charon, und ehe man’s ſich verſieht, fuͤhrt ſie Herkules unten zwiſchen lauter Feuer und Felſen herauf ꝛc. Ich bin muͤde, aber Rouſſeau’s Stelle faͤllt mir noch ein: Les paſſions violentes ont tou- jours dans leurs excès quelque choſe de puerile, qui nous amuſe, ſeduit, et nous fait aimer ce qui ſeroit à craindre. Voilà pourquoi nous aimons tous le theatre, et pluſieurs entre nous les romans.
Den 14ten Jun.
Mr. Delor und ich wolten heute Mr. de Bomare beſuchen, um ſein Kabinet, Rue Ferrerie zu ſehen; er war aber fuͤr den ganzen Sommer in Chantilly beim Prinz von Conde’. Es iſt unglaublich, was das fuͤr eine Laſt iſt, in Paris des Morgens Stundenlang her- um zu laufen und doch ſeinen Zweck nicht zu erreichen. Alles laͤuft auf und vom Markt, beſtaͤndig glitſcht man aufm Pflaſter, ganze Straſſen lang muß man oft hinter den Laſtwagen herkriechen, die mit Steinen, Ziegel, Holz ꝛc. ſo beſchwert ſind, daß ſie alle Augenblicke bre- chen und 50. Menſchen die Fuͤſſe entzwei ſchlagen koͤnnen. Man bekoͤmmt Kopfweh nur von dem ewigen Schlagen, und Trampeln der Pferde, und dem Schreien und Fluchen der Leute. Wer ſtrepitum tumultumque urbis nicht kennt, kan’s hier erfahren. Sieht man’s nicht an den Einwohnern von Paris ſelber, daß ihnen das be- ſtaͤndige Getuͤmmel zur Laſt iſt, da ſie aufs Land gehen, ſobald die Natur wieder ſchoͤn wird? Wie arbeiten oft Menſchen, um die beſten natuͤrlichen Vergnuͤgungen zu
verjagen!
O 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0241"n="217"/>
koͤmmt auch hinab, ſie bittet ihn, zuruͤck zu gehen, end-<lb/>
lich ruft ſie <hirendition="#fr">Charon,</hi> und ehe man’s ſich verſieht, fuͤhrt<lb/>ſie <hirendition="#fr">Herkules</hi> unten zwiſchen lauter Feuer und Felſen<lb/>
herauf ꝛc. Ich bin muͤde, aber <hirendition="#fr">Rouſſeau</hi>’s Stelle faͤllt<lb/>
mir noch ein: <hirendition="#aq">Les paſſions violentes ont tou-<lb/>
jours dans leurs excès quelque choſe de puerile,<lb/>
qui nous amuſe, ſeduit, et nous fait aimer ce<lb/>
qui ſeroit à craindre. Voilà pourquoi nous<lb/>
aimons tous le theatre, et pluſieurs entre nous<lb/>
les romans.</hi></p></div><lb/><divn="3"><head>Den 14ten Jun.</head><lb/><p><hirendition="#aq">Mr. <hirendition="#i">Delor</hi></hi> und ich wolten heute <hirendition="#aq">Mr. <hirendition="#i">de Bomare</hi></hi><lb/>
beſuchen, um ſein Kabinet, <hirendition="#aq">Rue Ferrerie</hi> zu ſehen; er<lb/>
war aber fuͤr den ganzen Sommer in <hirendition="#fr">Chantilly</hi> beim<lb/>
Prinz von <hirendition="#fr">Conde’.</hi> Es iſt unglaublich, was das fuͤr<lb/>
eine Laſt iſt, in <hirendition="#fr">Paris</hi> des Morgens Stundenlang her-<lb/>
um zu laufen und doch ſeinen Zweck nicht zu erreichen.<lb/>
Alles laͤuft auf und vom Markt, beſtaͤndig glitſcht man<lb/>
aufm Pflaſter, ganze Straſſen lang muß man oft hinter<lb/>
den Laſtwagen herkriechen, die mit Steinen, Ziegel,<lb/>
Holz ꝛc. ſo beſchwert ſind, daß ſie alle Augenblicke bre-<lb/>
chen und 50. Menſchen die Fuͤſſe entzwei ſchlagen koͤnnen.<lb/>
Man bekoͤmmt Kopfweh nur von dem ewigen Schlagen,<lb/>
und Trampeln der Pferde, und dem Schreien und Fluchen<lb/>
der Leute. Wer <hirendition="#aq">ſtrepitum tumultumque urbis</hi><lb/>
nicht kennt, kan’s hier erfahren. Sieht man’s nicht an<lb/>
den Einwohnern von <hirendition="#fr">Paris</hi>ſelber, daß ihnen das be-<lb/>ſtaͤndige Getuͤmmel zur Laſt iſt, da ſie aufs Land gehen,<lb/>ſobald die Natur wieder ſchoͤn wird? Wie arbeiten oft<lb/>
Menſchen, um die beſten natuͤrlichen Vergnuͤgungen zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">verjagen!</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[217/0241]
koͤmmt auch hinab, ſie bittet ihn, zuruͤck zu gehen, end-
lich ruft ſie Charon, und ehe man’s ſich verſieht, fuͤhrt
ſie Herkules unten zwiſchen lauter Feuer und Felſen
herauf ꝛc. Ich bin muͤde, aber Rouſſeau’s Stelle faͤllt
mir noch ein: Les paſſions violentes ont tou-
jours dans leurs excès quelque choſe de puerile,
qui nous amuſe, ſeduit, et nous fait aimer ce
qui ſeroit à craindre. Voilà pourquoi nous
aimons tous le theatre, et pluſieurs entre nous
les romans.
Den 14ten Jun.
Mr. Delor und ich wolten heute Mr. de Bomare
beſuchen, um ſein Kabinet, Rue Ferrerie zu ſehen; er
war aber fuͤr den ganzen Sommer in Chantilly beim
Prinz von Conde’. Es iſt unglaublich, was das fuͤr
eine Laſt iſt, in Paris des Morgens Stundenlang her-
um zu laufen und doch ſeinen Zweck nicht zu erreichen.
Alles laͤuft auf und vom Markt, beſtaͤndig glitſcht man
aufm Pflaſter, ganze Straſſen lang muß man oft hinter
den Laſtwagen herkriechen, die mit Steinen, Ziegel,
Holz ꝛc. ſo beſchwert ſind, daß ſie alle Augenblicke bre-
chen und 50. Menſchen die Fuͤſſe entzwei ſchlagen koͤnnen.
Man bekoͤmmt Kopfweh nur von dem ewigen Schlagen,
und Trampeln der Pferde, und dem Schreien und Fluchen
der Leute. Wer ſtrepitum tumultumque urbis
nicht kennt, kan’s hier erfahren. Sieht man’s nicht an
den Einwohnern von Paris ſelber, daß ihnen das be-
ſtaͤndige Getuͤmmel zur Laſt iſt, da ſie aufs Land gehen,
ſobald die Natur wieder ſchoͤn wird? Wie arbeiten oft
Menſchen, um die beſten natuͤrlichen Vergnuͤgungen zu
verjagen!
O 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/241>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.