Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Buchdruckerkunst.
dortigen Gelehrten, mit den litterarischen Schätzen des klassischen Alter-
tums beladen, meist nach Italien geflüchtet und lieferten so der jungen
Kunst sofort ein ungeheures, der Vervielfältigung wertes Material.
Bald begannen auch die großen Geisteskämpfe der Reformation, die
in der Buchdruckerkunst ein mächtiges Hilfsmittel fand, ohne das sie
vielleicht nie, sicherlich nicht so schnell zum Siege gelangt wäre.

Wir können hier nicht die Namen aller derer nennen, die sich um
die weitere Entwickelung der Buchdruckerkunst Verdienste erworben
haben. Ihre Thätigkeit bestand vornehmlich in einer Vervollkommnung
der Stempelschneidekunst, die allerdings allmählich ganz herrliche Re-
sultate gezeitigt hat. Von einschneidender Bedeutung sind nur drei
große Fortschritte auf dem Gebiete der Buchdruckerkunst: die Erfindung
des Stereotypierens, die Erfindung von Maschinen zum Gießen der
Typen und von solchen zum Drucken, während die zum Setzen er-
fundenen aus später zu besprechenden Gründen noch nicht als voll-
kommen bezeichnet werden können. Die Erfindung des Stereotypierens
wurde hervorgerufen durch die Notwendigkeit, bei Büchern, die mehr-
fach zur Auflage kamen, der Kostenersparnis halber den Satz stehen
zu lassen. Dies hatte aber zwei Übelstände. Erstens war es immer
noch sehr kostspielig, das ganze Typenmaterial so lange ungenutzt
stehen zu lassen, und zweitens konnte der Satz im Laufe der Zeit leicht
auseinanderfallen. Im vorigen Jahrhundert machte man viele Ver-
suche, dem abzuhelfen, aber ohne Erfolg, bis im Jahre 1804 Lord
Stanhope die Gipsstereotypie und vollends im Jahre 1829 Genoux
in Lyon die Papierstereotypie erfand, die er zu einem unentbehrlichen
Hülfsmittel der heutigen Buchdruckerkunst gestaltete. Eine Gießmaschine
für die Typenherstellung erfand 1805 Wing und White; dieselbe wurde
1828 von Bruce praktisch umgestaltet und später von Kisch in Berlin
noch wesentlich verbessert. Auf dem Gebiete der Druckerpresse war der
erste wesentliche Fortschritt die Einführung einer eisernen Presse an
Stelle der bis dahin gebrauchten hölzernen durch Stanhope im Jahre
1800, der zweite größere die Erfindung der ersten Dampfdruckpresse
von König im Jahre 1810, aus der sich dann allmählich die gewaltigen
Rotationspressen der neuesten Zeit entwickelten.

Wir wollen nun im folgenden das gesamte Verfahren des Buch-
drucks vom Gießen der Typen bis zum Falzen der fertigen Druckbogen
beschreiben und machen naturgemäß den Anfang mit der Schriftgießerei.

2. Die Schriftgießerei.

(Vergl. auch S. 640 bis 642).

Die Typen selbst, vierseitige rechtwinklige Stäbchen von bestimmter
Höhe, müssen, um mit ihnen drucken zu können, die Buchstaben oder
Zeichen, welche sie darstellen sollen, in erhabener Form und umgekehrter
Schreibweise, bei unserer Schrift also von rechts nach links wieder-
geben. Das Metall, aus dem sie gegossen werden, muß leichte Schmelz-
barkeit mit einer gewissen Härte verbinden, um einerseits einen guten

Die Buchdruckerkunſt.
dortigen Gelehrten, mit den litterariſchen Schätzen des klaſſiſchen Alter-
tums beladen, meiſt nach Italien geflüchtet und lieferten ſo der jungen
Kunſt ſofort ein ungeheures, der Vervielfältigung wertes Material.
Bald begannen auch die großen Geiſteskämpfe der Reformation, die
in der Buchdruckerkunſt ein mächtiges Hilfsmittel fand, ohne das ſie
vielleicht nie, ſicherlich nicht ſo ſchnell zum Siege gelangt wäre.

