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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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und erhoben: keinen rechtschafnen Lehrer, hier ward ge-
klagt, daß oft Schaafe aus dieser Kirche die besten Er-
mahnungen mit Gelächter belohnten: keinen rechtschaf-
nen Unterthan, sonst schüttle man bei Gelegenheit das
Joch des Zwangs ab: keinen ruhigen Tod, aber Furcht,
sagte er da, ist nicht in der Liebe etc. Der Text ward mit
keinem Worte erklärt, im Eingang wurden aus der Kir-
chengeschichte Anekdoten vom Johannes erzählt. Das
Deutsche war herzlich schlechtes katholisches, der Ton über-
haupt strasburgisch, die Gestus fehlerhaft, z. B. es ward
mit der Hand lange gezittert, lange damit bald auf die
rechte, bald auf die linke Brust getätschelt, beide Hände
zu hoch in die Höhe gestreckt, oben auf der Perüke zusam-
men gelegt, an die Seiten der Kanzel gelegt, mit dem
Schnupftuch sich viel zu thun gemacht etc. Der Kirchen-
rock ist eigentlich nur ein halber, vorne auf der Brust ist
nichts, er hängt nur auf den Achseln. Es wurden ein Paar
neue Eheleute aufgebothen, und die Beichte zur Kommu-
nion über 8. Tage, eine Stunde vor der Kirche verkün-
digt. Nachher ging ich nach

St. Clou, einem Königl. Lustschlosse bei einem Dor-
fe 2. Stunden von Paris. Wohnt'ich in Paris, so
ging' ich gewiß oft aus der ungesunden, dumpfigen, lär-
menden Stadt dahin. Man geht dahin durch die Thuil-
leries,
durch das angenehme Wäldchen von Boulogne,
wo überall lustige Gesellschaften im Grase sassen, durch
das schöne Voulogne selber über einen Platz, wo lau-
ter Stecken zum Troknen der Wäsche stecken, als wenns
Rebländer wären, und über eine grosse Brücke über die Sei-
ne,
die hier sehr breit ist. An dieser Brücke hat man
viel grosse und breite Netze angebracht, die man an Ha-

speln
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und erhoben: keinen rechtſchafnen Lehrer, hier ward ge-
klagt, daß oft Schaafe aus dieſer Kirche die beſten Er-
mahnungen mit Gelaͤchter belohnten: keinen rechtſchaf-
nen Unterthan, ſonſt ſchuͤttle man bei Gelegenheit das
Joch des Zwangs ab: keinen ruhigen Tod, aber Furcht,
ſagte er da, iſt nicht in der Liebe ꝛc. Der Text ward mit
keinem Worte erklaͤrt, im Eingang wurden aus der Kir-
chengeſchichte Anekdoten vom Johannes erzaͤhlt. Das
Deutſche war herzlich ſchlechtes katholiſches, der Ton uͤber-
haupt ſtrasburgiſch, die Geſtus fehlerhaft, z. B. es ward
mit der Hand lange gezittert, lange damit bald auf die
rechte, bald auf die linke Bruſt getaͤtſchelt, beide Haͤnde
zu hoch in die Hoͤhe geſtreckt, oben auf der Peruͤke zuſam-
men gelegt, an die Seiten der Kanzel gelegt, mit dem
Schnupftuch ſich viel zu thun gemacht ꝛc. Der Kirchen-
rock iſt eigentlich nur ein halber, vorne auf der Bruſt iſt
nichts, er haͤngt nur auf den Achſeln. Es wurden ein Paar
neue Eheleute aufgebothen, und die Beichte zur Kommu-
nion uͤber 8. Tage, eine Stunde vor der Kirche verkuͤn-
digt. Nachher ging ich nach

St. Clou, einem Koͤnigl. Luſtſchloſſe bei einem Dor-
fe 2. Stunden von Paris. Wohnt’ich in Paris, ſo
ging’ ich gewiß oft aus der ungeſunden, dumpfigen, laͤr-
menden Stadt dahin. Man geht dahin durch die Thuil-
leries,
durch das angenehme Waͤldchen von Boulogne,
wo uͤberall luſtige Geſellſchaften im Graſe ſaſſen, durch
das ſchoͤne Voulogne ſelber uͤber einen Platz, wo lau-
ter Stecken zum Troknen der Waͤſche ſtecken, als wenns
Reblaͤnder waͤren, und uͤber eine groſſe Bruͤcke uͤber die Sei-
ne,
die hier ſehr breit iſt. An dieſer Bruͤcke hat man
viel groſſe und breite Netze angebracht, die man an Ha-

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[121/0145] und erhoben: keinen rechtſchafnen Lehrer, hier ward ge- klagt, daß oft Schaafe aus dieſer Kirche die beſten Er- mahnungen mit Gelaͤchter belohnten: keinen rechtſchaf- nen Unterthan, ſonſt ſchuͤttle man bei Gelegenheit das Joch des Zwangs ab: keinen ruhigen Tod, aber Furcht, ſagte er da, iſt nicht in der Liebe ꝛc. Der Text ward mit keinem Worte erklaͤrt, im Eingang wurden aus der Kir- chengeſchichte Anekdoten vom Johannes erzaͤhlt. Das Deutſche war herzlich ſchlechtes katholiſches, der Ton uͤber- haupt ſtrasburgiſch, die Geſtus fehlerhaft, z. B. es ward mit der Hand lange gezittert, lange damit bald auf die rechte, bald auf die linke Bruſt getaͤtſchelt, beide Haͤnde zu hoch in die Hoͤhe geſtreckt, oben auf der Peruͤke zuſam- men gelegt, an die Seiten der Kanzel gelegt, mit dem Schnupftuch ſich viel zu thun gemacht ꝛc. Der Kirchen- rock iſt eigentlich nur ein halber, vorne auf der Bruſt iſt nichts, er haͤngt nur auf den Achſeln. Es wurden ein Paar neue Eheleute aufgebothen, und die Beichte zur Kommu- nion uͤber 8. Tage, eine Stunde vor der Kirche verkuͤn- digt. Nachher ging ich nach St. Clou, einem Koͤnigl. Luſtſchloſſe bei einem Dor- fe 2. Stunden von Paris. Wohnt’ich in Paris, ſo ging’ ich gewiß oft aus der ungeſunden, dumpfigen, laͤr- menden Stadt dahin. Man geht dahin durch die Thuil- leries, durch das angenehme Waͤldchen von Boulogne, wo uͤberall luſtige Geſellſchaften im Graſe ſaſſen, durch das ſchoͤne Voulogne ſelber uͤber einen Platz, wo lau- ter Stecken zum Troknen der Waͤſche ſtecken, als wenns Reblaͤnder waͤren, und uͤber eine groſſe Bruͤcke uͤber die Sei- ne, die hier ſehr breit iſt. An dieſer Bruͤcke hat man viel groſſe und breite Netze angebracht, die man an Ha- ſpeln H 5

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/145>, abgerufen am 24.11.2024.