um den Zug nebst der Lokomotive vorwärts zu bewegen, die sogenannte Zugkraft, größer ist als die Reibung der Triebräder der Maschine auf den Schienen. Um also größere Steigungen mittels Eisenbahnen zu überwinden, muß die Reibung der Maschinenräder auf den Schienen, die Adhäsion, vermehrt werden, und bedient man sich hierzu des Zahnstangenbetriebes, bei welchem ein Zahnrad in eine zwischen den Schienen angeordnete Zahnstange eingreift und auf diese Weise die Steigung sozusagen erklimmt.
Wenngleich erst die neueste Zeit eine durchschlagende Entwickelung des Zahnradbetriebes gebracht hat, so ist letzterer doch bereits im Jahre 1812 auf einer Kohlenbahn in der Nähe von Leeds, durch Blenkinsop zur Anwendung gelangt. Auch in Amerika wurde vom Jahre 1848 ab während einiger Zeit durch die Madison Indiano- polis Railway eine kurze Strecke von 1 : 17 Steigung mit Zahnrad- lokomotiven betrieben. Am bekanntesten wurde das Zahnradbahn- system zuerst durch die im Jahre 1871 eröffnete Rigibahn mit einer Maximalsteigung von 1:4 und einer Durchschnittssteigung von 1:5. In der Folge hat sich das System immer mehr verbreitet und z. B. im Harz, am Niederwald, am Drachenfels Anwendung ge- funden. Bei den ersten dieser Bahnen ist das System Riggenbach benutzt, bei welchem das Triebrad sich um eine horizontale Achse dreht und in eine leiterförmige Zahnstange eingreift. In neuerer Zeit hat das System Abt die Aufmerksamkeit der Fachleute erregt; bei diesem ist die Zahnstange aus drei einzelnen Stangen zusammengesetzt, welche um 1/3 der Zahnteilung gegeneinander versetzt sind; hierdurch wird in- sofern die Sicherheit bedeutend gehoben, als ein längerer Eingriff er- zielt wird. Beide Systeme, Riggenbach wie Abt, erfahren jedoch da- durch eine Beschränkung ihrer Anwendbarkeit, daß bei außerordentlichen Steigungen alsbald das Zahntriebrad durch den aufwärts wirkenden Zahndruck außer Eingriff gebracht, letzterer also aufgehoben wird.
Von ganz besonderem Interesse ist die Bahn des Oberst Locher, welche vom Ufer des Vierwaldstädter Sees mit einer Maximalsteigung von fast 1:2 und einer mittleren Steigung von 1:21/2 bis auf 53 m unterhalb der Spitze des 2123 m hohen Pilatusberges emporsteigt.
Die Hälfte der Bahn, welche insgesamt 7 Tunnel von 10 bis 97 m Länge aufweist, liegt in Krümmungen von 80 bis 100 m Radius. Die Spurweite beträgt 80 cm. Um das tote Gewicht der Fahrzeuge auf das Geringstmaß zu beschränken, ist die Lokomotive, wie Fig. 429 zeigt, mit dem 32 Personen fassenden Wagen vereinigt; das so ge- bildete Fahrzeug hat im belasteten Zustande ein Gewicht von 10,5 t. Die aus Martinflußeisen in Stücken von 3 m hergestellte Zahnstange ist, wie aus Fig. 429 zu ersehen ist, nicht mit einer nach oben ge- richteten Verzahnung, sondern nach beiden Seiten hin mit Zähnen von 85,7 mm Teilung und 40 mm Breite versehen. Es greift also nicht wie bei den Systemen von Riggenbach und Abt ein einziges Zahnrad
Das Buch der Erfindungen. 49
Außergewöhnliche Eiſenbahnſyſteme.
um den Zug nebſt der Lokomotive vorwärts zu bewegen, die ſogenannte Zugkraft, größer iſt als die Reibung der Triebräder der Maſchine auf den Schienen. Um alſo größere Steigungen mittels Eiſenbahnen zu überwinden, muß die Reibung der Maſchinenräder auf den Schienen, die Adhäſion, vermehrt werden, und bedient man ſich hierzu des Zahnſtangenbetriebes, bei welchem ein Zahnrad in eine zwiſchen den Schienen angeordnete Zahnſtange eingreift und auf dieſe Weiſe die Steigung ſozuſagen erklimmt.
