Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Kompaß.
gleichfalls mit den Magnetnadeln festverbundene Kompaßrose, welche
sich sehr leicht in die Richtung des magnetischen Meridians stellt, ist mit
Schwimmdosen versehen, welche ihr, da sie in einer das Kompaßgehäuse
vollständig erfüllenden Mischung von Alkohol und Wasser ruhen, einen
erheblichen Auftrieb verleihen, der sie mit fast verschwindendem
Gewicht auf der Pinne schweben läßt. Wegen der unvermeidlichen
Reibung der Rose an der Flüssigkeit ist das Trägheitsmoment sehr
groß, und gerade das wollte man erreichen. Einen solchen Fluid-
Kompaß, der überdies mit Visiervorrichtung zum Anvisieren oder, wie
es in der Seemannssprache heißt, zum "Peilen" sowohl irdischer als
himmlischer Objekte eingerichtet ist, stellt die Fig. 442 dar.

Noch jetzt bildet der Kompaß das wichtigste und unentbehrlichste
nautische Instrument, mitunter sogar das einzige, welches als Weg-
weiser dienen kann. Bei der gewaltigen Verkehrsentwicklung, der
wirklich staunenswerten, nur noch mit Tagen und Stunden rechnenden
Schnelligkeit, welche die jüngsten Dampfschiffahrten besonders im trans-
atlantischen Personenverkehr erreicht haben, ist es oftmals wegen un-
günstiger meteorologischer Verhältnisse geradezu unmöglich, den Ort des
Schiffes durch astronomische Beobachtungen zu kontrollieren. Hier bleibt
der Schiffsführer einzig und allein auf die Angaben von Kompaß, Log
und Lot angewiesen; hier kann und muß also der Kompaß seinen
eigentlichen, ursprünglichen Beruf als Wegweiser aufs beste erfüllen,
und deshalb ist von ihm zu verlangen, daß seine Angaben absolut
sicher und zuverlässig sind.

Da die bereits erwähnte magnetische Deklination oder "Miß-
weisung" an jedem Orte der Erde einen bestimmten Wert hat, so
müßte eigentlich an allen Punkten diese Größe ihrem wirklichen Betrage
nach ermittelt werden. Wegen der Unausführbarkeit dieser Forderung
begnügt man sich mit einer begrenzten Anzahl von Punkten, für
welche man die gesuchte Größe möglichst scharf zu bestimmen hat, und
verbindet alsdann diejenigen Orte auf der Karte, für welche sie den-
selben Wert erreicht, durch krumme Linien, welche den Namen Isogonen
erhalten haben. Daraus ergiebt sich ein Bild von der Änderung der
Mißweisung mit den jeweiligen Ortsveränderungen des Schiffes, und
man ist in den Stand gesetzt, ihren Wert an einem Orte, für welchen
keine direkte Bestimmung vorliegt, wenigstens angenähert aus der Karte
zu ermitteln. Wegen der hohen Wichtigkeit, welche den Isogonen in
der Schiffahrt zukommt, haben sie ebenfalls in den Seekarten Aufnahme
gefunden.

Mit der größeren Verwendung von Eisenmassen beim Schiffsbau
stellte sich eine sehr störende Unbequemlichkeit im Gebrauch des
Kompasses auf dem Schiffe ein, die sich in einer zunächst ganz
unkontrollierbaren Ablenkung der Magnetnadel von der Richtung des
magnetischen Meridians je nach dem Orte der Aufstellung an Bord
bemerkbar machte und meistensteils auch während einer Reise noch be-

Der Kompaß.
gleichfalls mit den Magnetnadeln feſtverbundene Kompaßroſe, welche
ſich ſehr leicht in die Richtung des magnetiſchen Meridians ſtellt, iſt mit
Schwimmdoſen verſehen, welche ihr, da ſie in einer das Kompaßgehäuſe
vollſtändig erfüllenden Miſchung von Alkohol und Waſſer ruhen, einen
erheblichen Auftrieb verleihen, der ſie mit faſt verſchwindendem
Gewicht auf der Pinne ſchweben läßt. Wegen der unvermeidlichen
Reibung der Roſe an der Flüſſigkeit iſt das Trägheitsmoment ſehr
groß, und gerade das wollte man erreichen. Einen ſolchen Fluid-
Kompaß, der überdies mit Viſiervorrichtung zum Anviſieren oder, wie
es in der Seemannsſprache heißt, zum „Peilen“ ſowohl irdiſcher als
himmliſcher Objekte eingerichtet iſt, ſtellt die Fig. 442 dar.

