Frisglas erhält man, wenn man die geformten, noch glühenden Stücke Dämpfen von Zinnsalz aussetzt. Die letzteren greifen die Ober- fläche an und erzeugen ein sehr feines Häutchen, welches Interferenz- farben zeigt.
Eisglas erhält man aus gewöhnlichem Glasfluß, indem man das Stück beim Blasen noch glühend in kaltes Wasser taucht, es dann von neuem erwärmt, bis die zersprungenen Stücke sich wieder verbunden haben und es fertig bläst. Sehr gutes Kühlen ist bei den sehr ge- schätzten Eisglaswaren Hauptbedingung, besonders dann, wenn man, um ihm recht viele Sprünge zu verleihen, das Eintauchverfahren wieder- holt angewendet hat.
Glasperlen bilden einen wichtigen Artikel des Handels. Die Perlenindustrie stammt von den venetianischen Hütten auf Murano, wo man Perlen aus Glasröhren zuerst herstellte. Die Arbeiter ziehen in der oben geschilderten Art Röhren aus allen möglichen gefärbten Gläsern; diese werden mittels eines Messers in Stücke von gleicher Länge und Breite zerteilt. Um die gewonnenen Perlen abzustumpfen, mengt man sie mit gepulvertem Thon und Kohle und erhitzt das ganze in einem eisernen rotierenden Cylinder bis zum Glühen. Nach dem Erkalten erfolgt das Sieben, Sortieren und Aufreihen auf Fäden. Anders als diese massiven oder venetianischen Perlen werden die als Imitation der echten Perlen dienenden französischen Perlen hergestellt. Nach einem von Jaquin 1656 erfundenen Verfahren bläst man hohle Glasperlen und füllt sie mit einer aus den Schuppen der Weißfische (Üklei) bereiteten Tinktur, welche der Wand der Kugel den matten Glanz der echten Perlen mitteilt. Früher gewann man die Tinktur durch Ausziehen und Schütteln der Schuppen mit Wasser, heute wendet man statt dessen besser Salmiakgeist mit etwas Fischleim an. Übrigens werden die künstlichen hohlen Perlen auch mit Wachs ausgegossen oder erhalten als Füllung irgend eine sehr leichtflüssige Metalllegierung.
Daß man Glas zu außerordentlich feinen Fäden ausziehen kann, ist bekannt. Diese Fäden, deren Durchmesser oft nur 0,01 mm beträgt, sind höchst elastisch. Da sie zudem allen chemischen Einflüssen trotzen, so hat man den Versuch gemacht, sie zu verspinnen. Das erhaltene Gewebe zeigt einen außerordentlich schönen Glanz, ist aber für die Verwendung im allgemeinen ungeeignet, weil die Fäden nie ganz gleich ausfallen und doch hier und da brechen. Nur einzelne Schmuckgegen- stände stellt man daher aus Glasfäden her. Die sogenannte Glaswolle dient in der Chemie zu verschiedenen Zwecken.
Die Glasmalerei, der am meisten an die bildende Kunst sich anlehnende Zweig der Glastechnik, ist schon in alten Zeiten betrieben und in gewisser Hinsicht zu hoher Vollendung gebracht worden. Die Erzeugnisse dieser Kunst, die Glasmosaiken, findet man besonders in den ältesten Kirchenbauten des Mittelalters. Die einzelnen Partieen des Bildes wurden aus Scheiben von der entsprechenden Farbe aus-
Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
Frisglas erhält man, wenn man die geformten, noch glühenden Stücke Dämpfen von Zinnſalz ausſetzt. Die letzteren greifen die Ober- fläche an und erzeugen ein ſehr feines Häutchen, welches Interferenz- farben zeigt.
Eisglas erhält man aus gewöhnlichem Glasfluß, indem man das Stück beim Blaſen noch glühend in kaltes Waſſer taucht, es dann von neuem erwärmt, bis die zerſprungenen Stücke ſich wieder verbunden haben und es fertig bläſt. Sehr gutes Kühlen iſt bei den ſehr ge- ſchätzten Eisglaswaren Hauptbedingung, beſonders dann, wenn man, um ihm recht viele Sprünge zu verleihen, das Eintauchverfahren wieder- holt angewendet hat.
Glasperlen bilden einen wichtigen Artikel des Handels. Die Perleninduſtrie ſtammt von den venetianiſchen Hütten auf Murano, wo man Perlen aus Glasröhren zuerſt herſtellte. Die Arbeiter ziehen in der oben geſchilderten Art Röhren aus allen möglichen gefärbten Gläſern; dieſe werden mittels eines Meſſers in Stücke von gleicher Länge und Breite zerteilt. Um die gewonnenen Perlen abzuſtumpfen, mengt man ſie mit gepulvertem Thon und Kohle und erhitzt das ganze in einem eiſernen rotierenden Cylinder bis zum Glühen. Nach dem Erkalten erfolgt das Sieben, Sortieren und Aufreihen auf Fäden. Anders als dieſe maſſiven oder venetianiſchen Perlen werden die als Imitation der echten Perlen dienenden franzöſiſchen Perlen hergeſtellt. Nach einem von Jaquin 1656 erfundenen Verfahren bläſt man hohle Glasperlen und füllt ſie mit einer aus den Schuppen der Weißfiſche (Üklei) bereiteten Tinktur, welche der Wand der Kugel den matten Glanz der echten Perlen mitteilt. Früher gewann man die Tinktur durch Ausziehen und Schütteln der Schuppen mit Waſſer, heute wendet man ſtatt deſſen beſſer Salmiakgeiſt mit etwas Fiſchleim an. Übrigens werden die künſtlichen hohlen Perlen auch mit Wachs ausgegoſſen oder erhalten als Füllung irgend eine ſehr leichtflüſſige Metalllegierung.