Wir können hier nicht die Namen aller derer nennen, die ſich um
die weitere Entwickelung der Buchdruckerkunſt Verdienſte erworben
haben. Ihre Thätigkeit beſtand vornehmlich in einer Vervollkommnung
der Stempelſchneidekunſt, die allerdings allmählich ganz herrliche Re-
ſultate gezeitigt hat. Von einſchneidender Bedeutung ſind nur drei
große Fortſchritte auf dem Gebiete der Buchdruckerkunſt: die Erfindung
des Stereotypierens, die Erfindung von Maſchinen zum Gießen der
Typen und von ſolchen zum Drucken, während die zum Setzen er-
fundenen aus ſpäter zu beſprechenden Gründen noch nicht als voll-
kommen bezeichnet werden können. Die Erfindung des Stereotypierens
wurde hervorgerufen durch die Notwendigkeit, bei Büchern, die mehr-
fach zur Auflage kamen, der Koſtenerſparnis halber den Satz ſtehen
zu laſſen. Dies hatte aber zwei Übelſtände. Erſtens war es immer
noch ſehr koſtſpielig, das ganze Typenmaterial ſo lange ungenutzt
ſtehen zu laſſen, und zweitens konnte der Satz im Laufe der Zeit leicht
auseinanderfallen. Im vorigen Jahrhundert machte man viele Ver-
ſuche, dem abzuhelfen, aber ohne Erfolg, bis im Jahre 1804 Lord
Stanhope die Gipsſtereotypie und vollends im Jahre 1829 Genoux
in Lyon die Papierſtereotypie erfand, die er zu einem unentbehrlichen
Hülfsmittel der heutigen Buchdruckerkunſt geſtaltete. Eine Gießmaſchine
für die Typenherſtellung erfand 1805 Wing und White; dieſelbe wurde
1828 von Bruce praktiſch umgeſtaltet und ſpäter von Kiſch in Berlin
noch weſentlich verbeſſert. Auf dem Gebiete der Druckerpreſſe war der
erſte weſentliche Fortſchritt die Einführung einer eiſernen Preſſe an
Stelle der bis dahin gebrauchten hölzernen durch Stanhope im Jahre
1800, der zweite größere die Erfindung der erſten Dampfdruckpreſſe
von König im Jahre 1810, aus der ſich dann allmählich die gewaltigen
Rotationspreſſen der neueſten Zeit entwickelten.

Wir wollen nun im folgenden das geſamte Verfahren des Buch-
drucks vom Gießen der Typen bis zum Falzen der fertigen Druckbogen
beſchreiben und machen naturgemäß den Anfang mit der Schriftgießerei.

2. Die Schriftgießerei.

(Vergl. auch S. 640 bis 642).

