Zum Schluß wollen wir noch eines bedeutenden Zweiges der ver- vielfältigenden Künste, der
Heliographie
Erwähnung thun. Unter diesem Namen kann man sämtliche Verfahren, die auf der Photographie basieren, wie Lichtdruck (Alberttypie), Wood- burytypie, Phototypie, Photolithographie, Photogravüre, Dallas- typie etc. zusammenfassen. Es wird aber zweckmäßiger sein, wenn wir diese Künste erst besprechen, wenn wir näheres über die Erfindung und Entwicklung der Photographie erzählt haben. Nicht übergehen wollen wir aber den
Naturselbstdruck,
ein originelles Verfahren, flache körperliche Gegenstände, wie Blätter, Spitzen, Ornamentumrisse und ähnliches zu vervielfältigen, das in neuester Zeit von dem Faktor Worring und dem Direktor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, A. Auer, erfunden ist. Es beruht auf der Wahrnehmung, daß Gegenstände von der erwähnten Art, wenn sie, zwischen einer Kupfer- und einer Bleiplatte liegend, einem starken Druck ausgesetzt werden, einen außerordentlich feinen Eindruck mit allen Details auf der Bleiplatte hervorrufen. Wird die Bleiplatte, die selbst zu weich ist, um von ihr Abdrücke zu nehmen, auf galvanischem Wege verkupfert (s. S. 139), so kann man von der so gewonnenen Platte beliebig viele Abzüge nehmen, die an Feinheit außerordentliches leisten.
g) Die Photographie.
1. Die Erfindung der Photographie.
In schwungvollen Versen hat in jüngster Zeit der Gelehrte und Dichter auf dem Stuhle des heiligen Petrus, Papst Leo XIII, die Erfindung der Photographie besungen. Es ist dies recht charakteristisch für den ungeheuren Fortschritt, der sich im geistigen Leben, in der Auffassung und Anschauung aller Kulturvölker seit dem Mittelalter vollzogen hat. Wurde doch noch im Atrium der Neuzeit, im Anfang des 17. Jahrhunderts, der große Galilei ob seiner Entdeckung des Fernrohres und der Ergebnisse, die er mit diesem mächtigen Forschungs- mittel erlangte, von dem damaligen Papst Urban VIII ins Gefängnis geworfen und jahrelang vom Haß der Kirche verfolgt. Wie wäre es erst einem Manne ergangen, den das Unglück betroffen hätte, in den dunkeln, traurigen Zeiten des Mittelalters die wunderbare Kunst des Photographierens zu erfinden. Sicherlich wäre er als Hexenmeister verbrannt worden.
Indessen ist die Erfindung der Photographie (Lichtzeichnung) nicht, wie so manche andere Erfindung, durch einen einzelnen glücklichen Zufall oder einen glücklichen Einfall eines geistreichen Mannes erfolgt, viel-
Das Buch der Erfindungen. 62
Heliographie. — Naturſelbſtdruck. — Photographie.
Zum Schluß wollen wir noch eines bedeutenden Zweiges der ver- vielfältigenden Künſte, der
Heliographie
Erwähnung thun. Unter dieſem Namen kann man ſämtliche Verfahren, die auf der Photographie baſieren, wie Lichtdruck (Alberttypie), Wood- burytypie, Phototypie, Photolithographie, Photogravüre, Dallas- typie ꝛc. zuſammenfaſſen. Es wird aber zweckmäßiger ſein, wenn wir dieſe Künſte erſt beſprechen, wenn wir näheres über die Erfindung und Entwicklung der Photographie erzählt haben. Nicht übergehen wollen wir aber den
Naturſelbſtdruck,
ein originelles Verfahren, flache körperliche Gegenſtände, wie Blätter, Spitzen, Ornamentumriſſe und ähnliches zu vervielfältigen, das in neueſter Zeit von dem Faktor Worring und dem Direktor der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, A. Auer, erfunden iſt. Es beruht auf der Wahrnehmung, daß Gegenſtände von der erwähnten Art, wenn ſie, zwiſchen einer Kupfer- und einer Bleiplatte liegend, einem ſtarken Druck ausgeſetzt werden, einen außerordentlich feinen Eindruck mit allen Details auf der Bleiplatte hervorrufen. Wird die Bleiplatte, die ſelbſt zu weich iſt, um von ihr Abdrücke zu nehmen, auf galvaniſchem Wege verkupfert (ſ. S. 139), ſo kann man von der ſo gewonnenen Platte beliebig viele Abzüge nehmen, die an Feinheit außerordentliches leiſten.
g) Die Photographie.
