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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Krystallglas.
meist wendet man das Blasen oder auch den Guß in Formen an.
Die Formen, von denen Fig. 471 ein Beispiel darstellt, sind sehr sorg-
fältig aus Metall gearbeitet. Sie bestehen aus einzelnen Teilen, welche
sich auf- und zuklappen lassen. In die geöffnete Form führt der
Bläser den an der Pfeife hängenden hohlen Glasballen ein; ein Ge-
hülfe schließt die Form, worauf
der Bläser durch kräftiges Einblasen
das Glas in alle inneren Teile
der Form hineinpreßt. Das über-
flüssige tritt als Wulst oben aus
der Form. Nachdem das ge-
blasene Glasstück erstarrt ist, wird
die Form geöffnet und das Stück
[Abbildung] Fig. 471.

Klappform.

von der Pfeife abgesprengt. Ganz massive Geräte, z. B. Teller, Salz-
fässer und dergleichen, werden durch Eingießen des flüssigen Glases in
eine aus zwei Hälften bestehende Form hergestellt; dann werden die
beiden Hälften scharf auf einander gepreßt, so daß das überschüssige aus
den Fugen hervordringt.

Geblasene und gepreßte Krystallglaswaren zeigen nur eine unvoll-
kommene Gravierung und keinen besonders hohen Glanz. Der Grund
hierfür ist der Umstand, daß das Glas erstarrt, ehe es sich völlig an
alle Feinheiten der Form anlegen kann; die Flächen werden nicht völlig
eben und die Kanten sind unregelmäßig gekrümmt. Bei dem Krystall-
glas ist dieser Umstand wegen seiner Leichtflüssigkeit noch nicht einmal
von so starkem Einfluß; viel mehr zeigt er sich bei dem früher erwähnten
viel strengflüssigeren Crownglas und dem böhmischen Glase, welche
beide gerade ebenso verarbeitet werden, wie das Krystallglas. Aus
diesem Grunde müssen die feinen Glasstücke, welche aus den Formen
kommen, nach dem Kühlen geschliffen werden, um ihnen höheren Wert
zu verleihen.

Das Schleifen erfolgt heute mittels Scheiben von Metall oder
von Sandstein, welche in einer massiv gebauten Drehbank, der Schleif-
bank, sehr rasch umlaufen. Am Rande werden sie mit einem Brei
aus Wasser und Sand für das Rauhschleifen, von Öl und Smirgel
für das Feinschleifen betupft. Zum Polieren wendet man ähnlich ge-
formte Scheiben von weichem Metall oder Kork an, welche mit Bims-
stein oder Polierrot arbeiten. Es ist natürlich, daß dem Schleifer eine
sehr große Auswahl der verschiedenst geformten großen und kleinen,
dünnen und starken, glatten und gerippten Schleifscheiben zur Verfügung
stehen muß, damit er alle Feinheiten des Schleifstückes genügend heraus-
arbeiten kann. Auch das Bohren von Löchern und das Zersägen wird
auf der Schleifbank ausgeführt. --

Ein höchst eigenartiges, von Tilghman erfundenes und der neuesten
Zeit angehörendes Schleifverfahren, welches besonders für Scheiben
angewendet wird, ist das Sandblasverfahren. Bei demselben schleudert

Das Buch der Erfindungen. 55

Das Kryſtallglas.
meiſt wendet man das Blaſen oder auch den Guß in Formen an.
Die Formen, von denen Fig. 471 ein Beiſpiel darſtellt, ſind ſehr ſorg-
fältig aus Metall gearbeitet. Sie beſtehen aus einzelnen Teilen, welche
ſich auf- und zuklappen laſſen. In die geöffnete Form führt der
Bläſer den an der Pfeife hängenden hohlen Glasballen ein; ein Ge-
hülfe ſchließt die Form, worauf
der Bläſer durch kräftiges Einblaſen
das Glas in alle inneren Teile
der Form hineinpreßt. Das über-
flüſſige tritt als Wulſt oben aus
der Form. Nachdem das ge-
blaſene Glasſtück erſtarrt iſt, wird
die Form geöffnet und das Stück
[Abbildung] Fig. 471.

Klappform.

von der Pfeife abgeſprengt. Ganz maſſive Geräte, z. B. Teller, Salz-
fäſſer und dergleichen, werden durch Eingießen des flüſſigen Glaſes in
eine aus zwei Hälften beſtehende Form hergeſtellt; dann werden die
beiden Hälften ſcharf auf einander gepreßt, ſo daß das überſchüſſige aus
den Fugen hervordringt.

Geblaſene und gepreßte Kryſtallglaswaren zeigen nur eine unvoll-
kommene Gravierung und keinen beſonders hohen Glanz. Der Grund
hierfür iſt der Umſtand, daß das Glas erſtarrt, ehe es ſich völlig an
alle Feinheiten der Form anlegen kann; die Flächen werden nicht völlig
eben und die Kanten ſind unregelmäßig gekrümmt. Bei dem Kryſtall-
glas iſt dieſer Umſtand wegen ſeiner Leichtflüſſigkeit noch nicht einmal
von ſo ſtarkem Einfluß; viel mehr zeigt er ſich bei dem früher erwähnten
viel ſtrengflüſſigeren Crownglas und dem böhmiſchen Glaſe, welche
beide gerade ebenſo verarbeitet werden, wie das Kryſtallglas. Aus
dieſem Grunde müſſen die feinen Glasſtücke, welche aus den Formen
kommen, nach dem Kühlen geſchliffen werden, um ihnen höheren Wert
zu verleihen.

