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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die vervielfältigenden Künste.

Die eigentliche Kupferstecherkunst ist die Linien- oder Grabstichel-
manier. Die Kupferplatte muß vorerst, wie bei allen Methoden außer
der Schwarzkunst, absolut glatt poliert werden, da jede Unebenheit der
Platte sich im Druck hervorheben und die Wirkung des Stiches beein-
trächtigen würde. Die Platte wird nun mit dem sogenannten "Grunde"
überzogen, d. h. einer dünnen Schicht von weißem Wachs, Pech und
Mastix. Auf diese wird, nachdem sie mit einem Wachsstock schwarz
angeräuchert ist, die Zeichnung rot durchgepaust. Darauf ritzt der
Stecher mit einer scharfen Radiernadel die Linien der Zeichnung durch
den Grund hindurch ganz leicht in das Kupfer ein, wonach der Grund
mit Terpentinöl fortgewaschen wird. Nunmehr beginnt das eigentliche
Stechen mit dem Grabstichel in ähnlicher Weise, wie wir es beim
Holzschnitt sahen. Die am Rande der Schnitte entstehenden Er-
höhungen, die sogenannten Grate, werden mit einem Schabeisen fort-
genommen. Die Punktiermanier unterscheidet sich von der vorigen nur
dadurch, daß man die Konturen der Zeichnung, die Schatten und
Töne nicht durch Linien, sondern durch Reihen von Punkten darstellt,
die man mit Punzen oder mit fein gezackten stählernen Rädchen auf
auf die Platte bringt. Doch wird bei dieser Manier die Zeichnung
direkt auf die Kupferplatte übertragen.

Bei der Ätzkunst beginnt man in gleicher Weise, wie bei der Linien-
manier, sticht aber mit der Radiernadel nach den Linien der Zeichnung
den Grund nur eben durch, so daß das Kupfer zum Vorschein kommt.
Dann wird die Platte mit einem Wachsrand umgeben und mit einer
Mischung (ungefähr im Verhältnis von 1 zu 2) von Salpetersäure
und Wasser, in dem etwas Kupfer aufgelöst ist, übergossen. Dieses
Scheidewasser frißt das Kupfer an den Stellen, wo es freiliegt, aus
und zwar desto tiefer, je länger es wirken kann. Man läßt es so
lange stehen, daß die Wirkung, die man vorher ausprobiert hat, gerade
hinreicht, die schwächsten Töne auf der Platte hervorzurufen. Dann
werden diese Stellen von neuem mit Ätzgrund überzogen, sodaß beim
Wiederaufgießen des Scheidewassers dieses nur auf die Stellen ein-
wirken kann, die man noch weiter vertieft wünscht. In dieser Weise
erreicht man die verschiedenen Grade der Tönung und kann im ein-
zelnen eventuell noch nach Beendigung des Ätzens mit Grabstichel
oder Radiernadel kleine Verbesserungen anbringen. Es ist allerdings
zu betonen, daß das Ätzen keineswegs eine leichte Arbeit ist, da es
große Schwierigkeiten hat, die Wirkung des Ätzwassers vorher genau
zu ermitteln.

Die sogenannte Schwarzkunst ist in der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts von dem hessischen Oberstlieutenant L. v. Siegen erfunden
und hat ihren Namen daher, weil man gewissermaßen die Zeichnung
aus einem schwarzen Untergrunde herausarbeitet. Die Platte wird
nämlich bei diesem Verfahren vor oder nach der Übertragung der
Zeichnung ganz rauh gemacht, sodaß sie zunächst beim Abdruck ein

Die vervielfältigenden Künſte.

Die eigentliche Kupferſtecherkunſt iſt die Linien- oder Grabſtichel-
manier. Die Kupferplatte muß vorerſt, wie bei allen Methoden außer
der Schwarzkunſt, abſolut glatt poliert werden, da jede Unebenheit der
Platte ſich im Druck hervorheben und die Wirkung des Stiches beein-
trächtigen würde. Die Platte wird nun mit dem ſogenannten „Grunde“
überzogen, d. h. einer dünnen Schicht von weißem Wachs, Pech und
Maſtix. Auf dieſe wird, nachdem ſie mit einem Wachsſtock ſchwarz
angeräuchert iſt, die Zeichnung rot durchgepauſt. Darauf ritzt der
Stecher mit einer ſcharfen Radiernadel die Linien der Zeichnung durch
den Grund hindurch ganz leicht in das Kupfer ein, wonach der Grund
mit Terpentinöl fortgewaſchen wird. Nunmehr beginnt das eigentliche
Stechen mit dem Grabſtichel in ähnlicher Weiſe, wie wir es beim
Holzſchnitt ſahen. Die am Rande der Schnitte entſtehenden Er-
höhungen, die ſogenannten Grate, werden mit einem Schabeiſen fort-
genommen. Die Punktiermanier unterſcheidet ſich von der vorigen nur
dadurch, daß man die Konturen der Zeichnung, die Schatten und
Töne nicht durch Linien, ſondern durch Reihen von Punkten darſtellt,
die man mit Punzen oder mit fein gezackten ſtählernen Rädchen auf
auf die Platte bringt. Doch wird bei dieſer Manier die Zeichnung
direkt auf die Kupferplatte übertragen.

