welcher 1824 als erstes Mitglied einer Kommission der Royal Society of arts in London die Frage genau untersuchte, schlug vor, ein Flint- glas aus Borsäure, Kieselsäure und Bleioxyd in Platingefäßen zu schmelzen. Seine Methode hat wegen der Kosten und des zu hohen Bleigehaltes des Glases keine praktische Verwendung gefunden. Bereits einige Zeit vorher hatte Fraunhofer in München schlierenfreie Flintlinsen hergestellt, aber sein Geheimnis bewahrt. Sein Mitarbeiter Guinand gründete bei Paris eine Werkstatt, welche später an dessen Sohn über- ging und von diesem an Bontemps verkauft wurde. Dem letzteren, welcher schon 1828 tadellose, wenn auch noch kleine Blasen zeigende Linsen bis zu 13 Zoll Durchmesser herstellte, verdanken wir die wichtigste Neuerung in der Flintglasfabrikation, die Einführung eines Rührers aus Hafenmasse, dessen Erfindung übrigens wahrscheinlich von dem älteren Guinand herrührt. Das Guinandsche Verfahren, welches sich im wesentlichen bis heute erhalten hat, wendet als Glassatz eine Mischung von reinstem Sand, ebenso viel Mennige und etwa dem dritten Teil kalcinierter Soda an. An Stelle der letzteren haben spätere Fabrikanten häufig Pottasche gesetzt.
Das Schmelzen erfolgt in einem Ofen mit Steinkohlenfeuerung (Fig. 472), in welchem nur ein einziger, mittels einer Haube ver- schlossener Hafen steht. Die seitliche Öffnung der Haube paßt in das Arbeitsloch, so daß das Glas durch den Rauch gar nicht berührt werden kann, von außen aber leicht zugänglich ist. Der Satz wird allmählich eingetragen. Nach etwa 12 bis 16 Stunden ist völliger Fluß eingetreten. Dann wartet man, bis die Feuerung keinen Rauch mehr giebt, nimmt die Haube ab, setzt den vorher bis zur Weiß- glut erhitzten Rührer ein und verschließt den Hafen wieder. Mittels eines in den hohlen Rührer eingesetzten eisernen Hakens rührt man nun um, wobei eine vor der Arbeits- öffnung aufgestellte Rolle die Arbeit wesentlich erleichtert. Der Rührer bleibt nun schwimmend in dem Fluß,
[Abbildung]
Fig. 472.
Flintglasofen.
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Das Flintglas.
welcher 1824 als erſtes Mitglied einer Kommiſſion der Royal Society of arts in London die Frage genau unterſuchte, ſchlug vor, ein Flint- glas aus Borſäure, Kieſelſäure und Bleioxyd in Platingefäßen zu ſchmelzen. Seine Methode hat wegen der Koſten und des zu hohen Bleigehaltes des Glaſes keine praktiſche Verwendung gefunden. Bereits einige Zeit vorher hatte Fraunhofer in München ſchlierenfreie Flintlinſen hergeſtellt, aber ſein Geheimnis bewahrt. Sein Mitarbeiter Guinand gründete bei Paris eine Werkſtatt, welche ſpäter an deſſen Sohn über- ging und von dieſem an Bontemps verkauft wurde. Dem letzteren, welcher ſchon 1828 tadelloſe, wenn auch noch kleine Blaſen zeigende Linſen bis zu 13 Zoll Durchmeſſer herſtellte, verdanken wir die wichtigſte Neuerung in der Flintglasfabrikation, die Einführung eines Rührers aus Hafenmaſſe, deſſen Erfindung übrigens wahrſcheinlich von dem älteren Guinand herrührt. Das Guinandſche Verfahren, welches ſich im weſentlichen bis heute erhalten hat, wendet als Glasſatz eine Miſchung von reinſtem Sand, ebenſo viel Mennige und etwa dem dritten Teil kalcinierter Soda an. An Stelle der letzteren haben ſpätere Fabrikanten häufig Pottaſche geſetzt.