Die Typen ſelbſt, vierſeitige rechtwinklige Stäbchen von beſtimmter
Höhe, müſſen, um mit ihnen drucken zu können, die Buchſtaben oder
Zeichen, welche ſie darſtellen ſollen, in erhabener Form und umgekehrter
Schreibweiſe, bei unſerer Schrift alſo von rechts nach links wieder-
geben. Das Metall, aus dem ſie gegoſſen werden, muß leichte Schmelz-
barkeit mit einer gewiſſen Härte verbinden, um einerſeits einen guten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0967" n="949"/><fw place="top" type="header">Die Buchdruckerkun&#x017F;t.</fw><lb/>
dortigen Gelehrten, mit den litterari&#x017F;chen Schätzen des kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Alter-<lb/>
tums beladen, mei&#x017F;t nach Italien geflüchtet und lieferten &#x017F;o der jungen<lb/>
Kun&#x017F;t &#x017F;ofort ein ungeheures, der Vervielfältigung wertes Material.<lb/>
Bald begannen auch die großen Gei&#x017F;teskämpfe der Reformation, die<lb/>
in der Buchdruckerkun&#x017F;t ein mächtiges Hilfsmittel fand, ohne das &#x017F;ie<lb/>
vielleicht nie, &#x017F;icherlich nicht &#x017F;o &#x017F;chnell zum Siege gelangt wäre.</p><lb/>
              <p>Wir können hier nicht die Namen aller derer nennen, die &#x017F;ich um<lb/>
die weitere Entwickelung der Buchdruckerkun&#x017F;t Verdien&#x017F;te erworben<lb/>
haben. Ihre Thätigkeit be&#x017F;tand vornehmlich in einer Vervollkommnung<lb/>
der Stempel&#x017F;chneidekun&#x017F;t, die allerdings allmählich ganz herrliche Re-<lb/>
&#x017F;ultate gezeitigt hat. Von ein&#x017F;chneidender Bedeutung &#x017F;ind nur drei<lb/>
große Fort&#x017F;chritte auf dem Gebiete der Buchdruckerkun&#x017F;t: die Erfindung<lb/>
des Stereotypierens, die Erfindung von Ma&#x017F;chinen zum Gießen der<lb/>
Typen und von &#x017F;olchen zum Drucken, während die zum Setzen er-<lb/>
fundenen aus &#x017F;päter zu be&#x017F;prechenden Gründen noch nicht als voll-<lb/>
kommen bezeichnet werden können. Die Erfindung des Stereotypierens<lb/>
wurde hervorgerufen durch die Notwendigkeit, bei Büchern, die mehr-<lb/>
fach zur Auflage kamen, der Ko&#x017F;tener&#x017F;parnis halber den Satz &#x017F;tehen<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en. Dies hatte aber zwei Übel&#x017F;tände. Er&#x017F;tens war es immer<lb/>
noch &#x017F;ehr ko&#x017F;t&#x017F;pielig, das ganze Typenmaterial &#x017F;o lange ungenutzt<lb/>
&#x017F;tehen zu la&#x017F;&#x017F;en, und zweitens konnte der Satz im Laufe der Zeit leicht<lb/>
auseinanderfallen. Im vorigen Jahrhundert machte man viele Ver-<lb/>
&#x017F;uche, dem abzuhelfen, aber ohne Erfolg, bis im Jahre 1804 Lord<lb/>
Stanhope die Gips&#x017F;tereotypie und vollends im Jahre 1829 Genoux<lb/>
in Lyon die Papier&#x017F;tereotypie erfand, die er zu einem unentbehrlichen<lb/>
Hülfsmittel der heutigen Buchdruckerkun&#x017F;t ge&#x017F;taltete. Eine Gießma&#x017F;chine<lb/>
für die Typenher&#x017F;tellung erfand 1805 Wing und White; die&#x017F;elbe wurde<lb/>
1828 von Bruce prakti&#x017F;ch umge&#x017F;taltet und &#x017F;päter von Ki&#x017F;ch in Berlin<lb/>
noch we&#x017F;entlich verbe&#x017F;&#x017F;ert. Auf dem Gebiete der Druckerpre&#x017F;&#x017F;e war der<lb/>
er&#x017F;te we&#x017F;entliche Fort&#x017F;chritt die Einführung einer ei&#x017F;ernen Pre&#x017F;&#x017F;e an<lb/>
Stelle der bis dahin gebrauchten hölzernen durch Stanhope im Jahre<lb/>
1800, der zweite größere die Erfindung der er&#x017F;ten Dampfdruckpre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
von König im Jahre 1810, aus der &#x017F;ich dann allmählich die gewaltigen<lb/>
Rotationspre&#x017F;&#x017F;en der neue&#x017F;ten Zeit entwickelten.</p><lb/>
              <p>Wir wollen nun im folgenden das ge&#x017F;amte Verfahren des Buch-<lb/>
drucks vom Gießen der Typen bis zum Falzen der fertigen Druckbogen<lb/>
be&#x017F;chreiben und machen naturgemäß den Anfang mit der Schriftgießerei.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">2. Die Schriftgießerei.</hi> </head>