Wenngleich erſt die neueſte Zeit eine durchſchlagende Entwickelung des Zahnradbetriebes gebracht hat, ſo iſt letzterer doch bereits im Jahre 1812 auf einer Kohlenbahn in der Nähe von Leeds, durch Blenkinſop zur Anwendung gelangt. Auch in Amerika wurde vom Jahre 1848 ab während einiger Zeit durch die Madiſon Indiano- polis Railway eine kurze Strecke von 1 : 17 Steigung mit Zahnrad- lokomotiven betrieben. Am bekannteſten wurde das Zahnradbahn- ſyſtem zuerſt durch die im Jahre 1871 eröffnete Rigibahn mit einer Maximalſteigung von 1:4 und einer Durchſchnittsſteigung von 1:5. In der Folge hat ſich das Syſtem immer mehr verbreitet und z. B. im Harz, am Niederwald, am Drachenfels Anwendung ge- funden. Bei den erſten dieſer Bahnen iſt das Syſtem Riggenbach benutzt, bei welchem das Triebrad ſich um eine horizontale Achſe dreht und in eine leiterförmige Zahnſtange eingreift. In neuerer Zeit hat das Syſtem Abt die Aufmerkſamkeit der Fachleute erregt; bei dieſem iſt die Zahnſtange aus drei einzelnen Stangen zuſammengeſetzt, welche um ⅓ der Zahnteilung gegeneinander verſetzt ſind; hierdurch wird in- ſofern die Sicherheit bedeutend gehoben, als ein längerer Eingriff er- zielt wird. Beide Syſteme, Riggenbach wie Abt, erfahren jedoch da- durch eine Beſchränkung ihrer Anwendbarkeit, daß bei außerordentlichen Steigungen alsbald das Zahntriebrad durch den aufwärts wirkenden Zahndruck außer Eingriff gebracht, letzterer alſo aufgehoben wird.
Von ganz beſonderem Intereſſe iſt die Bahn des Oberſt Locher, welche vom Ufer des Vierwaldſtädter Sees mit einer Maximalſteigung von faſt 1:2 und einer mittleren Steigung von 1:2½ bis auf 53 m unterhalb der Spitze des 2123 m hohen Pilatusberges emporſteigt.
Die Hälfte der Bahn, welche insgeſamt 7 Tunnel von 10 bis 97 m Länge aufweiſt, liegt in Krümmungen von 80 bis 100 m Radius. Die Spurweite beträgt 80 cm. Um das tote Gewicht der Fahrzeuge auf das Geringſtmaß zu beſchränken, iſt die Lokomotive, wie Fig. 429 zeigt, mit dem 32 Perſonen faſſenden Wagen vereinigt; das ſo ge- bildete Fahrzeug hat im belaſteten Zuſtande ein Gewicht von 10,5 t. Die aus Martinflußeiſen in Stücken von 3 m hergeſtellte Zahnſtange iſt, wie aus Fig. 429 zu erſehen iſt, nicht mit einer nach oben ge- richteten Verzahnung, ſondern nach beiden Seiten hin mit Zähnen von 85,7 mm Teilung und 40 mm Breite verſehen. Es greift alſo nicht wie bei den Syſtemen von Riggenbach und Abt ein einziges Zahnrad
Das Buch der Erfindungen. 49
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Außergewöhnliche Eiſenbahnſyſteme.
um den Zug nebſt der Lokomotive vorwärts zu bewegen, die ſogenannte
Zugkraft, größer iſt als die Reibung der Triebräder der Maſchine
auf den Schienen. Um alſo größere Steigungen mittels Eiſenbahnen
zu überwinden, muß die Reibung der Maſchinenräder auf den Schienen,
die Adhäſion, vermehrt werden, und bedient man ſich hierzu des
Zahnſtangenbetriebes, bei welchem ein Zahnrad in eine zwiſchen den
Schienen angeordnete Zahnſtange eingreift und auf dieſe Weiſe die
Steigung ſozuſagen erklimmt.
