Öffnung Strahlen von einem Gegenstande fallen läßt und dieselben auf einem weißen Schirm auffängt, so erhält man, wie man sich leicht überzeugen kann, ein umgekehrtes Bild der betreffenden Objekte, das um so schärfer begrenzt, aber auch um so lichtschwächer sein wird, je kleiner die Öffnung ist. Dieses Bild kann bedeutend schärfer und lichtstärker gemacht werden, wenn man an die Stelle der Öffnung eine Sammel- linse bringt und den auffangenden Schirm in geeigneter Entfernung aufstellt. So entstand die Camera obscura, in welcher eine Sammellinse die von dem eingestellten Objekt kommenden Strahlen auf einen geneigten Spiegel wirft und nach oben auf eine matte Glas- scheibe reflektiert, auf welcher ein Bild des Gegenstandes er- scheint. Zur Abhaltung fremden Lichtes wird über dieser Glasplatte ein Schirm geneigt aufgestellt. Die Camera obscura, die vordem eigentlich mehr als Spielzeug dem Zeitvertreib diente, heute aber in den photographischen Apparaten eine ungeahnte Vervollkommnung und Verwertung gefunden hat, wurde um das Jahr 1650 von dem Neapo- litaner Porta erfunden, und ist zu einem der nützlichsten und unentbehr- lichsten Hilfsmittel für alle Zweige menschlichen Schaffens geworden.
In Verbindung hiermit behandeln wir einen eigentümlichen Apparat, dessen Wirkungsweise auf ganz anderem, mehr physiolo- gischem Wege zu erklären ist, und in dem die Verwendung von Linsen nur untergeordnete Bedeutung hat. Wenn wir einen Körper mit beiden Augen gleichmäßig betrachten, so müssen die auf den Netzhäuten entstehenden Bilder notwendig von einander verschieden sein, da sie von verschiedenen Standpunkten aus erhalten sind. Ohne daß wir den Vorgang genauer beschreiben könnten, vereinigt unser Vorstellungs- vermögen diese beiden Bilder zu einer einzigen körperlichen Auffassung, worin es durch die verschiedenartige Beleuchtung der einzelnen Teile, durch die Verteilung von Licht und Schatten unterstützt wird. Zwar können wir auch mit einem Auge einen Gegenstand körperlich, d. h. nach allen drei Dimensionen wahrnehmen, aber nur infolge der langen Gewöhnung und mit Hilfe der unserem Denkvermögen eingeprägten Vorstellungen. Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir den Eindruck eines körperlichen Gebildes haben werden, wenn wir den beiden Augen zwei Bilder desselben Gegenstandes so darbieten, wie sich dieselben mit dem einen und dem anderen Auge allein gesehen darstellen würden. Hiervon wird eine interessante Anwendung in dem von Wheatstone 1838 erfundenen Stereoskop gemacht, in welchem durch zwei unter einem Winkel von 90° zusammenstoßende Spiegel von an den Seitenwänden eines Kastens befestigten Bildern Strahlen in beide Augen geworfen werden und den Eindruck des Körperlichen erzeugen. Jetzt ist allgemein wohl nur die von Brewster angegebene Form üblich, der wir in jeder optischen Handlung begegnen. In zwei Öffnungen, die sich im Augenabstande von einander, an der Vorderseite eines Kastens befinden, sind die Hälften einer Sammellinse eingelassen, wodurch bewirkt wird, daß die
Die optiſchen Inſtrumente.
