hervorragen, so wird damit der Gebrauch des Steingutes wesentlich zunehmen. Es war in Deutschland bisher weniger gebraucht, in Eng- land waren Tafelgeschirre aus feinem Steingute -- Wedgwood ge- nannt -- dagegen längst verbreitet. Man vermag dasselbe in der mannigfachsten Weise zu färben und zu ornamentieren. Wenn es rein weiß ist, so mag es manchmal schwer halten, es von dem echten Por- zellan zu unterscheiden, dann braucht man aber nur auf die Kanten zu achten, die wegen der schwachen Versinterung hier niemals durch- scheinend sind. In der Kunstindustrie spielt es eine sehr unbedeutende Rolle. Hier erfreuen sich andere Thonwaren mit porösen, klebenden Scherben einer wohlverdienten Berühmtheit. Es sind die Fayencen und Majoliken.
Fayence nannten die Franzosen ein Produkt, das sie zuerst am Ausgange des Mittelalters aus der Stadt Faenza in Italien kennen lernten. Der Name Majolika kommt von der Baleareninsel Majorka, wo in eben jener Periode ein reicher Markt an diesen Thonwaren ge- halten worden zu sein scheint. Der Anteil dieser Waren an der Kunst- industrie war und ist bis heute noch so bedeutend, wie selbst der des Porzellans, wiewohl beide Stoffe von einander total verschieden sind, der letzgenannte durchscheinend, dicht und klingend ist und eine harte, nie Risse bekommende Glasur besitzt, die Fayence dagegen von allen diesen Eigenschaften das Gegenteil besitzt, und, schon weil die Glasur zum Rissigwerden neigt, zu Geschirren viel weniger brauchbar sich erweist. Man unterscheidet eine feinere Ware, welche einen weißen Scherben und eine weiße, durchsichtige Glasur besitzt, und eine ge- meinere Sorte mit gelbem oder rotem Scherben, deren Glasur undurch- sichtig -- eine Emaille -- ist.
Die Herstellung dieser Waren geschieht aus geringeren Thonsorten, als die des Porzellans, welche für feinere Produkte mit Sand und Feldspat, für minderwertige mit gewöhnlichem Töpferthon verknetet werden. Dem Formen fügt sich die Masse leichter als die Porzellan- masse. Der Brand ist auch hier ein doppelter, aber, wie beim Stein- gut, ist der erste der stärkere, während der folgende zum Auftragen der Glasur dient, die einen viel niedrigeren Schmelzpunkt hat, also ohne bedeutende Erhitzung sich bilden läßt, dafür aber auch beim Gebrauche leicht von dem Scherben abspringt. Will man die Glasur aufbrennen, so kann man hier mehrere Geschirre zusammenbringen, während die Porzellanstücke in den Kapseln einzeln zu brennen sind, weil ihr zweiter Brand zu hohes Feuer verlangt, und man das Zu- sammenschmelzen der Gegenstände befürchten müßte. Die einzelnen Fayencestücke brauchen dagegen nur durch feinspitzige Pinnen von Thon getrennt zu sein. Man kann daher einen Porzellan- von einem Fayenceteller leicht unterscheiden, da der untere Rand des ersteren unglasiert, der des letzteren bis auf drei Stellen, wo die Pinnen saßen, glasiert erscheint. Oft wird die Fayence rot in den Ofen gebracht und
Das Buch der Erfindungen. 56
Die poröſen Thonwaren.
hervorragen, ſo wird damit der Gebrauch des Steingutes weſentlich zunehmen. Es war in Deutſchland bisher weniger gebraucht, in Eng- land waren Tafelgeſchirre aus feinem Steingute — Wedgwood ge- nannt — dagegen längſt verbreitet. Man vermag dasſelbe in der mannigfachſten Weiſe zu färben und zu ornamentieren. Wenn es rein weiß iſt, ſo mag es manchmal ſchwer halten, es von dem echten Por- zellan zu unterſcheiden, dann braucht man aber nur auf die Kanten zu achten, die wegen der ſchwachen Verſinterung hier niemals durch- ſcheinend ſind. In der Kunſtinduſtrie ſpielt es eine ſehr unbedeutende Rolle. Hier erfreuen ſich andere Thonwaren mit poröſen, klebenden Scherben einer wohlverdienten Berühmtheit. Es ſind die Fayencen und Majoliken.
Fayence nannten die Franzoſen ein Produkt, das ſie zuerſt am Ausgange des Mittelalters aus der Stadt Faënza in Italien kennen lernten. Der Name Majolika kommt von der Baleareninſel Majorka, wo in eben jener Periode ein reicher Markt an dieſen Thonwaren ge- halten worden zu ſein ſcheint. Der Anteil dieſer Waren an der Kunſt- induſtrie war und iſt bis heute noch ſo bedeutend, wie ſelbſt der des Porzellans, wiewohl beide Stoffe von einander total verſchieden ſind, der letzgenannte durchſcheinend, dicht und klingend iſt und eine harte, nie Riſſe bekommende Glaſur beſitzt, die Fayence dagegen von allen dieſen Eigenſchaften das Gegenteil beſitzt, und, ſchon weil die Glaſur zum Riſſigwerden neigt, zu Geſchirren viel weniger brauchbar ſich erweiſt. Man unterſcheidet eine feinere Ware, welche einen weißen Scherben und eine weiße, durchſichtige Glaſur beſitzt, und eine ge- meinere Sorte mit gelbem oder rotem Scherben, deren Glaſur undurch- ſichtig — eine Emaille — iſt.
