der Form gezogen, ein Eisenstab, das Nabeleisen, mittels etwas Glas in der Mitte ihres Bodens befestigt, dieser etwas hineingedrückt und die Pfeife samt dem obersten Teil des Halses durch Anlegen eines kalten, halbringförmig gebogenen Eisens abgesprengt (Fig. 458 f). Der scharf- kantige Hals der nun auf dem Nabeleisen festsitzenden Flasche wird nun unter drehender Bewegung des Eisens in der Flamme des Arbeitsloches für sich allein erweicht, mittels einer Schere erweitert und endlich ein aus dem Hafen geholter Glastropfen als Wulst herumgewickelt. Die fertige Flasche g wird am Nabeleisen in den Kühlofen getragen und dort durch einen kurzen Schlag von dem Eisen getrennt; durch die letztere Operation behält jede Flasche den scharfkantigen "Nabel" im Boden. (Fig. 458 g.)
Das Formen kugeliger Flaschen ist ganz der freien Kunst des Bläsers überlassen und geschieht ohne Form. Sehr große Flaschen, wie z. B. Säureballons, werden geblasen, indem der Arbeiter ein wenig Wasser in die Pfeife spritzt, diese zuhält und es dem Dampf überläßt, die Flasche aufzublasen.
Das halbweiße und weiße Hohlglas wird mittelst reinerer Materialien hergestellt und der Satz erhält Entfärbungsmittel, gewöhn- lich Braunstein, als Zusatz. Das halbweiße Glas ist meist ein Natriumcalciumsilikat, während das rein weiße, welches man zu Medizin- gläsern, zu Schleifwaren und chemischen Geräten verwendet, an Stelle des Natriums Kalium enthält. Möglichste Freiheit des Satzes von Eisen und Thonerde ist Hauptbedingung. Das Blasen der chemischen Geräte geschieht aus freier Hand. So fertigt man z. B. Kolben durch einfaches, unter den oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln vorgenommenes Aufblasen und Verlängern des Halses. Wenn man dann, während der Kolben noch weich ist, unter fortwährendem Einblasen die Pfeife umkehrt, so senkt sich der Bauch des Kolbens einseitig und man erhält eine Retorte. Besonders wichtig ist auch das Ziehen der Glasröhren. Wird ein hohles weiches Glasstück rasch auseinander gezogen, so er- hält man eine Röhre, selbst bei haarfeinen Fäden. Hierauf beruht die Fabrikation der gewöhnlichen Glasröhren. Ein Arbeiter sammelt an der Pfeife die nötige Menge Glas und bläst diese zu einer engen Hohlkugel von sehr bedeutender Wanddicke auf (Fig. 459). Während er dann die erstarrte Kugel wieder anwärmt, hat ein zweiter Arbeiter an einem Nabeleisen B einen Glastropfen geschöpft; beide ziehen ihre Geräte gleichzeitig aus dem Feuer und stoßen dieselben horizontal gegen einander, so daß das Nabeleisen an dem Bauch der Kugel festhaftet (Fig. 460). Dann laufen beide Arbeiter so schnell wie möglich auseinander, während sie ihre Werkzeuge fortgesetzt drehen (Fig. 461). Das Resultat ist eine Röhre, die sich in der Mitte etwas senkt und an den Enden dicker ist, als in der Mitte. Durch schnelles Niederlegen der noch nicht erstarrten Röhre auf den Boden begegnet man dem ersteren Übelstande. Die fertige Röhre wird in 11/2 bis 2 m lange Stücke zerschnitten.
Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
der Form gezogen, ein Eiſenſtab, das Nabeleiſen, mittels etwas Glas in der Mitte ihres Bodens befeſtigt, dieſer etwas hineingedrückt und die Pfeife ſamt dem oberſten Teil des Halſes durch Anlegen eines kalten, halbringförmig gebogenen Eiſens abgeſprengt (Fig. 458 f). Der ſcharf- kantige Hals der nun auf dem Nabeleiſen feſtſitzenden Flaſche wird nun unter drehender Bewegung des Eiſens in der Flamme des Arbeitsloches für ſich allein erweicht, mittels einer Schere erweitert und endlich ein aus dem Hafen geholter Glastropfen als Wulſt herumgewickelt. Die fertige Flaſche g wird am Nabeleiſen in den Kühlofen getragen und dort durch einen kurzen Schlag von dem Eiſen getrennt; durch die letztere Operation behält jede Flaſche den ſcharfkantigen „Nabel“ im Boden. (Fig. 458 g.)