Noch jetzt bildet der Kompaß das wichtigſte und unentbehrlichſte
nautiſche Inſtrument, mitunter ſogar das einzige, welches als Weg-
weiſer dienen kann. Bei der gewaltigen Verkehrsentwicklung, der
wirklich ſtaunenswerten, nur noch mit Tagen und Stunden rechnenden
Schnelligkeit, welche die jüngſten Dampfſchiffahrten beſonders im trans-
atlantiſchen Perſonenverkehr erreicht haben, iſt es oftmals wegen un-
günſtiger meteorologiſcher Verhältniſſe geradezu unmöglich, den Ort des
Schiffes durch aſtronomiſche Beobachtungen zu kontrollieren. Hier bleibt
der Schiffsführer einzig und allein auf die Angaben von Kompaß, Log
und Lot angewieſen; hier kann und muß alſo der Kompaß ſeinen
eigentlichen, urſprünglichen Beruf als Wegweiſer aufs beſte erfüllen,
und deshalb iſt von ihm zu verlangen, daß ſeine Angaben abſolut
ſicher und zuverläſſig ſind.

Da die bereits erwähnte magnetiſche Deklination oder „Miß-
weiſung“ an jedem Orte der Erde einen beſtimmten Wert hat, ſo
müßte eigentlich an allen Punkten dieſe Größe ihrem wirklichen Betrage
nach ermittelt werden. Wegen der Unausführbarkeit dieſer Forderung
begnügt man ſich mit einer begrenzten Anzahl von Punkten, für
welche man die geſuchte Größe möglichſt ſcharf zu beſtimmen hat, und
verbindet alsdann diejenigen Orte auf der Karte, für welche ſie den-
ſelben Wert erreicht, durch krumme Linien, welche den Namen Iſogonen
erhalten haben. Daraus ergiebt ſich ein Bild von der Änderung der
Mißweiſung mit den jeweiligen Ortsveränderungen des Schiffes, und
man iſt in den Stand geſetzt, ihren Wert an einem Orte, für welchen
keine direkte Beſtimmung vorliegt, wenigſtens angenähert aus der Karte
zu ermitteln. Wegen der hohen Wichtigkeit, welche den Iſogonen in
der Schiffahrt zukommt, haben ſie ebenfalls in den Seekarten Aufnahme
gefunden.