Bei der Ätzkunſt beginnt man in gleicher Weiſe, wie bei der Linien-
manier, ſticht aber mit der Radiernadel nach den Linien der Zeichnung
den Grund nur eben durch, ſo daß das Kupfer zum Vorſchein kommt.
Dann wird die Platte mit einem Wachsrand umgeben und mit einer
Miſchung (ungefähr im Verhältnis von 1 zu 2) von Salpeterſäure
und Waſſer, in dem etwas Kupfer aufgelöſt iſt, übergoſſen. Dieſes
Scheidewaſſer frißt das Kupfer an den Stellen, wo es freiliegt, aus
und zwar deſto tiefer, je länger es wirken kann. Man läßt es ſo
lange ſtehen, daß die Wirkung, die man vorher ausprobiert hat, gerade
hinreicht, die ſchwächſten Töne auf der Platte hervorzurufen. Dann
werden dieſe Stellen von neuem mit Ätzgrund überzogen, ſodaß beim
Wiederaufgießen des Scheidewaſſers dieſes nur auf die Stellen ein-
wirken kann, die man noch weiter vertieft wünſcht. In dieſer Weiſe
erreicht man die verſchiedenen Grade der Tönung und kann im ein-
zelnen eventuell noch nach Beendigung des Ätzens mit Grabſtichel
oder Radiernadel kleine Verbeſſerungen anbringen. Es iſt allerdings
zu betonen, daß das Ätzen keineswegs eine leichte Arbeit iſt, da es
große Schwierigkeiten hat, die Wirkung des Ätzwaſſers vorher genau
zu ermitteln.

Die ſogenannte Schwarzkunſt iſt in der erſten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts von dem heſſiſchen Oberſtlieutenant L. v. Siegen erfunden
und hat ihren Namen daher, weil man gewiſſermaßen die Zeichnung
aus einem ſchwarzen Untergrunde herausarbeitet. Die Platte wird
nämlich bei dieſem Verfahren vor oder nach der Übertragung der
Zeichnung ganz rauh gemacht, ſodaß ſie zunächſt beim Abdruck ein

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[970/0988] Die vervielfältigenden Künſte. Die eigentliche Kupferſtecherkunſt iſt die Linien- oder Grabſtichel- manier. Die Kupferplatte muß vorerſt, wie bei allen Methoden außer der Schwarzkunſt, abſolut glatt poliert werden, da jede Unebenheit der Platte ſich im Druck hervorheben und die Wirkung des Stiches beein- trächtigen würde. Die Platte wird nun mit dem ſogenannten „Grunde“ überzogen, d. h. einer dünnen Schicht von weißem Wachs, Pech und Maſtix. Auf dieſe wird, nachdem ſie mit einem Wachsſtock ſchwarz angeräuchert iſt, die Zeichnung rot durchgepauſt. Darauf ritzt der Stecher mit einer ſcharfen Radiernadel die Linien der Zeichnung durch den Grund hindurch ganz leicht in das Kupfer ein, wonach der Grund mit Terpentinöl fortgewaſchen wird. Nunmehr beginnt das eigentliche Stechen mit dem Grabſtichel in ähnlicher Weiſe, wie wir es beim Holzſchnitt ſahen. Die am Rande der Schnitte entſtehenden Er- höhungen, die ſogenannten Grate, werden mit einem Schabeiſen fort- genommen. Die Punktiermanier unterſcheidet ſich von der vorigen nur dadurch, daß man die Konturen der Zeichnung, die Schatten und Töne nicht durch Linien, ſondern durch Reihen von Punkten darſtellt, die man mit Punzen oder mit fein gezackten ſtählernen Rädchen auf auf die Platte bringt. Doch wird bei dieſer Manier die Zeichnung direkt auf die Kupferplatte übertragen. Bei der Ätzkunſt beginnt man in gleicher Weiſe, wie bei der Linien- manier, ſticht aber mit der Radiernadel nach den Linien der Zeichnung den Grund nur eben durch, ſo daß das Kupfer zum Vorſchein kommt. Dann wird die Platte mit einem Wachsrand umgeben und mit einer Miſchung (ungefähr im Verhältnis von 1 zu 2) von Salpeterſäure und Waſſer, in dem etwas Kupfer aufgelöſt iſt, übergoſſen. Dieſes Scheidewaſſer frißt das Kupfer an den Stellen, wo es freiliegt, aus und zwar deſto tiefer, je länger es wirken kann. Man läßt es ſo lange ſtehen, daß die Wirkung, die man vorher ausprobiert hat, gerade hinreicht, die ſchwächſten Töne auf der Platte hervorzurufen. Dann werden dieſe Stellen von neuem mit Ätzgrund überzogen, ſodaß beim Wiederaufgießen des Scheidewaſſers dieſes nur auf die Stellen ein- wirken kann, die man noch weiter vertieft wünſcht. In dieſer Weiſe erreicht man die verſchiedenen Grade der Tönung und kann im ein- zelnen eventuell noch nach Beendigung des Ätzens mit Grabſtichel oder Radiernadel kleine Verbeſſerungen anbringen. Es iſt allerdings zu betonen, daß das Ätzen keineswegs eine leichte Arbeit iſt, da es große Schwierigkeiten hat, die Wirkung des Ätzwaſſers vorher genau zu ermitteln. Die ſogenannte Schwarzkunſt iſt in der erſten Hälfte des 17. Jahr- hunderts von dem heſſiſchen Oberſtlieutenant L. v. Siegen erfunden und hat ihren Namen daher, weil man gewiſſermaßen die Zeichnung aus einem ſchwarzen Untergrunde herausarbeitet. Die Platte wird nämlich bei dieſem Verfahren vor oder nach der Übertragung der Zeichnung ganz rauh gemacht, ſodaß ſie zunächſt beim Abdruck ein

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/988>, abgerufen am 25.11.2024.