Öffnung Strahlen von einem Gegenſtande fallen läßt und dieſelben auf einem weißen Schirm auffängt, ſo erhält man, wie man ſich leicht überzeugen kann, ein umgekehrtes Bild der betreffenden Objekte, das um ſo ſchärfer begrenzt, aber auch um ſo lichtſchwächer ſein wird, je kleiner die Öffnung iſt. Dieſes Bild kann bedeutend ſchärfer und lichtſtärker gemacht werden, wenn man an die Stelle der Öffnung eine Sammel- linſe bringt und den auffangenden Schirm in geeigneter Entfernung aufſtellt. So entſtand die Camera obscura, in welcher eine Sammellinſe die von dem eingeſtellten Objekt kommenden Strahlen auf einen geneigten Spiegel wirft und nach oben auf eine matte Glas- ſcheibe reflektiert, auf welcher ein Bild des Gegenſtandes er- ſcheint. Zur Abhaltung fremden Lichtes wird über dieſer Glasplatte ein Schirm geneigt aufgeſtellt. Die Camera obscura, die vordem eigentlich mehr als Spielzeug dem Zeitvertreib diente, heute aber in den photographiſchen Apparaten eine ungeahnte Vervollkommnung und Verwertung gefunden hat, wurde um das Jahr 1650 von dem Neapo- litaner Porta erfunden, und iſt zu einem der nützlichſten und unentbehr- lichſten Hilfsmittel für alle Zweige menſchlichen Schaffens geworden.
In Verbindung hiermit behandeln wir einen eigentümlichen Apparat, deſſen Wirkungsweiſe auf ganz anderem, mehr phyſiolo- giſchem Wege zu erklären iſt, und in dem die Verwendung von Linſen nur untergeordnete Bedeutung hat. Wenn wir einen Körper mit beiden Augen gleichmäßig betrachten, ſo müſſen die auf den Netzhäuten entſtehenden Bilder notwendig von einander verſchieden ſein, da ſie von verſchiedenen Standpunkten aus erhalten ſind. Ohne daß wir den Vorgang genauer beſchreiben könnten, vereinigt unſer Vorſtellungs- vermögen dieſe beiden Bilder zu einer einzigen körperlichen Auffaſſung, worin es durch die verſchiedenartige Beleuchtung der einzelnen Teile, durch die Verteilung von Licht und Schatten unterſtützt wird. Zwar können wir auch mit einem Auge einen Gegenſtand körperlich, d. h. nach allen drei Dimenſionen wahrnehmen, aber nur infolge der langen Gewöhnung und mit Hilfe der unſerem Denkvermögen eingeprägten Vorſtellungen. Aus dem Geſagten geht hervor, daß wir den Eindruck eines körperlichen Gebildes haben werden, wenn wir den beiden Augen zwei Bilder desſelben Gegenſtandes ſo darbieten, wie ſich dieſelben mit dem einen und dem anderen Auge allein geſehen darſtellen würden. Hiervon wird eine intereſſante Anwendung in dem von Wheatſtone 1838 erfundenen Stereoſkop gemacht, in welchem durch zwei unter einem Winkel von 90° zuſammenſtoßende Spiegel von an den Seitenwänden eines Kaſtens befeſtigten Bildern Strahlen in beide Augen geworfen werden und den Eindruck des Körperlichen erzeugen. Jetzt iſt allgemein wohl nur die von Brewſter angegebene Form üblich, der wir in jeder optiſchen Handlung begegnen. In zwei Öffnungen, die ſich im Augenabſtande von einander, an der Vorderſeite eines Kaſtens befinden, ſind die Hälften einer Sammellinſe eingelaſſen, wodurch bewirkt wird, daß die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0916"n="898"/><fwplace="top"type="header">Die optiſchen Inſtrumente.</fw><lb/>
Öffnung Strahlen von einem Gegenſtande fallen läßt und dieſelben<lb/>
auf einem weißen Schirm auffängt, ſo erhält man, wie man ſich leicht<lb/>