Wenngleich erſt die neueſte Zeit eine durchſchlagende Entwickelung
des Zahnradbetriebes gebracht hat, ſo iſt letzterer doch bereits im
Jahre 1812 auf einer Kohlenbahn in der Nähe von Leeds, durch
Blenkinſop zur Anwendung gelangt. Auch in Amerika wurde vom
Jahre 1848 ab während einiger Zeit durch die Madiſon Indiano-
polis Railway eine kurze Strecke von 1 : 17 Steigung mit Zahnrad-
lokomotiven betrieben. Am bekannteſten wurde das Zahnradbahn-
ſyſtem zuerſt durch die im Jahre 1871 eröffnete Rigibahn mit
einer Maximalſteigung von 1:4 und einer Durchſchnittsſteigung von
1:5. In der Folge hat ſich das Syſtem immer mehr verbreitet und
z. B. im Harz, am Niederwald, am Drachenfels Anwendung ge-
funden. Bei den erſten dieſer Bahnen iſt das Syſtem Riggenbach
benutzt, bei welchem das Triebrad ſich um eine horizontale Achſe dreht
und in eine leiterförmige Zahnſtange eingreift. In neuerer Zeit hat
das Syſtem Abt die Aufmerkſamkeit der Fachleute erregt; bei dieſem
iſt die Zahnſtange aus drei einzelnen Stangen zuſammengeſetzt, welche
um ⅓ der Zahnteilung gegeneinander verſetzt ſind; hierdurch wird in-
ſofern die Sicherheit bedeutend gehoben, als ein längerer Eingriff er-
zielt wird. Beide Syſteme, Riggenbach wie Abt, erfahren jedoch da-
durch eine Beſchränkung ihrer Anwendbarkeit, daß bei außerordentlichen
Steigungen alsbald das Zahntriebrad durch den aufwärts wirkenden
Zahndruck außer Eingriff gebracht, letzterer alſo aufgehoben wird.
Von ganz beſonderem Intereſſe iſt die Bahn des Oberſt Locher,
welche vom Ufer des Vierwaldſtädter Sees mit einer Maximalſteigung
von faſt 1:2 und einer mittleren Steigung von 1:2½ bis auf 53 m
unterhalb der Spitze des 2123 m hohen Pilatusberges emporſteigt.
Die Hälfte der Bahn, welche insgeſamt 7 Tunnel von 10 bis
97 m Länge aufweiſt, liegt in Krümmungen von 80 bis 100 m Radius.
Die Spurweite beträgt 80 cm. Um das tote Gewicht der Fahrzeuge
auf das Geringſtmaß zu beſchränken, iſt die Lokomotive, wie Fig. 429
zeigt, mit dem 32 Perſonen faſſenden Wagen vereinigt; das ſo ge-
bildete Fahrzeug hat im belaſteten Zuſtande ein Gewicht von 10,5 t.
Die aus Martinflußeiſen in Stücken von 3 m hergeſtellte Zahnſtange
iſt, wie aus Fig. 429 zu erſehen iſt, nicht mit einer nach oben ge-
richteten Verzahnung, ſondern nach beiden Seiten hin mit Zähnen von
85,7 mm Teilung und 40 mm Breite verſehen. Es greift alſo nicht
wie bei den Syſtemen von Riggenbach und Abt ein einziges Zahnrad
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 769. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/787>, abgerufen am 25.11.2024.
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