              <p>(Vergl. auch S. 640 bis 642).</p><lb/>
              <p>Die Typen &#x017F;elb&#x017F;t, vier&#x017F;eitige rechtwinklige Stäbchen von be&#x017F;timmter<lb/>
Höhe, mü&#x017F;&#x017F;en, um mit ihnen drucken zu können, die Buch&#x017F;taben oder<lb/>
Zeichen, welche &#x017F;ie dar&#x017F;tellen &#x017F;ollen, in erhabener Form und umgekehrter<lb/>
Schreibwei&#x017F;e, bei un&#x017F;erer Schrift al&#x017F;o von rechts nach links wieder-<lb/>
geben. Das Metall, aus dem &#x017F;ie gego&#x017F;&#x017F;en werden, muß leichte Schmelz-<lb/>
barkeit mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Härte verbinden, um einer&#x017F;eits einen guten<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[949/0967] Die Buchdruckerkunſt. dortigen Gelehrten, mit den litterariſchen Schätzen des klaſſiſchen Alter- tums beladen, meiſt nach Italien geflüchtet und lieferten ſo der jungen Kunſt ſofort ein ungeheures, der Vervielfältigung wertes Material. Bald begannen auch die großen Geiſteskämpfe der Reformation, die in der Buchdruckerkunſt ein mächtiges Hilfsmittel fand, ohne das ſie vielleicht nie, ſicherlich nicht ſo ſchnell zum Siege gelangt wäre. Wir können hier nicht die Namen aller derer nennen, die ſich um die weitere Entwickelung der Buchdruckerkunſt Verdienſte erworben haben. Ihre Thätigkeit beſtand vornehmlich in einer Vervollkommnung der Stempelſchneidekunſt, die allerdings allmählich ganz herrliche Re- ſultate gezeitigt hat. Von einſchneidender Bedeutung ſind nur drei große Fortſchritte auf dem Gebiete der Buchdruckerkunſt: die Erfindung des Stereotypierens, die Erfindung von Maſchinen zum Gießen der Typen und von ſolchen zum Drucken, während die zum Setzen er- fundenen aus ſpäter zu beſprechenden Gründen noch nicht als voll- kommen bezeichnet werden können. Die Erfindung des Stereotypierens wurde hervorgerufen durch die Notwendigkeit, bei Büchern, die mehr- fach zur Auflage kamen, der Koſtenerſparnis halber den Satz ſtehen zu laſſen. Dies hatte aber zwei Übelſtände. Erſtens war es immer noch ſehr koſtſpielig, das ganze Typenmaterial ſo lange ungenutzt ſtehen zu laſſen, und zweitens konnte der Satz im Laufe der Zeit leicht auseinanderfallen. Im vorigen Jahrhundert machte man viele Ver- ſuche, dem abzuhelfen, aber ohne Erfolg, bis im Jahre 1804 Lord Stanhope die Gipsſtereotypie und vollends im Jahre 1829 Genoux in Lyon die Papierſtereotypie erfand, die er zu einem unentbehrlichen Hülfsmittel der heutigen Buchdruckerkunſt geſtaltete. Eine Gießmaſchine für die Typenherſtellung erfand 1805 Wing und White; dieſelbe wurde 1828 von Bruce praktiſch umgeſtaltet und ſpäter von Kiſch in Berlin noch weſentlich verbeſſert. Auf dem Gebiete der Druckerpreſſe war der erſte weſentliche Fortſchritt die Einführung einer eiſernen Preſſe an Stelle der bis dahin gebrauchten hölzernen durch Stanhope im Jahre 1800, der zweite größere die Erfindung der erſten Dampfdruckpreſſe von König im Jahre 1810, aus der ſich dann allmählich die gewaltigen Rotationspreſſen der neueſten Zeit entwickelten. Wir wollen nun im folgenden das geſamte Verfahren des Buch- drucks vom Gießen der Typen bis zum Falzen der fertigen Druckbogen beſchreiben und machen naturgemäß den Anfang mit der Schriftgießerei. 2. Die Schriftgießerei. (Vergl. auch S. 640 bis 642). Die Typen ſelbſt, vierſeitige rechtwinklige Stäbchen von beſtimmter Höhe, müſſen, um mit ihnen drucken zu können, die Buchſtaben oder Zeichen, welche ſie darſtellen ſollen, in erhabener Form und umgekehrter Schreibweiſe, bei unſerer Schrift alſo von rechts nach links wieder- geben. Das Metall, aus dem ſie gegoſſen werden, muß leichte Schmelz- barkeit mit einer gewiſſen Härte verbinden, um einerſeits einen guten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/967
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 949. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/967>, abgerufen am 03.12.2024.