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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Der Verkehr zu Wasser.

Eine große Umwälzung auf dem Gebiete des Schiffsbaues brachte
die Einführung der Schiffsschraube oder Propellerschraube als
Ersatz des Schaufelrades. Als Erfinder derselben werden genannt der
Österreicher Joseph Ressel, der bereits im Jahre 1812 dieselbe zuerst
praktisch angewendet haben soll. Auch der Amerikaner Ericson wird
häufig als Erfinder oder doch als glücklicher Verbesserer des Schrauben-
propellers genannt. Das erste Schraubenschiff gebaut und seetüchtig
fertiggestellt zu haben, dieses Verdienst gebührt dem Engländer Smith,
welcher im Jahre 1838 mit dem Dampfer "Archimedes" die Küste
Englands befuhr. Die erste bahnbrechende Anwendung der Schiffs-
schraube erfolgte im Jahre 1847.

In Fig. 438 geben wir die Ansicht eines Schraubendampfers; das
den Dampfer ausnehmende Dock ist von der bekannten Hoppeschen
Maschinenfabrik in Berlin erbaut. Die Wirkung einer Schiffsschraube
ist die gleiche, wie diejenige einer gewöhnlichen in ihrer Mutter gedrehten
Schraube, nur daß an die Stelle der Mutter das Wasser tritt. Hält man
die Mutter einer Schraube fest und dreht man gleichzeitig die Schraube,
so schraubt sich die Schraube je nach der ihr erteilten Drehrichtung aus
der Mutter hinaus oder in dieselbe hinein. Das gleiche geschieht bei der
Schiffsschraube; je nach der ihr von der Schiffsmaschine erteilten
Drehung treibt sie das Schiff im Wasser, welches, wie oben erwähnt,
die Stelle der Mutter einnimmt, nach vorwärts oder nach rückwärts.

Die Vorzüge, welche die Schraube vor dem Ruderrade auszeichnen,
sind sehr wesentliche und schwerwiegende; dieselben haben es bewirkt, daß
die Raddampfer aus dem transatlantischen Verkehr gänzlich verschwunden
sind. In der neueren Zeit verwendet man häufig zwei Schrauben, deren
eine rechts, deren andere links von der Längsachse des Schiffes an-
geordnet ist. Derartige Doppelschraubenschiffe sind besonders bei den
Kriegsflotten anzufinden, da sie eine sehr hohe Manövrierfähigkeit besitzen.

Was die oben erwähnten Vorzüge der Schiffsschraube betrifft, so
bestehen dieselben im wesentlichen in folgendem: Die Breite des Schiffes
ist eine bei weitem geringere als bei Verwendung von Schaufelrädern.
Die Schraube liegt stets geschützt im Wasser, ein Umstand, der nament-
lich bei Kriegsschiffen von der größten Bedeutung ist. Der Gang des
Schiffes ist ein sehr ruhiger. Bei hoher See tritt bei starken
Schwankungen des Schiffes häufig das eine der beiden Schaufelräder
aus dem Wasser heraus, wodurch eine sehr ungünstige einseitige In-
anspruchnahme der Dampfmaschine eintritt; dieser Übelstand fällt bei
der Schraube fort. Endlich liegt der Schwerpunkt der Schrauben-
dampfer tiefer als der der Raddampfer, so daß jene nicht so leicht
von hoher See zum Kentern gebracht werden können.

Als Beispiel eines modernen transatlantischen Doppelschrauben-
schnelldampfers bringen wir in Fig. 439 die auf der Werft der
"Vulkan" in Bredow bei Stettin erbaute "Augusta Viktoria" des
Hamburg-Amerikanischen Paketfahrt-Aktiengesellschaft.

Der Verkehr zu Waſſer.

Eine große Umwälzung auf dem Gebiete des Schiffsbaues brachte
die Einführung der Schiffsſchraube oder Propellerſchraube als
Erſatz des Schaufelrades. Als Erfinder derſelben werden genannt der
Öſterreicher Joſeph Reſſel, der bereits im Jahre 1812 dieſelbe zuerſt
praktiſch angewendet haben ſoll. Auch der Amerikaner Ericſon wird
häufig als Erfinder oder doch als glücklicher Verbeſſerer des Schrauben-
propellers genannt. Das erſte Schraubenſchiff gebaut und ſeetüchtig
fertiggeſtellt zu haben, dieſes Verdienſt gebührt dem Engländer Smith,
welcher im Jahre 1838 mit dem Dampfer „Archimedes“ die Küſte
Englands befuhr. Die erſte bahnbrechende Anwendung der Schiffs-
ſchraube erfolgte im Jahre 1847.

In Fig. 438 geben wir die Anſicht eines Schraubendampfers; das
den Dampfer ausnehmende Dock iſt von der bekannten Hoppeſchen
Maſchinenfabrik in Berlin erbaut. Die Wirkung einer Schiffsſchraube
iſt die gleiche, wie diejenige einer gewöhnlichen in ihrer Mutter gedrehten
Schraube, nur daß an die Stelle der Mutter das Waſſer tritt. Hält man
die Mutter einer Schraube feſt und dreht man gleichzeitig die Schraube,
ſo ſchraubt ſich die Schraube je nach der ihr erteilten Drehrichtung aus
der Mutter hinaus oder in dieſelbe hinein. Das gleiche geſchieht bei der
Schiffsſchraube; je nach der ihr von der Schiffsmaſchine erteilten
Drehung treibt ſie das Schiff im Waſſer, welches, wie oben erwähnt,
die Stelle der Mutter einnimmt, nach vorwärts oder nach rückwärts.