1. Die Erfindung der Photographie.
In ſchwungvollen Verſen hat in jüngſter Zeit der Gelehrte und Dichter auf dem Stuhle des heiligen Petrus, Papſt Leo XIII, die Erfindung der Photographie beſungen. Es iſt dies recht charakteriſtiſch für den ungeheuren Fortſchritt, der ſich im geiſtigen Leben, in der Auffaſſung und Anſchauung aller Kulturvölker ſeit dem Mittelalter vollzogen hat. Wurde doch noch im Atrium der Neuzeit, im Anfang des 17. Jahrhunderts, der große Galilei ob ſeiner Entdeckung des Fernrohres und der Ergebniſſe, die er mit dieſem mächtigen Forſchungs- mittel erlangte, von dem damaligen Papſt Urban VIII ins Gefängnis geworfen und jahrelang vom Haß der Kirche verfolgt. Wie wäre es erſt einem Manne ergangen, den das Unglück betroffen hätte, in den dunkeln, traurigen Zeiten des Mittelalters die wunderbare Kunſt des Photographierens zu erfinden. Sicherlich wäre er als Hexenmeiſter verbrannt worden.
Indeſſen iſt die Erfindung der Photographie (Lichtzeichnung) nicht, wie ſo manche andere Erfindung, durch einen einzelnen glücklichen Zufall oder einen glücklichen Einfall eines geiſtreichen Mannes erfolgt, viel-
Das Buch der Erfindungen. 62
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Heliographie. — Naturſelbſtdruck. — Photographie.
Zum Schluß wollen wir noch eines bedeutenden Zweiges der ver-
vielfältigenden Künſte, der
Heliographie
Erwähnung thun. Unter dieſem Namen kann man ſämtliche Verfahren,
die auf der Photographie baſieren, wie Lichtdruck (Alberttypie), Wood-
burytypie, Phototypie, Photolithographie, Photogravüre, Dallas-
typie ꝛc. zuſammenfaſſen. Es wird aber zweckmäßiger ſein, wenn wir
dieſe Künſte erſt beſprechen, wenn wir näheres über die Erfindung und
Entwicklung der Photographie erzählt haben. Nicht übergehen wollen
wir aber den
Naturſelbſtdruck,
ein originelles Verfahren, flache körperliche Gegenſtände, wie Blätter,
Spitzen, Ornamentumriſſe und ähnliches zu vervielfältigen, das in
neueſter Zeit von dem Faktor Worring und dem Direktor der k. k. Hof-
und Staatsdruckerei in Wien, A. Auer, erfunden iſt. Es beruht auf der
Wahrnehmung, daß Gegenſtände von der erwähnten Art, wenn ſie,
zwiſchen einer Kupfer- und einer Bleiplatte liegend, einem ſtarken Druck
ausgeſetzt werden, einen außerordentlich feinen Eindruck mit allen Details
auf der Bleiplatte hervorrufen. Wird die Bleiplatte, die ſelbſt zu weich
iſt, um von ihr Abdrücke zu nehmen, auf galvaniſchem Wege verkupfert
(ſ. S. 139), ſo kann man von der ſo gewonnenen Platte beliebig viele
Abzüge nehmen, die an Feinheit außerordentliches leiſten.
g) Die Photographie.
1. Die Erfindung der Photographie.
In ſchwungvollen Verſen hat in jüngſter Zeit der Gelehrte und
Dichter auf dem Stuhle des heiligen Petrus, Papſt Leo XIII, die
Erfindung der Photographie beſungen. Es iſt dies recht charakteriſtiſch
für den ungeheuren Fortſchritt, der ſich im geiſtigen Leben, in der
Auffaſſung und Anſchauung aller Kulturvölker ſeit dem Mittelalter
vollzogen hat. Wurde doch noch im Atrium der Neuzeit, im Anfang
des 17. Jahrhunderts, der große Galilei ob ſeiner Entdeckung des
Fernrohres und der Ergebniſſe, die er mit dieſem mächtigen Forſchungs-
mittel erlangte, von dem damaligen Papſt Urban VIII ins Gefängnis
geworfen und jahrelang vom Haß der Kirche verfolgt. Wie wäre es
erſt einem Manne ergangen, den das Unglück betroffen hätte, in den
dunkeln, traurigen Zeiten des Mittelalters die wunderbare Kunſt des
Photographierens zu erfinden. Sicherlich wäre er als Hexenmeiſter
verbrannt worden.
Indeſſen iſt die Erfindung der Photographie (Lichtzeichnung) nicht,
wie ſo manche andere Erfindung, durch einen einzelnen glücklichen Zufall
oder einen glücklichen Einfall eines geiſtreichen Mannes erfolgt, viel-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 977. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/995>, abgerufen am 22.11.2024.
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