überzeugen kann, ein umgekehrtes Bild der betreffenden Objekte, das<lb/>
um ſo ſchärfer begrenzt, aber auch um ſo lichtſchwächer ſein wird, je kleiner<lb/>
die Öffnung iſt. Dieſes Bild kann bedeutend ſchärfer und lichtſtärker<lb/>
gemacht werden, wenn man an die Stelle der Öffnung eine Sammel-<lb/>
linſe bringt und den auffangenden Schirm in geeigneter Entfernung<lb/>
aufſtellt. So entſtand die <hirendition="#aq">Camera obscura,</hi> in welcher eine<lb/>
Sammellinſe die von dem eingeſtellten Objekt kommenden Strahlen auf<lb/>
einen geneigten Spiegel wirft und nach oben auf eine matte Glas-<lb/>ſcheibe reflektiert, auf welcher ein Bild des Gegenſtandes er-<lb/>ſcheint. Zur Abhaltung fremden Lichtes wird über dieſer Glasplatte<lb/>
ein Schirm geneigt aufgeſtellt. Die <hirendition="#aq">Camera obscura,</hi> die vordem<lb/>
eigentlich mehr als Spielzeug dem Zeitvertreib diente, heute aber in<lb/>
den photographiſchen Apparaten eine ungeahnte Vervollkommnung und<lb/>
Verwertung gefunden hat, wurde um das Jahr 1650 von dem Neapo-<lb/>
litaner Porta erfunden, und iſt zu einem der nützlichſten und unentbehr-<lb/>
lichſten Hilfsmittel für alle Zweige menſchlichen Schaffens geworden.</p><lb/><p>In Verbindung hiermit behandeln wir einen eigentümlichen<lb/>
Apparat, deſſen Wirkungsweiſe auf ganz anderem, mehr phyſiolo-<lb/>
giſchem Wege zu erklären iſt, und in dem die Verwendung von Linſen<lb/>
nur untergeordnete Bedeutung hat. Wenn wir einen Körper mit<lb/>
beiden Augen gleichmäßig betrachten, ſo müſſen die auf den Netzhäuten<lb/>
entſtehenden Bilder notwendig von einander verſchieden ſein, da<lb/>ſie von verſchiedenen Standpunkten aus erhalten ſind. Ohne daß wir<lb/>
den Vorgang genauer beſchreiben könnten, vereinigt unſer Vorſtellungs-<lb/>
vermögen dieſe beiden Bilder zu einer einzigen körperlichen Auffaſſung,<lb/>
worin es durch die verſchiedenartige Beleuchtung der einzelnen Teile,<lb/>
durch die Verteilung von Licht und Schatten unterſtützt wird. Zwar<lb/>
können wir auch mit einem Auge einen Gegenſtand körperlich, d. h.<lb/>
nach allen drei Dimenſionen wahrnehmen, aber nur infolge der langen<lb/>
Gewöhnung und mit Hilfe der unſerem Denkvermögen eingeprägten<lb/>
Vorſtellungen. Aus dem Geſagten geht hervor, daß wir den Eindruck<lb/>
eines körperlichen Gebildes haben werden, wenn wir den beiden Augen<lb/>
zwei Bilder desſelben Gegenſtandes ſo darbieten, wie ſich dieſelben mit<lb/>
dem einen und dem anderen Auge allein geſehen darſtellen würden.<lb/>
Hiervon wird eine intereſſante Anwendung in dem von Wheatſtone 1838<lb/>
erfundenen Stereoſkop gemacht, in welchem durch zwei unter einem Winkel<lb/>
von 90° zuſammenſtoßende Spiegel von an den Seitenwänden eines<lb/>
Kaſtens befeſtigten Bildern Strahlen in beide Augen geworfen werden<lb/>
und den Eindruck des Körperlichen erzeugen. Jetzt iſt allgemein wohl<lb/>
nur die von Brewſter angegebene Form üblich, der wir in jeder optiſchen<lb/>
Handlung begegnen. In zwei Öffnungen, die ſich im Augenabſtande<lb/>
von einander, an der Vorderſeite eines Kaſtens befinden, ſind die<lb/>
Hälften einer Sammellinſe eingelaſſen, wodurch bewirkt wird, daß die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[898/0916]
Die optiſchen Inſtrumente.