Das Formen kugeliger Flaſchen iſt ganz der freien Kunſt des Bläſers überlaſſen und geſchieht ohne Form. Sehr große Flaſchen, wie z. B. Säureballons, werden geblaſen, indem der Arbeiter ein wenig Waſſer in die Pfeife ſpritzt, dieſe zuhält und es dem Dampf überläßt, die Flaſche aufzublaſen.
Das halbweiße und weiße Hohlglas wird mittelſt reinerer Materialien hergeſtellt und der Satz erhält Entfärbungsmittel, gewöhn- lich Braunſtein, als Zuſatz. Das halbweiße Glas iſt meiſt ein Natriumcalciumſilikat, während das rein weiße, welches man zu Medizin- gläſern, zu Schleifwaren und chemiſchen Geräten verwendet, an Stelle des Natriums Kalium enthält. Möglichſte Freiheit des Satzes von Eiſen und Thonerde iſt Hauptbedingung. Das Blaſen der chemiſchen Geräte geſchieht aus freier Hand. So fertigt man z. B. Kolben durch einfaches, unter den oben angegebenen Vorſichtsmaßregeln vorgenommenes Aufblaſen und Verlängern des Halſes. Wenn man dann, während der Kolben noch weich iſt, unter fortwährendem Einblaſen die Pfeife umkehrt, ſo ſenkt ſich der Bauch des Kolbens einſeitig und man erhält eine Retorte. Beſonders wichtig iſt auch das Ziehen der Glasröhren. Wird ein hohles weiches Glasſtück raſch auseinander gezogen, ſo er- hält man eine Röhre, ſelbſt bei haarfeinen Fäden. Hierauf beruht die Fabrikation der gewöhnlichen Glasröhren. Ein Arbeiter ſammelt an der Pfeife die nötige Menge Glas und bläſt dieſe zu einer engen Hohlkugel von ſehr bedeutender Wanddicke auf (Fig. 459). Während er dann die erſtarrte Kugel wieder anwärmt, hat ein zweiter Arbeiter an einem Nabeleiſen B einen Glastropfen geſchöpft; beide ziehen ihre Geräte gleichzeitig aus dem Feuer und ſtoßen dieſelben horizontal gegen einander, ſo daß das Nabeleiſen an dem Bauch der Kugel feſthaftet (Fig. 460). Dann laufen beide Arbeiter ſo ſchnell wie möglich auseinander, während ſie ihre Werkzeuge fortgeſetzt drehen (Fig. 461). Das Reſultat iſt eine Röhre, die ſich in der Mitte etwas ſenkt und an den Enden dicker iſt, als in der Mitte. Durch ſchnelles Niederlegen der noch nicht erſtarrten Röhre auf den Boden begegnet man dem erſteren Übelſtande. Die fertige Röhre wird in 1½ bis 2 m lange Stücke zerſchnitten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0874"n="856"/><fwplace="top"type="header">Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.</fw><lb/>
der Form gezogen, ein Eiſenſtab, das Nabeleiſen, mittels etwas Glas<lb/>
in der Mitte ihres Bodens befeſtigt, dieſer etwas hineingedrückt und<lb/>
die Pfeife ſamt dem oberſten Teil des Halſes durch Anlegen eines kalten,<lb/>
halbringförmig gebogenen Eiſens abgeſprengt (Fig. 458 <hirendition="#aq">f</hi>). Der ſcharf-<lb/>
kantige Hals der nun auf dem Nabeleiſen feſtſitzenden Flaſche wird nun<lb/>
unter drehender Bewegung des Eiſens in der Flamme des Arbeitsloches<lb/>
für ſich allein erweicht, mittels einer Schere erweitert und endlich ein<lb/>
aus dem Hafen geholter Glastropfen als Wulſt herumgewickelt. Die<lb/>
fertige Flaſche <hirendition="#aq">g</hi> wird am Nabeleiſen in den Kühlofen getragen und dort<lb/>
durch einen kurzen Schlag von dem Eiſen getrennt; durch die letztere<lb/>
Operation behält jede Flaſche den ſcharfkantigen „Nabel“ im Boden.<lb/>
(Fig. 458 <hirendition="#aq">g</hi>.)</p><lb/><p>Das Formen kugeliger Flaſchen iſt ganz der freien Kunſt des<lb/>