Das Schleifen erfolgt heute mittels Scheiben von Metall oder
von Sandſtein, welche in einer maſſiv gebauten Drehbank, der Schleif-
bank, ſehr raſch umlaufen. Am Rande werden ſie mit einem Brei
aus Waſſer und Sand für das Rauhſchleifen, von Öl und Smirgel
für das Feinſchleifen betupft. Zum Polieren wendet man ähnlich ge-
formte Scheiben von weichem Metall oder Kork an, welche mit Bims-
ſtein oder Polierrot arbeiten. Es iſt natürlich, daß dem Schleifer eine
ſehr große Auswahl der verſchiedenſt geformten großen und kleinen,
dünnen und ſtarken, glatten und gerippten Schleifſcheiben zur Verfügung
ſtehen muß, damit er alle Feinheiten des Schleifſtückes genügend heraus-
arbeiten kann. Auch das Bohren von Löchern und das Zerſägen wird
auf der Schleifbank ausgeführt. —

Ein höchſt eigenartiges, von Tilghman erfundenes und der neueſten
Zeit angehörendes Schleifverfahren, welches beſonders für Scheiben
angewendet wird, iſt das Sandblasverfahren. Bei demſelben ſchleudert

Das Buch der Erfindungen. 55
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[865/0883] Das Kryſtallglas. meiſt wendet man das Blaſen oder auch den Guß in Formen an. Die Formen, von denen Fig. 471 ein Beiſpiel darſtellt, ſind ſehr ſorg- fältig aus Metall gearbeitet. Sie beſtehen aus einzelnen Teilen, welche ſich auf- und zuklappen laſſen. In die geöffnete Form führt der Bläſer den an der Pfeife hängenden hohlen Glasballen ein; ein Ge- hülfe ſchließt die Form, worauf der Bläſer durch kräftiges Einblaſen das Glas in alle inneren Teile der Form hineinpreßt. Das über- flüſſige tritt als Wulſt oben aus der Form. Nachdem das ge- blaſene Glasſtück erſtarrt iſt, wird die Form geöffnet und das Stück [Abbildung Fig. 471. Klappform.] von der Pfeife abgeſprengt. Ganz maſſive Geräte, z. B. Teller, Salz- fäſſer und dergleichen, werden durch Eingießen des flüſſigen Glaſes in eine aus zwei Hälften beſtehende Form hergeſtellt; dann werden die beiden Hälften ſcharf auf einander gepreßt, ſo daß das überſchüſſige aus den Fugen hervordringt. Geblaſene und gepreßte Kryſtallglaswaren zeigen nur eine unvoll- kommene Gravierung und keinen beſonders hohen Glanz. Der Grund hierfür iſt der Umſtand, daß das Glas erſtarrt, ehe es ſich völlig an alle Feinheiten der Form anlegen kann; die Flächen werden nicht völlig eben und die Kanten ſind unregelmäßig gekrümmt. Bei dem Kryſtall- glas iſt dieſer Umſtand wegen ſeiner Leichtflüſſigkeit noch nicht einmal von ſo ſtarkem Einfluß; viel mehr zeigt er ſich bei dem früher erwähnten viel ſtrengflüſſigeren Crownglas und dem böhmiſchen Glaſe, welche beide gerade ebenſo verarbeitet werden, wie das Kryſtallglas. Aus dieſem Grunde müſſen die feinen Glasſtücke, welche aus den Formen kommen, nach dem Kühlen geſchliffen werden, um ihnen höheren Wert zu verleihen. Das Schleifen erfolgt heute mittels Scheiben von Metall oder von Sandſtein, welche in einer maſſiv gebauten Drehbank, der Schleif- bank, ſehr raſch umlaufen. Am Rande werden ſie mit einem Brei aus Waſſer und Sand für das Rauhſchleifen, von Öl und Smirgel für das Feinſchleifen betupft. Zum Polieren wendet man ähnlich ge- formte Scheiben von weichem Metall oder Kork an, welche mit Bims- ſtein oder Polierrot arbeiten. Es iſt natürlich, daß dem Schleifer eine ſehr große Auswahl der verſchiedenſt geformten großen und kleinen, dünnen und ſtarken, glatten und gerippten Schleifſcheiben zur Verfügung ſtehen muß, damit er alle Feinheiten des Schleifſtückes genügend heraus- arbeiten kann. Auch das Bohren von Löchern und das Zerſägen wird auf der Schleifbank ausgeführt. — Ein höchſt eigenartiges, von Tilghman erfundenes und der neueſten Zeit angehörendes Schleifverfahren, welches beſonders für Scheiben angewendet wird, iſt das Sandblasverfahren. Bei demſelben ſchleudert Das Buch der Erfindungen. 55

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 865. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/883>, abgerufen am 26.11.2024.