schwere geheizte Walzen, Stampfen und nach Art der Bügeleisen ein- gerichtete Werkzeuge erfolgt.
Wenngleich die rastlos an der Zerstörung des Hergebrachten arbeitenden Eisenbahnen von Jahr zu Jahr die Bedeutung der gewöhn- lichen Heerstraßen zurückdrängen, so wird dadurch die Bewunderung, welche wir den Erbauern der alten, die gewaltigen Hindernisse der Ge- birge mit den einfachsten Mitteln überwindenden Straßen schuldig sind, in keiner Weise beeinträchtigt. Im Gegenteil: was jene mit den primitivsten Hilfsmitteln ausführten, stellt sich hinsichtlich der Schwierig- keit der Ausführung den modernen Eisenbahnbauten, welche die die Völker trennenden Gebirge durchqueren, würdig zur Seite. Wir er- wähnen nur die großartigen Straßen, welche von unseren Vorfahren über den St. Gotthard, den Simplon, den Bernhardiner und den Splügen geführt wurden.
2. Die von Zugtieren bewegten Jahrzeuge.
Das älteste Mittel, um einen Gegenstand von einem zum andern Orte, sei es auf einem geebneten Wege, sei es ohne Benutzung von Weg und Steg zu befördern, ist der Schlitten oder die Schleife. Die hierbei in sehr starkem Maße auftretende Reibung und die infolge dessen erforderliche Anwendung einer großen Zugkraft ließen schon früh auf Mittel und Wege sinnen, den Transport zu erleichtern. So kam man zunächst auf den Gedanken, zwischen die Schlittenkufen und die Fahr- bahn Rollen einzulegen und auf diesen den Schlitten vorwärts zu ziehen; hierdurch war die gleitende Reibung in die erheblich weniger hinderliche rollende Reibung verwandelt, mithin ein außerordentlicher Fortschritt erzielt. Diese erste Einfügung der Rolle in das Verkehrs- wesen dürfte, so geringfügig dieselbe dem Laien erscheinen mag, zu den größten Erfindungen zu zählen sein, die jemals dem Haupte eines Sterblichen entsprangen. Derartiger Erfindungen, welche man heut zu Tage geneigt ist, als selbstverständlich anzusehen, giebt es noch eine große Zahl. Lazarus Geiger bringt dieses an einem anderen Gegen- stande, dem Hammer, in seinen "Vorträgen zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit" sehr treffend mit folgenden Worten zum Ausdruck: "So groß der Gegensatz einer Dampfmaschine unserer Tage mit dem ältesten Steinhammer immer sein mag, dasjenige Geschöpf, welches zuerst seine Hand mit einem solchen Hammer bewaffnete, welches vielleicht einen Fruchtkern zum erstenmal auf diese Weise einer harten Schale entnommen, es mußte, so scheint es, einen Hauch jenes Geistes in sich verspüren, welcher einen Entdecker unserer Zeit unter dem Aufblitzen eines neuen Gedankens beseelt." Leider ist der Erfinder des auf Rollen bewegten Schlittens ebenso wenig bekannt, wie der Erfinder des Hammers, des Wasserrades, der Windmühle und so vieler anderer grundlegender Konstruktionen.
46*
Der Bau von Straßen und Wegen.
ſchwere geheizte Walzen, Stampfen und nach Art der Bügeleiſen ein- gerichtete Werkzeuge erfolgt.
Wenngleich die raſtlos an der Zerſtörung des Hergebrachten arbeitenden Eiſenbahnen von Jahr zu Jahr die Bedeutung der gewöhn- lichen Heerſtraßen zurückdrängen, ſo wird dadurch die Bewunderung, welche wir den Erbauern der alten, die gewaltigen Hinderniſſe der Ge- birge mit den einfachſten Mitteln überwindenden Straßen ſchuldig ſind, in keiner Weiſe beeinträchtigt. Im Gegenteil: was jene mit den primitivſten Hilfsmitteln ausführten, ſtellt ſich hinſichtlich der Schwierig- keit der Ausführung den modernen Eiſenbahnbauten, welche die die Völker trennenden Gebirge durchqueren, würdig zur Seite. Wir er- wähnen nur die großartigen Straßen, welche von unſeren Vorfahren über den St. Gotthard, den Simplon, den Bernhardiner und den Splügen geführt wurden.