Die Herſtellung dieſer Waren geſchieht aus geringeren Thonſorten, als die des Porzellans, welche für feinere Produkte mit Sand und Feldſpat, für minderwertige mit gewöhnlichem Töpferthon verknetet werden. Dem Formen fügt ſich die Maſſe leichter als die Porzellan- maſſe. Der Brand iſt auch hier ein doppelter, aber, wie beim Stein- gut, iſt der erſte der ſtärkere, während der folgende zum Auftragen der Glaſur dient, die einen viel niedrigeren Schmelzpunkt hat, alſo ohne bedeutende Erhitzung ſich bilden läßt, dafür aber auch beim Gebrauche leicht von dem Scherben abſpringt. Will man die Glaſur aufbrennen, ſo kann man hier mehrere Geſchirre zuſammenbringen, während die Porzellanſtücke in den Kapſeln einzeln zu brennen ſind, weil ihr zweiter Brand zu hohes Feuer verlangt, und man das Zu- ſammenſchmelzen der Gegenſtände befürchten müßte. Die einzelnen Fayenceſtücke brauchen dagegen nur durch feinſpitzige Pinnen von Thon getrennt zu ſein. Man kann daher einen Porzellan- von einem Fayenceteller leicht unterſcheiden, da der untere Rand des erſteren unglaſiert, der des letzteren bis auf drei Stellen, wo die Pinnen ſaßen, glaſiert erſcheint. Oft wird die Fayence rot in den Ofen gebracht und
Das Buch der Erfindungen. 56
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Die poröſen Thonwaren.
hervorragen, ſo wird damit der Gebrauch des Steingutes weſentlich
zunehmen. Es war in Deutſchland bisher weniger gebraucht, in Eng-
land waren Tafelgeſchirre aus feinem Steingute — Wedgwood ge-
nannt — dagegen längſt verbreitet. Man vermag dasſelbe in der
mannigfachſten Weiſe zu färben und zu ornamentieren. Wenn es rein
weiß iſt, ſo mag es manchmal ſchwer halten, es von dem echten Por-
zellan zu unterſcheiden, dann braucht man aber nur auf die Kanten zu
achten, die wegen der ſchwachen Verſinterung hier niemals durch-
ſcheinend ſind. In der Kunſtinduſtrie ſpielt es eine ſehr unbedeutende
Rolle. Hier erfreuen ſich andere Thonwaren mit poröſen, klebenden
Scherben einer wohlverdienten Berühmtheit. Es ſind die Fayencen
und Majoliken.
Fayence nannten die Franzoſen ein Produkt, das ſie zuerſt am
Ausgange des Mittelalters aus der Stadt Faënza in Italien kennen
lernten. Der Name Majolika kommt von der Baleareninſel Majorka,
wo in eben jener Periode ein reicher Markt an dieſen Thonwaren ge-
halten worden zu ſein ſcheint. Der Anteil dieſer Waren an der Kunſt-
induſtrie war und iſt bis heute noch ſo bedeutend, wie ſelbſt der
des Porzellans, wiewohl beide Stoffe von einander total verſchieden
ſind, der letzgenannte durchſcheinend, dicht und klingend iſt und eine
harte, nie Riſſe bekommende Glaſur beſitzt, die Fayence dagegen von
allen dieſen Eigenſchaften das Gegenteil beſitzt, und, ſchon weil die
Glaſur zum Riſſigwerden neigt, zu Geſchirren viel weniger brauchbar
ſich erweiſt. Man unterſcheidet eine feinere Ware, welche einen weißen
Scherben und eine weiße, durchſichtige Glaſur beſitzt, und eine ge-
meinere Sorte mit gelbem oder rotem Scherben, deren Glaſur undurch-
ſichtig — eine Emaille — iſt.
Die Herſtellung dieſer Waren geſchieht aus geringeren Thonſorten,
als die des Porzellans, welche für feinere Produkte mit Sand und
Feldſpat, für minderwertige mit gewöhnlichem Töpferthon verknetet
werden. Dem Formen fügt ſich die Maſſe leichter als die Porzellan-
maſſe. Der Brand iſt auch hier ein doppelter, aber, wie beim Stein-
gut, iſt der erſte der ſtärkere, während der folgende zum Auftragen der
Glaſur dient, die einen viel niedrigeren Schmelzpunkt hat, alſo ohne
bedeutende Erhitzung ſich bilden läßt, dafür aber auch beim Gebrauche
leicht von dem Scherben abſpringt. Will man die Glaſur aufbrennen,
ſo kann man hier mehrere Geſchirre zuſammenbringen, während
die Porzellanſtücke in den Kapſeln einzeln zu brennen ſind, weil
ihr zweiter Brand zu hohes Feuer verlangt, und man das Zu-
ſammenſchmelzen der Gegenſtände befürchten müßte. Die einzelnen
Fayenceſtücke brauchen dagegen nur durch feinſpitzige Pinnen von
Thon getrennt zu ſein. Man kann daher einen Porzellan- von einem
Fayenceteller leicht unterſcheiden, da der untere Rand des erſteren
unglaſiert, der des letzteren bis auf drei Stellen, wo die Pinnen ſaßen,
glaſiert erſcheint. Oft wird die Fayence rot in den Ofen gebracht und
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/899>, abgerufen am 24.11.2024.
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