Feuchtigkeit auch von Glas darin angebracht. Man konnte sich daran vom Staarstechen einen schnellen Begrif machen. Die Corona ciliaris hatte sie auch nachge- ahmt, doch war das freilich weit unter der Feinheit, wo- mit die Natur arbeitet. Aber das Ohr mit allen seinen innern und äussern Theilen, die vier kleinen Gehörkno- chen, den Labyrinth, die Pauke, die Fenster etc. das alles war nicht genug zu bewundern. Sie zeigte uns Füsse, an denen alle Muskeln mit ihren Flechsen ausge- drückt waren. Sie hatte das Nervensystem in Händen und Füssen in äusserst seinen Wachsfäden, doch ohne plexus und involucra nervorum, in einem Glaskäst- chen auf einem schwarzen Grunde mit subtilen Steckna- deln befestigt. Sie hatte alle Theile der Muskeln ein- zeln. Sie hatte Monstra nachgemacht, besonders eins, das in der Rue St. Honore von einer gemeinen Frau gebohren war, nur ein Auge, wie der Cyclop des Homer, in der Mitte der Stirn hatte, und erzählte dabei die inn- re Abweichungen im Gehirn. Sie zeigte uns endlich in einem Glasschranke, ein herrliches Brustbild von Hen- ry IV. das sie nach einem Bilde, das der Prinz von Conde' in Chantilly hat, nachgeahmt hatte. Der König ward abgemahlt, wie er aussah, als er an den, in der Rue La Ferroniere, von Ravaillac empfangenen Wunden starb. Der König hat die schönsten Augen, ein liebliches Gesicht, und einen ehrwürdigen Bart. Er wird auch noch immer von der Nation geliebt und be- dauert.
Für mich hatte das Frauenzimmer noch die Gefällig- keit, daß sie mir eine Addresse an Jußieu gab, die von ihrer eignen Hand recht sauber geschrieben war. Konte
man
Feuchtigkeit auch von Glas darin angebracht. Man konnte ſich daran vom Staarſtechen einen ſchnellen Begrif machen. Die Corona ciliaris hatte ſie auch nachge- ahmt, doch war das freilich weit unter der Feinheit, wo- mit die Natur arbeitet. Aber das Ohr mit allen ſeinen innern und aͤuſſern Theilen, die vier kleinen Gehoͤrkno- chen, den Labyrinth, die Pauke, die Fenſter ꝛc. das alles war nicht genug zu bewundern. Sie zeigte uns Fuͤſſe, an denen alle Muſkeln mit ihren Flechſen ausge- druͤckt waren. Sie hatte das Nervenſyſtem in Haͤnden und Fuͤſſen in aͤuſſerſt ſeinen Wachsfaͤden, doch ohne plexus und involucra nervorum, in einem Glaskaͤſt- chen auf einem ſchwarzen Grunde mit ſubtilen Steckna- deln befeſtigt. Sie hatte alle Theile der Muſkeln ein- zeln. Sie hatte Monſtra nachgemacht, beſonders eins, das in der Rue St. Honoré von einer gemeinen Frau gebohren war, nur ein Auge, wie der Cyclop des Homer, in der Mitte der Stirn hatte, und erzaͤhlte dabei die inn- re Abweichungen im Gehirn. Sie zeigte uns endlich in einem Glasſchranke, ein herrliches Bruſtbild von Hen- ry IV. das ſie nach einem Bilde, das der Prinz von Conde’ in Chantilly hat, nachgeahmt hatte. Der Koͤnig ward abgemahlt, wie er ausſah, als er an den, in der Rue La Ferroniere, von Ravaillac empfangenen Wunden ſtarb. Der Koͤnig hat die ſchoͤnſten Augen, ein liebliches Geſicht, und einen ehrwuͤrdigen Bart. Er wird auch noch immer von der Nation geliebt und be- dauert.