Öffnung Strahlen von einem Gegenſtande fallen läßt und dieſelben
auf einem weißen Schirm auffängt, ſo erhält man, wie man ſich leicht
überzeugen kann, ein umgekehrtes Bild der betreffenden Objekte, das
um ſo ſchärfer begrenzt, aber auch um ſo lichtſchwächer ſein wird, je kleiner
die Öffnung iſt. Dieſes Bild kann bedeutend ſchärfer und lichtſtärker
gemacht werden, wenn man an die Stelle der Öffnung eine Sammel-
linſe bringt und den auffangenden Schirm in geeigneter Entfernung
aufſtellt. So entſtand die Camera obscura, in welcher eine
Sammellinſe die von dem eingeſtellten Objekt kommenden Strahlen auf
einen geneigten Spiegel wirft und nach oben auf eine matte Glas-
ſcheibe reflektiert, auf welcher ein Bild des Gegenſtandes er-
ſcheint. Zur Abhaltung fremden Lichtes wird über dieſer Glasplatte
ein Schirm geneigt aufgeſtellt. Die Camera obscura, die vordem
eigentlich mehr als Spielzeug dem Zeitvertreib diente, heute aber in
den photographiſchen Apparaten eine ungeahnte Vervollkommnung und
Verwertung gefunden hat, wurde um das Jahr 1650 von dem Neapo-
litaner Porta erfunden, und iſt zu einem der nützlichſten und unentbehr-
lichſten Hilfsmittel für alle Zweige menſchlichen Schaffens geworden.
In Verbindung hiermit behandeln wir einen eigentümlichen
Apparat, deſſen Wirkungsweiſe auf ganz anderem, mehr phyſiolo-
giſchem Wege zu erklären iſt, und in dem die Verwendung von Linſen
nur untergeordnete Bedeutung hat. Wenn wir einen Körper mit
beiden Augen gleichmäßig betrachten, ſo müſſen die auf den Netzhäuten
entſtehenden Bilder notwendig von einander verſchieden ſein, da
ſie von verſchiedenen Standpunkten aus erhalten ſind. Ohne daß wir
den Vorgang genauer beſchreiben könnten, vereinigt unſer Vorſtellungs-
vermögen dieſe beiden Bilder zu einer einzigen körperlichen Auffaſſung,
worin es durch die verſchiedenartige Beleuchtung der einzelnen Teile,
durch die Verteilung von Licht und Schatten unterſtützt wird. Zwar
können wir auch mit einem Auge einen Gegenſtand körperlich, d. h.
nach allen drei Dimenſionen wahrnehmen, aber nur infolge der langen
Gewöhnung und mit Hilfe der unſerem Denkvermögen eingeprägten
Vorſtellungen. Aus dem Geſagten geht hervor, daß wir den Eindruck
eines körperlichen Gebildes haben werden, wenn wir den beiden Augen
zwei Bilder desſelben Gegenſtandes ſo darbieten, wie ſich dieſelben mit
dem einen und dem anderen Auge allein geſehen darſtellen würden.
Hiervon wird eine intereſſante Anwendung in dem von Wheatſtone 1838
erfundenen Stereoſkop gemacht, in welchem durch zwei unter einem Winkel
von 90° zuſammenſtoßende Spiegel von an den Seitenwänden eines
Kaſtens befeſtigten Bildern Strahlen in beide Augen geworfen werden
und den Eindruck des Körperlichen erzeugen. Jetzt iſt allgemein wohl
nur die von Brewſter angegebene Form üblich, der wir in jeder optiſchen
Handlung begegnen. In zwei Öffnungen, die ſich im Augenabſtande
von einander, an der Vorderſeite eines Kaſtens befinden, ſind die
Hälften einer Sammellinſe eingelaſſen, wodurch bewirkt wird, daß die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 898. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/916>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.