Daß man Glas zu außerordentlich feinen Fäden ausziehen kann, iſt bekannt. Dieſe Fäden, deren Durchmeſſer oft nur 0,01 mm beträgt, ſind höchſt elaſtiſch. Da ſie zudem allen chemiſchen Einflüſſen trotzen, ſo hat man den Verſuch gemacht, ſie zu verſpinnen. Das erhaltene Gewebe zeigt einen außerordentlich ſchönen Glanz, iſt aber für die Verwendung im allgemeinen ungeeignet, weil die Fäden nie ganz gleich ausfallen und doch hier und da brechen. Nur einzelne Schmuckgegen- ſtände ſtellt man daher aus Glasfäden her. Die ſogenannte Glaswolle dient in der Chemie zu verſchiedenen Zwecken.
Die Glasmalerei, der am meiſten an die bildende Kunſt ſich anlehnende Zweig der Glastechnik, iſt ſchon in alten Zeiten betrieben und in gewiſſer Hinſicht zu hoher Vollendung gebracht worden. Die Erzeugniſſe dieſer Kunſt, die Glasmoſaiken, findet man beſonders in den älteſten Kirchenbauten des Mittelalters. Die einzelnen Partieen des Bildes wurden aus Scheiben von der entſprechenden Farbe aus-
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Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
Frisglas erhält man, wenn man die geformten, noch glühenden
Stücke Dämpfen von Zinnſalz ausſetzt. Die letzteren greifen die Ober-
fläche an und erzeugen ein ſehr feines Häutchen, welches Interferenz-
farben zeigt.
Eisglas erhält man aus gewöhnlichem Glasfluß, indem man das
Stück beim Blaſen noch glühend in kaltes Waſſer taucht, es dann von
neuem erwärmt, bis die zerſprungenen Stücke ſich wieder verbunden
haben und es fertig bläſt. Sehr gutes Kühlen iſt bei den ſehr ge-
ſchätzten Eisglaswaren Hauptbedingung, beſonders dann, wenn man,
um ihm recht viele Sprünge zu verleihen, das Eintauchverfahren wieder-
holt angewendet hat.
Glasperlen bilden einen wichtigen Artikel des Handels. Die
Perleninduſtrie ſtammt von den venetianiſchen Hütten auf Murano,
wo man Perlen aus Glasröhren zuerſt herſtellte. Die Arbeiter ziehen
in der oben geſchilderten Art Röhren aus allen möglichen gefärbten
Gläſern; dieſe werden mittels eines Meſſers in Stücke von gleicher
Länge und Breite zerteilt. Um die gewonnenen Perlen abzuſtumpfen,
mengt man ſie mit gepulvertem Thon und Kohle und erhitzt das
ganze in einem eiſernen rotierenden Cylinder bis zum Glühen. Nach
dem Erkalten erfolgt das Sieben, Sortieren und Aufreihen auf Fäden.
Anders als dieſe maſſiven oder venetianiſchen Perlen werden die als
Imitation der echten Perlen dienenden franzöſiſchen Perlen hergeſtellt.
Nach einem von Jaquin 1656 erfundenen Verfahren bläſt man hohle
Glasperlen und füllt ſie mit einer aus den Schuppen der Weißfiſche
(Üklei) bereiteten Tinktur, welche der Wand der Kugel den matten
Glanz der echten Perlen mitteilt. Früher gewann man die Tinktur
durch Ausziehen und Schütteln der Schuppen mit Waſſer, heute wendet
man ſtatt deſſen beſſer Salmiakgeiſt mit etwas Fiſchleim an. Übrigens
werden die künſtlichen hohlen Perlen auch mit Wachs ausgegoſſen oder
erhalten als Füllung irgend eine ſehr leichtflüſſige Metalllegierung.
Daß man Glas zu außerordentlich feinen Fäden ausziehen kann,
iſt bekannt. Dieſe Fäden, deren Durchmeſſer oft nur 0,01 mm beträgt,
ſind höchſt elaſtiſch. Da ſie zudem allen chemiſchen Einflüſſen trotzen,
ſo hat man den Verſuch gemacht, ſie zu verſpinnen. Das erhaltene
Gewebe zeigt einen außerordentlich ſchönen Glanz, iſt aber für die
Verwendung im allgemeinen ungeeignet, weil die Fäden nie ganz gleich
ausfallen und doch hier und da brechen. Nur einzelne Schmuckgegen-
ſtände ſtellt man daher aus Glasfäden her. Die ſogenannte Glaswolle
dient in der Chemie zu verſchiedenen Zwecken.
Die Glasmalerei, der am meiſten an die bildende Kunſt ſich
anlehnende Zweig der Glastechnik, iſt ſchon in alten Zeiten betrieben
und in gewiſſer Hinſicht zu hoher Vollendung gebracht worden. Die
Erzeugniſſe dieſer Kunſt, die Glasmoſaiken, findet man beſonders in
den älteſten Kirchenbauten des Mittelalters. Die einzelnen Partieen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 870. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/888>, abgerufen am 24.11.2024.
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