Fuͤr mich hatte das Frauenzimmer noch die Gefaͤllig- keit, daß ſie mir eine Addreſſe an Jußieu gab, die von ihrer eignen Hand recht ſauber geſchrieben war. Konte
man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0119"n="95"/>
Feuchtigkeit auch von Glas darin angebracht. Man<lb/>
konnte ſich daran vom Staarſtechen einen ſchnellen Begrif<lb/>
machen. Die <hirendition="#aq">Corona ciliaris</hi> hatte ſie auch nachge-<lb/>
ahmt, doch war das freilich weit unter der Feinheit, wo-<lb/>
mit die Natur arbeitet. Aber das Ohr mit allen ſeinen<lb/>
innern und aͤuſſern Theilen, die vier kleinen Gehoͤrkno-<lb/>
chen, den Labyrinth, die Pauke, die Fenſter ꝛc. das<lb/>
alles war nicht genug zu bewundern. Sie zeigte uns<lb/>
Fuͤſſe, an denen alle Muſkeln mit ihren Flechſen ausge-<lb/>
druͤckt waren. Sie hatte das Nervenſyſtem in Haͤnden<lb/>
und Fuͤſſen in aͤuſſerſt ſeinen Wachsfaͤden, doch ohne<lb/><hirendition="#aq">plexus</hi> und <hirendition="#aq">involucra nervorum,</hi> in einem Glaskaͤſt-<lb/>
chen auf einem ſchwarzen Grunde mit ſubtilen Steckna-<lb/>
deln befeſtigt. Sie hatte alle Theile der Muſkeln ein-<lb/>
zeln. Sie hatte <hirendition="#aq">Monſtra</hi> nachgemacht, beſonders eins,<lb/>
das in der <hirendition="#aq">Rue St. <hirendition="#i">Honoré</hi></hi> von einer gemeinen Frau<lb/>
gebohren war, nur ein Auge, wie der Cyclop des Homer,<lb/>
in der Mitte der Stirn hatte, und erzaͤhlte dabei die inn-<lb/>
re Abweichungen im Gehirn. Sie zeigte uns endlich in<lb/>
einem Glasſchranke, ein herrliches Bruſtbild von <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Hen-<lb/>
ry IV.</hi></hi> das ſie nach einem Bilde, das der Prinz von<lb/><hirendition="#fr">Conde’</hi> in <hirendition="#fr">Chantilly</hi> hat, nachgeahmt hatte. Der<lb/>
Koͤnig ward abgemahlt, wie er ausſah, als er an den, in<lb/>
der <hirendition="#aq">Rue La Ferroniere,</hi> von <hirendition="#fr">Ravaillac</hi> empfangenen<lb/>
Wunden ſtarb. Der Koͤnig hat die ſchoͤnſten Augen,<lb/>
ein liebliches Geſicht, und einen ehrwuͤrdigen Bart. Er<lb/>
wird auch noch immer von der Nation geliebt und be-<lb/>
dauert.</p><lb/><p>Fuͤr mich hatte das Frauenzimmer noch die Gefaͤllig-<lb/>
keit, daß ſie mir eine Addreſſe an <hirendition="#fr">Jußieu</hi> gab, die von<lb/>
ihrer eignen Hand recht ſauber geſchrieben war. Konte<lb/><fwplace="bottom"type="catch">man</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[95/0119]
Feuchtigkeit auch von Glas darin angebracht. Man
konnte ſich daran vom Staarſtechen einen ſchnellen Begrif
machen. Die Corona ciliaris hatte ſie auch nachge-
ahmt, doch war das freilich weit unter der Feinheit, wo-
mit die Natur arbeitet. Aber das Ohr mit allen ſeinen
innern und aͤuſſern Theilen, die vier kleinen Gehoͤrkno-
chen, den Labyrinth, die Pauke, die Fenſter ꝛc. das
alles war nicht genug zu bewundern. Sie zeigte uns
Fuͤſſe, an denen alle Muſkeln mit ihren Flechſen ausge-
druͤckt waren. Sie hatte das Nervenſyſtem in Haͤnden
und Fuͤſſen in aͤuſſerſt ſeinen Wachsfaͤden, doch ohne
plexus und involucra nervorum, in einem Glaskaͤſt-
chen auf einem ſchwarzen Grunde mit ſubtilen Steckna-
deln befeſtigt. Sie hatte alle Theile der Muſkeln ein-
zeln. Sie hatte Monſtra nachgemacht, beſonders eins,
das in der Rue St. Honoré von einer gemeinen Frau
gebohren war, nur ein Auge, wie der Cyclop des Homer,
in der Mitte der Stirn hatte, und erzaͤhlte dabei die inn-
re Abweichungen im Gehirn. Sie zeigte uns endlich in
einem Glasſchranke, ein herrliches Bruſtbild von Hen-
ry IV. das ſie nach einem Bilde, das der Prinz von
Conde’ in Chantilly hat, nachgeahmt hatte. Der
Koͤnig ward abgemahlt, wie er ausſah, als er an den, in
der Rue La Ferroniere, von Ravaillac empfangenen
Wunden ſtarb. Der Koͤnig hat die ſchoͤnſten Augen,
ein liebliches Geſicht, und einen ehrwuͤrdigen Bart. Er
wird auch noch immer von der Nation geliebt und be-
dauert.
Fuͤr mich hatte das Frauenzimmer noch die Gefaͤllig-
keit, daß ſie mir eine Addreſſe an Jußieu gab, die von
ihrer eignen Hand recht ſauber geſchrieben war. Konte
man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/119>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.