Die Vorzüge, welche die Schraube vor dem Ruderrade auszeichnen,
ſind ſehr weſentliche und ſchwerwiegende; dieſelben haben es bewirkt, daß
die Raddampfer aus dem transatlantiſchen Verkehr gänzlich verſchwunden
ſind. In der neueren Zeit verwendet man häufig zwei Schrauben, deren
eine rechts, deren andere links von der Längsachſe des Schiffes an-
geordnet iſt. Derartige Doppelſchraubenſchiffe ſind beſonders bei den
Kriegsflotten anzufinden, da ſie eine ſehr hohe Manövrierfähigkeit beſitzen.

Was die oben erwähnten Vorzüge der Schiffsſchraube betrifft, ſo
beſtehen dieſelben im weſentlichen in folgendem: Die Breite des Schiffes
iſt eine bei weitem geringere als bei Verwendung von Schaufelrädern.
Die Schraube liegt ſtets geſchützt im Waſſer, ein Umſtand, der nament-
lich bei Kriegsſchiffen von der größten Bedeutung iſt. Der Gang des
Schiffes iſt ein ſehr ruhiger. Bei hoher See tritt bei ſtarken
Schwankungen des Schiffes häufig das eine der beiden Schaufelräder
aus dem Waſſer heraus, wodurch eine ſehr ungünſtige einſeitige In-
anſpruchnahme der Dampfmaſchine eintritt; dieſer Übelſtand fällt bei
der Schraube fort. Endlich liegt der Schwerpunkt der Schrauben-
dampfer tiefer als der der Raddampfer, ſo daß jene nicht ſo leicht
von hoher See zum Kentern gebracht werden können.

Als Beiſpiel eines modernen transatlantiſchen Doppelſchrauben-
ſchnelldampfers bringen wir in Fig. 439 die auf der Werft der
„Vulkan“ in Bredow bei Stettin erbaute „Auguſta Viktoria“ des
Hamburg-Amerikaniſchen Paketfahrt-Aktiengeſellſchaft.

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[788/0806] Der Verkehr zu Waſſer. Eine große Umwälzung auf dem Gebiete des Schiffsbaues brachte die Einführung der Schiffsſchraube oder Propellerſchraube als Erſatz des Schaufelrades. Als Erfinder derſelben werden genannt der Öſterreicher Joſeph Reſſel, der bereits im Jahre 1812 dieſelbe zuerſt praktiſch angewendet haben ſoll. Auch der Amerikaner Ericſon wird häufig als Erfinder oder doch als glücklicher Verbeſſerer des Schrauben- propellers genannt. Das erſte Schraubenſchiff gebaut und ſeetüchtig fertiggeſtellt zu haben, dieſes Verdienſt gebührt dem Engländer Smith, welcher im Jahre 1838 mit dem Dampfer „Archimedes“ die Küſte Englands befuhr. Die erſte bahnbrechende Anwendung der Schiffs- ſchraube erfolgte im Jahre 1847. In Fig. 438 geben wir die Anſicht eines Schraubendampfers; das den Dampfer ausnehmende Dock iſt von der bekannten Hoppeſchen Maſchinenfabrik in Berlin erbaut. Die Wirkung einer Schiffsſchraube iſt die gleiche, wie diejenige einer gewöhnlichen in ihrer Mutter gedrehten Schraube, nur daß an die Stelle der Mutter das Waſſer tritt. Hält man die Mutter einer Schraube feſt und dreht man gleichzeitig die Schraube, ſo ſchraubt ſich die Schraube je nach der ihr erteilten Drehrichtung aus der Mutter hinaus oder in dieſelbe hinein. Das gleiche geſchieht bei der Schiffsſchraube; je nach der ihr von der Schiffsmaſchine erteilten Drehung treibt ſie das Schiff im Waſſer, welches, wie oben erwähnt, die Stelle der Mutter einnimmt, nach vorwärts oder nach rückwärts. Die Vorzüge, welche die Schraube vor dem Ruderrade auszeichnen, ſind ſehr weſentliche und ſchwerwiegende; dieſelben haben es bewirkt, daß die Raddampfer aus dem transatlantiſchen Verkehr gänzlich verſchwunden ſind. In der neueren Zeit verwendet man häufig zwei Schrauben, deren eine rechts, deren andere links von der Längsachſe des Schiffes an- geordnet iſt. Derartige Doppelſchraubenſchiffe ſind beſonders bei den Kriegsflotten anzufinden, da ſie eine ſehr hohe Manövrierfähigkeit beſitzen. Was die oben erwähnten Vorzüge der Schiffsſchraube betrifft, ſo beſtehen dieſelben im weſentlichen in folgendem: Die Breite des Schiffes iſt eine bei weitem geringere als bei Verwendung von Schaufelrädern. Die Schraube liegt ſtets geſchützt im Waſſer, ein Umſtand, der nament- lich bei Kriegsſchiffen von der größten Bedeutung iſt. Der Gang des Schiffes iſt ein ſehr ruhiger. Bei hoher See tritt bei ſtarken Schwankungen des Schiffes häufig das eine der beiden Schaufelräder aus dem Waſſer heraus, wodurch eine ſehr ungünſtige einſeitige In- anſpruchnahme der Dampfmaſchine eintritt; dieſer Übelſtand fällt bei der Schraube fort. Endlich liegt der Schwerpunkt der Schrauben- dampfer tiefer als der der Raddampfer, ſo daß jene nicht ſo leicht von hoher See zum Kentern gebracht werden können. Als Beiſpiel eines modernen transatlantiſchen Doppelſchrauben- ſchnelldampfers bringen wir in Fig. 439 die auf der Werft der „Vulkan“ in Bredow bei Stettin erbaute „Auguſta Viktoria“ des Hamburg-Amerikaniſchen Paketfahrt-Aktiengeſellſchaft.

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 788. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/806>, abgerufen am 23.11.2024.