Bläſers überlaſſen und geſchieht ohne Form. Sehr große Flaſchen,<lb/>
wie z. B. Säureballons, werden geblaſen, indem der Arbeiter ein<lb/>
wenig Waſſer in die Pfeife ſpritzt, dieſe zuhält und es dem Dampf<lb/>
überläßt, die Flaſche aufzublaſen.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">halbweiße</hi> und <hirendition="#g">weiße</hi> Hohlglas wird mittelſt reinerer<lb/>
Materialien hergeſtellt und der Satz erhält Entfärbungsmittel, gewöhn-<lb/>
lich Braunſtein, als Zuſatz. Das halbweiße Glas iſt meiſt ein<lb/>
Natriumcalciumſilikat, während das rein weiße, welches man zu Medizin-<lb/>
gläſern, zu Schleifwaren und chemiſchen Geräten verwendet, an Stelle<lb/>
des Natriums Kalium enthält. Möglichſte Freiheit des Satzes von<lb/>
Eiſen und Thonerde iſt Hauptbedingung. Das Blaſen der chemiſchen<lb/>
Geräte geſchieht aus freier Hand. So fertigt man z. B. Kolben durch<lb/>
einfaches, unter den oben angegebenen Vorſichtsmaßregeln vorgenommenes<lb/>
Aufblaſen und Verlängern des Halſes. Wenn man dann, während<lb/>
der Kolben noch weich iſt, unter fortwährendem Einblaſen die Pfeife<lb/>
umkehrt, ſo ſenkt ſich der Bauch des Kolbens einſeitig und man erhält<lb/>
eine Retorte. Beſonders wichtig iſt auch das Ziehen der Glasröhren.<lb/>
Wird ein hohles weiches Glasſtück raſch auseinander gezogen, ſo er-<lb/>
hält man eine Röhre, ſelbſt bei haarfeinen Fäden. Hierauf beruht<lb/>
die Fabrikation der gewöhnlichen Glasröhren. Ein Arbeiter ſammelt<lb/>
an der Pfeife die nötige Menge Glas und bläſt dieſe zu einer engen<lb/>
Hohlkugel von ſehr bedeutender Wanddicke auf (Fig. 459). Während<lb/>
er dann die erſtarrte Kugel wieder anwärmt, hat ein zweiter Arbeiter an<lb/>
einem Nabeleiſen <hirendition="#aq">B</hi> einen Glastropfen geſchöpft; beide ziehen ihre Geräte<lb/>
gleichzeitig aus dem Feuer und ſtoßen dieſelben horizontal gegen einander,<lb/>ſo daß das Nabeleiſen an dem Bauch der Kugel feſthaftet (Fig. 460).<lb/>
Dann laufen beide Arbeiter ſo ſchnell wie möglich auseinander,<lb/>
während ſie ihre Werkzeuge fortgeſetzt drehen (Fig. 461). Das Reſultat<lb/>
iſt eine Röhre, die ſich in der Mitte etwas ſenkt und an den Enden<lb/>
dicker iſt, als in der Mitte. Durch ſchnelles Niederlegen der noch nicht<lb/>
erſtarrten Röhre auf den Boden begegnet man dem erſteren Übelſtande.<lb/>
Die fertige Röhre wird in 1½ bis 2 <hirendition="#aq">m</hi> lange Stücke zerſchnitten.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[856/0874]
Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
der Form gezogen, ein Eiſenſtab, das Nabeleiſen, mittels etwas Glas
in der Mitte ihres Bodens befeſtigt, dieſer etwas hineingedrückt und
die Pfeife ſamt dem oberſten Teil des Halſes durch Anlegen eines kalten,
halbringförmig gebogenen Eiſens abgeſprengt (Fig. 458 f). Der ſcharf-
kantige Hals der nun auf dem Nabeleiſen feſtſitzenden Flaſche wird nun
unter drehender Bewegung des Eiſens in der Flamme des Arbeitsloches
für ſich allein erweicht, mittels einer Schere erweitert und endlich ein
aus dem Hafen geholter Glastropfen als Wulſt herumgewickelt. Die
fertige Flaſche g wird am Nabeleiſen in den Kühlofen getragen und dort
durch einen kurzen Schlag von dem Eiſen getrennt; durch die letztere
Operation behält jede Flaſche den ſcharfkantigen „Nabel“ im Boden.
