Seele. Das Stück hat schon im vorigen Jahre hier viel Aufsehen gemacht, und noch vor kurzem ward es auf Befehl, vermuthlich der Königin, vor dem Kaiser aufge- führt. Auch heute waren der Comte d'Artois, und der Duc de Chartres wieder darin. Die Illusion, die Zartheit der Stimme, der Ausdruck der Leidenschaften, die Schönheit der Musik, das genaue Halten des Takts, die Pracht der Kleider und der Dekorationen -- alles steigt darin aufs höchste. Madem. Vesteis hies die Aktrice, welche die Alceste, und Gros der Akteur, so den Admet machte; Beide spielten herrlich. Die Bild- säule des Apolls war an sich nichts besonders, aber an dem Räuchern, Anbeten, Feuer auffliegen lassen, am heiligen Tanz, an Priestern, und Oberpriestern konnte man so recht das Pfaffenspiel der alten Welt, und ihre tausendfältige Gaukelspiele und Mummereien kennen ler- nen. -- Der Kampf der Liebe, der Natur, und der Pflicht im Admet, und in Alcesten, -- man kann's nicht sagen, wie's die Leute vorstellen. Sie fallen vor, fahren zurück, zittern in allen Muskeln, ahmen die Ohn- machten so natürlich nach, werden heftig gegeneinander, kehren sich mit einmahl um, und schreiten majestätisch, gedankenvoll, übern Schauplatz hin, spannen die Stim- me aufs höchste etc. Es kamen 2. kleine Kinder, von denen Alceste Abschied nimmt, die dem Herkules alle mögliche Schmeicheleien machen, die ihm hernach die Hand küssen. Herkules, mit seinem entscheidenden Ton war gar vortreflich. Der Eingang der Hölle war eine Wildnis, verfallne Bäume, Felsen, Löcher, Ritzen etc. wenig Licht dabei. Da schweifte Alceste herum, ganze Schaaren von höllischen Gottheiten waren hinten, beständig flammte an allen Gegenden Feuer auf -- Admet
kömmt
Seele. Das Stuͤck hat ſchon im vorigen Jahre hier viel Aufſehen gemacht, und noch vor kurzem ward es auf Befehl, vermuthlich der Koͤnigin, vor dem Kaiſer aufge- fuͤhrt. Auch heute waren der Comte d’Artois, und der Duc de Chartres wieder darin. Die Illuſion, die Zartheit der Stimme, der Ausdruck der Leidenſchaften, die Schoͤnheit der Muſik, das genaue Halten des Takts, die Pracht der Kleider und der Dekorationen — alles ſteigt darin aufs hoͤchſte. Madem. Veſteis hies die Aktrice, welche die Alceſte, und Gros der Akteur, ſo den Admet machte; Beide ſpielten herrlich. Die Bild- ſaͤule des Apolls war an ſich nichts beſonders, aber an dem Raͤuchern, Anbeten, Feuer auffliegen laſſen, am heiligen Tanz, an Prieſtern, und Oberprieſtern konnte man ſo recht das Pfaffenſpiel der alten Welt, und ihre tauſendfaͤltige Gaukelſpiele und Mummereien kennen ler- nen. — Der Kampf der Liebe, der Natur, und der Pflicht im Admet, und in Alceſten, — man kann’s nicht ſagen, wie’s die Leute vorſtellen. Sie fallen vor, fahren zuruͤck, zittern in allen Muſkeln, ahmen die Ohn- machten ſo natuͤrlich nach, werden heftig gegeneinander, kehren ſich mit einmahl um, und ſchreiten majeſtaͤtiſch, gedankenvoll, uͤbern Schauplatz hin, ſpannen die Stim- me aufs hoͤchſte ꝛc. Es kamen 2. kleine Kinder, von denen Alceſte Abſchied nimmt, die dem Herkules alle moͤgliche Schmeicheleien machen, die ihm hernach die Hand kuͤſſen. Herkules, mit ſeinem entſcheidenden Ton war gar vortreflich. Der Eingang der Hoͤlle war eine Wildnis, verfallne Baͤume, Felſen, Loͤcher, Ritzen ꝛc. wenig Licht dabei. Da ſchweifte Alceſte herum, ganze Schaaren von hoͤlliſchen Gottheiten waren hinten, beſtaͤndig flammte an allen Gegenden Feuer auf — Admet
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Seele. Das Stuͤck hat ſchon im vorigen Jahre hier viel
Aufſehen gemacht, und noch vor kurzem ward es auf
Befehl, vermuthlich der Koͤnigin, vor dem Kaiſer aufge-
fuͤhrt. Auch heute waren der Comte d’Artois, und der
Duc de Chartres wieder darin. Die Illuſion, die
Zartheit der Stimme, der Ausdruck der Leidenſchaften,
die Schoͤnheit der Muſik, das genaue Halten des Takts,
die Pracht der Kleider und der Dekorationen — alles
ſteigt darin aufs hoͤchſte. Madem. Veſteis hies die
Aktrice, welche die Alceſte, und Gros der Akteur, ſo
den Admet machte; Beide ſpielten herrlich. Die Bild-
ſaͤule des Apolls war an ſich nichts beſonders, aber an
dem Raͤuchern, Anbeten, Feuer auffliegen laſſen, am
heiligen Tanz, an Prieſtern, und Oberprieſtern konnte
man ſo recht das Pfaffenſpiel der alten Welt, und ihre
tauſendfaͤltige Gaukelſpiele und Mummereien kennen ler-
nen. — Der Kampf der Liebe, der Natur, und der
Pflicht im Admet, und in Alceſten, — man kann’s
nicht ſagen, wie’s die Leute vorſtellen. Sie fallen vor,
fahren zuruͤck, zittern in allen Muſkeln, ahmen die Ohn-
machten ſo natuͤrlich nach, werden heftig gegeneinander,
kehren ſich mit einmahl um, und ſchreiten majeſtaͤtiſch,
gedankenvoll, uͤbern Schauplatz hin, ſpannen die Stim-
me aufs hoͤchſte ꝛc. Es kamen 2. kleine Kinder, von
denen Alceſte Abſchied nimmt, die dem Herkules alle
moͤgliche Schmeicheleien machen, die ihm hernach die
Hand kuͤſſen. Herkules, mit ſeinem entſcheidenden
Ton war gar vortreflich. Der Eingang der Hoͤlle war
eine Wildnis, verfallne Baͤume, Felſen, Loͤcher, Ritzen
ꝛc. wenig Licht dabei. Da ſchweifte Alceſte herum, ganze
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flammte an allen Gegenden Feuer auf — Admet
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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