Mit der größeren Verwendung von Eiſenmaſſen beim Schiffsbau
ſtellte ſich eine ſehr ſtörende Unbequemlichkeit im Gebrauch des
Kompaſſes auf dem Schiffe ein, die ſich in einer zunächſt ganz
unkontrollierbaren Ablenkung der Magnetnadel von der Richtung des
magnetiſchen Meridians je nach dem Orte der Aufſtellung an Bord
bemerkbar machte und meiſtensteils auch während einer Reiſe noch be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0817" n="799"/><fw place="top" type="header">Der Kompaß.</fw><lb/>
gleichfalls mit den Magnetnadeln fe&#x017F;tverbundene Kompaßro&#x017F;e, welche<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ehr leicht in die Richtung des magneti&#x017F;chen Meridians &#x017F;tellt, i&#x017F;t mit<lb/>
Schwimmdo&#x017F;en ver&#x017F;ehen, welche ihr, da &#x017F;ie in einer das Kompaßgehäu&#x017F;e<lb/>
voll&#x017F;tändig erfüllenden Mi&#x017F;chung von Alkohol und Wa&#x017F;&#x017F;er ruhen, einen<lb/>
erheblichen Auftrieb verleihen, der &#x017F;ie mit fa&#x017F;t ver&#x017F;chwindendem<lb/>
Gewicht auf der Pinne &#x017F;chweben läßt. Wegen der unvermeidlichen<lb/>
Reibung der Ro&#x017F;e an der Flü&#x017F;&#x017F;igkeit i&#x017F;t das Trägheitsmoment &#x017F;ehr<lb/>
groß, und gerade das wollte man erreichen. Einen &#x017F;olchen Fluid-<lb/>
Kompaß, der überdies mit Vi&#x017F;iervorrichtung zum Anvi&#x017F;ieren oder, wie<lb/>
es in der Seemanns&#x017F;prache heißt, zum &#x201E;Peilen&#x201C; &#x017F;owohl irdi&#x017F;cher als<lb/>
himmli&#x017F;cher Objekte eingerichtet i&#x017F;t, &#x017F;tellt die Fig. 442 dar.</p><lb/>
              <p>Noch jetzt bildet der Kompaß das wichtig&#x017F;te und unentbehrlich&#x017F;te<lb/>
nauti&#x017F;che In&#x017F;trument, mitunter &#x017F;ogar das einzige, welches als Weg-<lb/>
wei&#x017F;er dienen kann. Bei der gewaltigen Verkehrsentwicklung, der<lb/>
wirklich &#x017F;taunenswerten, nur noch mit Tagen und Stunden rechnenden<lb/>
Schnelligkeit, welche die jüng&#x017F;ten Dampf&#x017F;chiffahrten be&#x017F;onders im trans-<lb/>
atlanti&#x017F;chen Per&#x017F;onenverkehr erreicht haben, i&#x017F;t es oftmals wegen un-<lb/>
gün&#x017F;tiger meteorologi&#x017F;cher Verhältni&#x017F;&#x017F;e geradezu unmöglich, den Ort des<lb/>
Schiffes durch a&#x017F;tronomi&#x017F;che Beobachtungen zu kontrollieren. Hier bleibt<lb/>
der Schiffsführer einzig und allein auf die Angaben von Kompaß, Log<lb/>
und Lot angewie&#x017F;en; hier kann und muß al&#x017F;o der Kompaß &#x017F;einen<lb/>
eigentlichen, ur&#x017F;prünglichen Beruf als Wegwei&#x017F;er aufs be&#x017F;te erfüllen,<lb/>
und deshalb i&#x017F;t von ihm zu verlangen, daß &#x017F;eine Angaben ab&#x017F;olut<lb/>
&#x017F;icher und zuverlä&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Da die bereits erwähnte magneti&#x017F;che Deklination oder &#x201E;Miß-<lb/>
wei&#x017F;ung&#x201C; an jedem Orte der Erde einen be&#x017F;timmten Wert hat, &#x017F;o<lb/>
müßte eigentlich an allen Punkten die&#x017F;e Größe ihrem wirklichen Betrage<lb/>
nach ermittelt werden. Wegen der Unausführbarkeit die&#x017F;er Forderung<lb/>
begnügt man &#x017F;ich mit einer begrenzten Anzahl von Punkten, für<lb/>
welche man die ge&#x017F;uchte Größe möglich&#x017F;t &#x017F;charf zu be&#x017F;timmen hat, und<lb/>
verbindet alsdann diejenigen Orte auf der Karte, für welche &#x017F;ie den-<lb/>
&#x017F;elben Wert erreicht, durch krumme Linien, welche den Namen I&#x017F;ogonen<lb/>
erhalten haben. Daraus ergiebt &#x017F;ich ein Bild von der Änderung der<lb/>
Mißwei&#x017F;ung mit den jeweiligen Ortsveränderungen des Schiffes, und<lb/>
man i&#x017F;t in den Stand ge&#x017F;etzt, ihren Wert an einem Orte, für welchen<lb/>
keine direkte Be&#x017F;timmung vorliegt, wenig&#x017F;tens angenähert aus der Karte<lb/>
zu ermitteln. Wegen der hohen Wichtigkeit, welche den I&#x017F;ogonen in<lb/>