(Fig. 458 g.)
Das Formen kugeliger Flaſchen iſt ganz der freien Kunſt des
Bläſers überlaſſen und geſchieht ohne Form. Sehr große Flaſchen,
wie z. B. Säureballons, werden geblaſen, indem der Arbeiter ein
wenig Waſſer in die Pfeife ſpritzt, dieſe zuhält und es dem Dampf
überläßt, die Flaſche aufzublaſen.
Das halbweiße und weiße Hohlglas wird mittelſt reinerer
Materialien hergeſtellt und der Satz erhält Entfärbungsmittel, gewöhn-
lich Braunſtein, als Zuſatz. Das halbweiße Glas iſt meiſt ein
Natriumcalciumſilikat, während das rein weiße, welches man zu Medizin-
gläſern, zu Schleifwaren und chemiſchen Geräten verwendet, an Stelle
des Natriums Kalium enthält. Möglichſte Freiheit des Satzes von
Eiſen und Thonerde iſt Hauptbedingung. Das Blaſen der chemiſchen
Geräte geſchieht aus freier Hand. So fertigt man z. B. Kolben durch
einfaches, unter den oben angegebenen Vorſichtsmaßregeln vorgenommenes
Aufblaſen und Verlängern des Halſes. Wenn man dann, während
der Kolben noch weich iſt, unter fortwährendem Einblaſen die Pfeife
umkehrt, ſo ſenkt ſich der Bauch des Kolbens einſeitig und man erhält
eine Retorte. Beſonders wichtig iſt auch das Ziehen der Glasröhren.
Wird ein hohles weiches Glasſtück raſch auseinander gezogen, ſo er-
hält man eine Röhre, ſelbſt bei haarfeinen Fäden. Hierauf beruht
die Fabrikation der gewöhnlichen Glasröhren. Ein Arbeiter ſammelt
an der Pfeife die nötige Menge Glas und bläſt dieſe zu einer engen
Hohlkugel von ſehr bedeutender Wanddicke auf (Fig. 459). Während
er dann die erſtarrte Kugel wieder anwärmt, hat ein zweiter Arbeiter an
einem Nabeleiſen B einen Glastropfen geſchöpft; beide ziehen ihre Geräte
gleichzeitig aus dem Feuer und ſtoßen dieſelben horizontal gegen einander,
ſo daß das Nabeleiſen an dem Bauch der Kugel feſthaftet (Fig. 460).
Dann laufen beide Arbeiter ſo ſchnell wie möglich auseinander,
während ſie ihre Werkzeuge fortgeſetzt drehen (Fig. 461). Das Reſultat
iſt eine Röhre, die ſich in der Mitte etwas ſenkt und an den Enden
dicker iſt, als in der Mitte. Durch ſchnelles Niederlegen der noch nicht
erſtarrten Röhre auf den Boden begegnet man dem erſteren Übelſtande.
Die fertige Röhre wird in 1½ bis 2 m lange Stücke zerſchnitten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/874>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.