Das Schmelzen erfolgt in einem Ofen mit Steinkohlenfeuerung (Fig. 472), in welchem nur ein einziger, mittels einer Haube ver- ſchloſſener Hafen ſteht. Die ſeitliche Öffnung der Haube paßt in das Arbeitsloch, ſo daß das Glas durch den Rauch gar nicht berührt werden kann, von außen aber leicht zugänglich iſt. Der Satz wird allmählich eingetragen. Nach etwa 12 bis 16 Stunden iſt völliger Fluß eingetreten. Dann wartet man, bis die Feuerung keinen Rauch mehr giebt, nimmt die Haube ab, ſetzt den vorher bis zur Weiß- glut erhitzten Rührer ein und verſchließt den Hafen wieder. Mittels eines in den hohlen Rührer eingeſetzten eiſernen Hakens rührt man nun um, wobei eine vor der Arbeits- öffnung aufgeſtellte Rolle die Arbeit weſentlich erleichtert. Der Rührer bleibt nun ſchwimmend in dem Fluß,
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Fig. 472.
Flintglasofen.
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Das Flintglas.
welcher 1824 als erſtes Mitglied einer Kommiſſion der Royal Society
of arts in London die Frage genau unterſuchte, ſchlug vor, ein Flint-
glas aus Borſäure, Kieſelſäure und Bleioxyd in Platingefäßen zu
ſchmelzen. Seine Methode hat wegen der Koſten und des zu hohen
Bleigehaltes des Glaſes keine praktiſche Verwendung gefunden. Bereits
einige Zeit vorher hatte Fraunhofer in München ſchlierenfreie Flintlinſen
hergeſtellt, aber ſein Geheimnis bewahrt. Sein Mitarbeiter Guinand
gründete bei Paris eine Werkſtatt, welche ſpäter an deſſen Sohn über-
ging und von dieſem an Bontemps verkauft wurde. Dem letzteren,
welcher ſchon 1828 tadelloſe, wenn auch noch kleine Blaſen zeigende
Linſen bis zu 13 Zoll Durchmeſſer herſtellte, verdanken wir die wichtigſte
Neuerung in der Flintglasfabrikation, die Einführung eines Rührers
aus Hafenmaſſe, deſſen Erfindung übrigens wahrſcheinlich von dem
älteren Guinand herrührt. Das Guinandſche Verfahren, welches ſich
im weſentlichen bis heute erhalten hat, wendet als Glasſatz eine
Miſchung von reinſtem Sand, ebenſo viel Mennige und etwa dem
dritten Teil kalcinierter Soda an. An Stelle der letzteren haben ſpätere
Fabrikanten häufig Pottaſche geſetzt.
Das Schmelzen erfolgt in einem Ofen mit Steinkohlenfeuerung
(Fig. 472), in welchem nur ein einziger, mittels einer Haube ver-
ſchloſſener Hafen ſteht. Die
ſeitliche Öffnung der Haube
paßt in das Arbeitsloch, ſo
daß das Glas durch den
Rauch gar nicht berührt
werden kann, von außen
aber leicht zugänglich iſt.
Der Satz wird allmählich
eingetragen. Nach etwa 12
bis 16 Stunden iſt völliger
Fluß eingetreten. Dann
wartet man, bis die Feuerung
keinen Rauch mehr giebt,
nimmt die Haube ab, ſetzt
den vorher bis zur Weiß-
glut erhitzten Rührer ein und
verſchließt den Hafen wieder.
Mittels eines in den hohlen
Rührer eingeſetzten eiſernen
Hakens rührt man nun um,
wobei eine vor der Arbeits-
öffnung aufgeſtellte Rolle die
Arbeit weſentlich erleichtert.
Der Rührer bleibt nun
ſchwimmend in dem Fluß,
[Abbildung Fig. 472. Flintglasofen.]
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 867. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/885>, abgerufen am 26.11.2024.
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