2. Die von Zugtieren bewegten Jahrzeuge.
Das älteſte Mittel, um einen Gegenſtand von einem zum andern Orte, ſei es auf einem geebneten Wege, ſei es ohne Benutzung von Weg und Steg zu befördern, iſt der Schlitten oder die Schleife. Die hierbei in ſehr ſtarkem Maße auftretende Reibung und die infolge deſſen erforderliche Anwendung einer großen Zugkraft ließen ſchon früh auf Mittel und Wege ſinnen, den Transport zu erleichtern. So kam man zunächſt auf den Gedanken, zwiſchen die Schlittenkufen und die Fahr- bahn Rollen einzulegen und auf dieſen den Schlitten vorwärts zu ziehen; hierdurch war die gleitende Reibung in die erheblich weniger hinderliche rollende Reibung verwandelt, mithin ein außerordentlicher Fortſchritt erzielt. Dieſe erſte Einfügung der Rolle in das Verkehrs- weſen dürfte, ſo geringfügig dieſelbe dem Laien erſcheinen mag, zu den größten Erfindungen zu zählen ſein, die jemals dem Haupte eines Sterblichen entſprangen. Derartiger Erfindungen, welche man heut zu Tage geneigt iſt, als ſelbſtverſtändlich anzuſehen, giebt es noch eine große Zahl. Lazarus Geiger bringt dieſes an einem anderen Gegen- ſtande, dem Hammer, in ſeinen „Vorträgen zur Entwicklungsgeſchichte der Menſchheit“ ſehr treffend mit folgenden Worten zum Ausdruck: „So groß der Gegenſatz einer Dampfmaſchine unſerer Tage mit dem älteſten Steinhammer immer ſein mag, dasjenige Geſchöpf, welches zuerſt ſeine Hand mit einem ſolchen Hammer bewaffnete, welches vielleicht einen Fruchtkern zum erſtenmal auf dieſe Weiſe einer harten Schale entnommen, es mußte, ſo ſcheint es, einen Hauch jenes Geiſtes in ſich verſpüren, welcher einen Entdecker unſerer Zeit unter dem Aufblitzen eines neuen Gedankens beſeelt.“ Leider iſt der Erfinder des auf Rollen bewegten Schlittens ebenſo wenig bekannt, wie der Erfinder des Hammers, des Waſſerrades, der Windmühle und ſo vieler anderer grundlegender Konſtruktionen.
46*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0741"n="723"/><fwplace="top"type="header">Der Bau von Straßen und Wegen.</fw><lb/>ſchwere geheizte Walzen, Stampfen und nach Art der Bügeleiſen ein-<lb/>
gerichtete Werkzeuge erfolgt.</p><lb/><p>Wenngleich die raſtlos an der Zerſtörung des Hergebrachten<lb/>
arbeitenden Eiſenbahnen von Jahr zu Jahr die Bedeutung der gewöhn-<lb/>
lichen Heerſtraßen zurückdrängen, ſo wird dadurch die Bewunderung,<lb/>
welche wir den Erbauern der alten, die gewaltigen Hinderniſſe der Ge-<lb/>
birge mit den einfachſten Mitteln überwindenden Straßen ſchuldig ſind,<lb/>
in keiner Weiſe beeinträchtigt. Im Gegenteil: was jene mit den<lb/>
primitivſten Hilfsmitteln ausführten, ſtellt ſich hinſichtlich der Schwierig-<lb/>
keit der Ausführung den modernen Eiſenbahnbauten, welche die die<lb/>
Völker trennenden Gebirge durchqueren, würdig zur Seite. Wir er-<lb/>
wähnen nur die großartigen Straßen, welche von unſeren Vorfahren<lb/>
über den St. Gotthard, den Simplon, den Bernhardiner und den<lb/>
Splügen geführt wurden.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">2. Die von Zugtieren bewegten Jahrzeuge.</hi></head><lb/><p>Das älteſte Mittel, um einen Gegenſtand von einem zum andern<lb/>
Orte, ſei es auf einem geebneten Wege, ſei es ohne Benutzung von Weg<lb/>
und Steg zu befördern, iſt der Schlitten oder die Schleife. Die hierbei<lb/>
in ſehr ſtarkem Maße auftretende Reibung und die infolge deſſen<lb/>
erforderliche Anwendung einer großen Zugkraft ließen ſchon früh auf<lb/>
Mittel und Wege ſinnen, den Transport zu erleichtern. So kam man<lb/>
zunächſt auf den Gedanken, zwiſchen die Schlittenkufen und die Fahr-<lb/>
bahn Rollen einzulegen und auf dieſen den Schlitten vorwärts zu<lb/>
ziehen; hierdurch war die gleitende Reibung in die erheblich weniger<lb/>
hinderliche rollende Reibung verwandelt, mithin ein außerordentlicher<lb/>
Fortſchritt erzielt. Dieſe erſte Einfügung der Rolle in das Verkehrs-<lb/>
weſen dürfte, ſo geringfügig dieſelbe dem Laien erſcheinen mag, zu<lb/>
den größten Erfindungen zu zählen ſein, die jemals dem Haupte eines<lb/>
Sterblichen entſprangen. Derartiger Erfindungen, welche man heut<lb/>
zu Tage geneigt iſt, als ſelbſtverſtändlich anzuſehen, giebt es noch eine<lb/>
große Zahl. Lazarus Geiger bringt dieſes an einem anderen Gegen-<lb/>ſtande, dem Hammer, in ſeinen „Vorträgen zur Entwicklungsgeſchichte<lb/>
der Menſchheit“ſehr treffend mit folgenden Worten zum Ausdruck:<lb/>„So groß der Gegenſatz einer Dampfmaſchine unſerer Tage mit dem<lb/>
älteſten Steinhammer immer ſein mag, dasjenige Geſchöpf, welches<lb/>
zuerſt ſeine Hand mit einem ſolchen Hammer bewaffnete, welches vielleicht<lb/>
einen Fruchtkern zum erſtenmal auf dieſe Weiſe einer harten Schale<lb/>
entnommen, es mußte, ſo ſcheint es, einen Hauch jenes Geiſtes in<lb/>ſich verſpüren, welcher einen Entdecker unſerer Zeit unter dem Aufblitzen<lb/>
eines neuen Gedankens beſeelt.“ Leider iſt der Erfinder des auf Rollen<lb/>
bewegten Schlittens ebenſo wenig bekannt, wie der Erfinder des Hammers,<lb/>
des Waſſerrades, der Windmühle und ſo vieler anderer grundlegender<lb/>
Konſtruktionen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">46*</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[723/0741]
Der Bau von Straßen und Wegen.