der Schiffahrt zukommt, haben &#x017F;ie ebenfalls in den Seekarten Aufnahme<lb/>
gefunden.</p><lb/>
              <p>Mit der größeren Verwendung von Ei&#x017F;enma&#x017F;&#x017F;en beim Schiffsbau<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich eine &#x017F;ehr &#x017F;törende Unbequemlichkeit im Gebrauch des<lb/>
Kompa&#x017F;&#x017F;es auf dem Schiffe ein, die &#x017F;ich in einer zunäch&#x017F;t ganz<lb/>
unkontrollierbaren Ablenkung der Magnetnadel von der Richtung des<lb/>
magneti&#x017F;chen Meridians je nach dem Orte der Auf&#x017F;tellung an Bord<lb/>
bemerkbar machte und mei&#x017F;tensteils auch während einer Rei&#x017F;e noch be-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[799/0817] Der Kompaß. gleichfalls mit den Magnetnadeln feſtverbundene Kompaßroſe, welche ſich ſehr leicht in die Richtung des magnetiſchen Meridians ſtellt, iſt mit Schwimmdoſen verſehen, welche ihr, da ſie in einer das Kompaßgehäuſe vollſtändig erfüllenden Miſchung von Alkohol und Waſſer ruhen, einen erheblichen Auftrieb verleihen, der ſie mit faſt verſchwindendem Gewicht auf der Pinne ſchweben läßt. Wegen der unvermeidlichen Reibung der Roſe an der Flüſſigkeit iſt das Trägheitsmoment ſehr groß, und gerade das wollte man erreichen. Einen ſolchen Fluid- Kompaß, der überdies mit Viſiervorrichtung zum Anviſieren oder, wie es in der Seemannsſprache heißt, zum „Peilen“ ſowohl irdiſcher als himmliſcher Objekte eingerichtet iſt, ſtellt die Fig. 442 dar. Noch jetzt bildet der Kompaß das wichtigſte und unentbehrlichſte nautiſche Inſtrument, mitunter ſogar das einzige, welches als Weg- weiſer dienen kann. Bei der gewaltigen Verkehrsentwicklung, der wirklich ſtaunenswerten, nur noch mit Tagen und Stunden rechnenden Schnelligkeit, welche die jüngſten Dampfſchiffahrten beſonders im trans- atlantiſchen Perſonenverkehr erreicht haben, iſt es oftmals wegen un- günſtiger meteorologiſcher Verhältniſſe geradezu unmöglich, den Ort des Schiffes durch aſtronomiſche Beobachtungen zu kontrollieren. Hier bleibt der Schiffsführer einzig und allein auf die Angaben von Kompaß, Log und Lot angewieſen; hier kann und muß alſo der Kompaß ſeinen eigentlichen, urſprünglichen Beruf als Wegweiſer aufs beſte erfüllen, und deshalb iſt von ihm zu verlangen, daß ſeine Angaben abſolut ſicher und zuverläſſig ſind. Da die bereits erwähnte magnetiſche Deklination oder „Miß- weiſung“ an jedem Orte der Erde einen beſtimmten Wert hat, ſo müßte eigentlich an allen Punkten dieſe Größe ihrem wirklichen Betrage nach ermittelt werden. Wegen der Unausführbarkeit dieſer Forderung begnügt man ſich mit einer begrenzten Anzahl von Punkten, für welche man die geſuchte Größe möglichſt ſcharf zu beſtimmen hat, und verbindet alsdann diejenigen Orte auf der Karte, für welche ſie den- ſelben Wert erreicht, durch krumme Linien, welche den Namen Iſogonen erhalten haben. Daraus ergiebt ſich ein Bild von der Änderung der Mißweiſung mit den jeweiligen Ortsveränderungen des Schiffes, und man iſt in den Stand geſetzt, ihren Wert an einem Orte, für welchen keine direkte Beſtimmung vorliegt, wenigſtens angenähert aus der Karte zu ermitteln. Wegen der hohen Wichtigkeit, welche den Iſogonen in der Schiffahrt zukommt, haben ſie ebenfalls in den Seekarten Aufnahme gefunden. Mit der größeren Verwendung von Eiſenmaſſen beim Schiffsbau ſtellte ſich eine ſehr ſtörende Unbequemlichkeit im Gebrauch des Kompaſſes auf dem Schiffe ein, die ſich in einer zunächſt ganz unkontrollierbaren Ablenkung der Magnetnadel von der Richtung des magnetiſchen Meridians je nach dem Orte der Aufſtellung an Bord bemerkbar machte und meiſtensteils auch während einer Reiſe noch be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/817
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 799. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/817>, abgerufen am 18.07.2024.