ſchwere geheizte Walzen, Stampfen und nach Art der Bügeleiſen ein-
gerichtete Werkzeuge erfolgt.
Wenngleich die raſtlos an der Zerſtörung des Hergebrachten
arbeitenden Eiſenbahnen von Jahr zu Jahr die Bedeutung der gewöhn-
lichen Heerſtraßen zurückdrängen, ſo wird dadurch die Bewunderung,
welche wir den Erbauern der alten, die gewaltigen Hinderniſſe der Ge-
birge mit den einfachſten Mitteln überwindenden Straßen ſchuldig ſind,
in keiner Weiſe beeinträchtigt. Im Gegenteil: was jene mit den
primitivſten Hilfsmitteln ausführten, ſtellt ſich hinſichtlich der Schwierig-
keit der Ausführung den modernen Eiſenbahnbauten, welche die die
Völker trennenden Gebirge durchqueren, würdig zur Seite. Wir er-
wähnen nur die großartigen Straßen, welche von unſeren Vorfahren
über den St. Gotthard, den Simplon, den Bernhardiner und den
Splügen geführt wurden.
2. Die von Zugtieren bewegten Jahrzeuge.
Das älteſte Mittel, um einen Gegenſtand von einem zum andern
Orte, ſei es auf einem geebneten Wege, ſei es ohne Benutzung von Weg
und Steg zu befördern, iſt der Schlitten oder die Schleife. Die hierbei
in ſehr ſtarkem Maße auftretende Reibung und die infolge deſſen
erforderliche Anwendung einer großen Zugkraft ließen ſchon früh auf
Mittel und Wege ſinnen, den Transport zu erleichtern. So kam man
zunächſt auf den Gedanken, zwiſchen die Schlittenkufen und die Fahr-
bahn Rollen einzulegen und auf dieſen den Schlitten vorwärts zu
ziehen; hierdurch war die gleitende Reibung in die erheblich weniger
hinderliche rollende Reibung verwandelt, mithin ein außerordentlicher
Fortſchritt erzielt. Dieſe erſte Einfügung der Rolle in das Verkehrs-
weſen dürfte, ſo geringfügig dieſelbe dem Laien erſcheinen mag, zu
den größten Erfindungen zu zählen ſein, die jemals dem Haupte eines
Sterblichen entſprangen. Derartiger Erfindungen, welche man heut
zu Tage geneigt iſt, als ſelbſtverſtändlich anzuſehen, giebt es noch eine
große Zahl. Lazarus Geiger bringt dieſes an einem anderen Gegen-
ſtande, dem Hammer, in ſeinen „Vorträgen zur Entwicklungsgeſchichte
der Menſchheit“ ſehr treffend mit folgenden Worten zum Ausdruck:
„So groß der Gegenſatz einer Dampfmaſchine unſerer Tage mit dem
älteſten Steinhammer immer ſein mag, dasjenige Geſchöpf, welches
zuerſt ſeine Hand mit einem ſolchen Hammer bewaffnete, welches vielleicht
einen Fruchtkern zum erſtenmal auf dieſe Weiſe einer harten Schale
entnommen, es mußte, ſo ſcheint es, einen Hauch jenes Geiſtes in
ſich verſpüren, welcher einen Entdecker unſerer Zeit unter dem Aufblitzen
eines neuen Gedankens beſeelt.“ Leider iſt der Erfinder des auf Rollen
bewegten Schlittens ebenſo wenig bekannt, wie der Erfinder des Hammers,
des Waſſerrades, der Windmühle und ſo vieler anderer grundlegender
Konſtruktionen.
46*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/741>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.