halb Stunden etwa werden alle Krüge in eine große Kufe mit Wasser entleert; das Öl sinkt zu Boden, wird abgezogen und in schwingenden Bottichen zuerst mit Wasser, endlich mit Sodalösung sorgfältig ge- waschen. Dann schafft man es in Krüge, in denen es drei Tage ver- bleibt; während dieser Zeit steigen alle Verunreinigungen an die Ober- fläche und werden abgeschöpft. Das so gewonnene reine Sprengöl ist farblos, giftig, durch Entzündung brennbar; bei rascher Erhitzung, sowie durch Schlag und Stoß explodiert es mit furchtbarer Gewalt. Es gefriert schon bei 8° C. und ist in diesem Zustande vollkommen un- gefährlich, so daß man es gefroren versenden kann, vorausgesetzt natürlich, daß man ein ganz reines Produkt hat. Zum Auftauen verwendet man Wasser von etwa 30° C., mit welchem man die Versand- gefäße, in der Regel Blechkannen, umgiebt; jede andere Art bringt die größten Gefahren mit sich und ist in der Regel die Veranlassung zu den vielen schon vorgekommenen Unglücksfällen gewesen. Kurtz in Köln hat ein Verfahren angegeben, welches ebenso gutes Sprengöl erzielt, wie das Mowbraysche, so daß heute die deutsche Fabrikation auch in dieser Be- ziehung auf der Höhe der Situation steht. Unreines Sprengöl ist ein höchst gefährlicher Körper, weil es leicht Zersetzungen unterliegt, in deren Gefolge Explosionen auftreten können. Die Explosionsgase bestehen aus Kohlensäure, Wasserdampf, Stickstoff und Sauerstoff; die Kraft der Ex- plosion ist 13mal so stark, wie die eines gleichen Volums Pulver und mehr als doppelt so stark wie die eines gleichen Gewichts Schießwolle.
Man benutzt das Nitroglycerin, dessen Transport in Deutschland ganz verboten ist, gar nicht mehr zu Sprengzwecken, seitdem man es durch das weit ungefährlichere Dynamit ersetzt hat. Die letztere Be- zeichnung erstreckt sich aber im allgemeinen nicht auf einen bestimmten Sprengstoff, sondern auf eine ganze Gruppe solcher, welche durch Auf- saugung von Nitroglycerin vermittelst aller möglichen anderen Stoffe erhalten werden. Der Aufsaugestoff ist entweder indifferent, wie beim gewöhnlichen Kieselgurdynamit, oder er besteht selbst aus einem Sprengstoff. Hieraus ergeben sich eine große Menge neuer Spreng- stoffe, von denen hier nur die wichtigsten erwähnt werden können. Das gewöhnliche Kieselgurdynamit wird durch Mengen mit der Hand hergestellt, obgleich die Gesundheit der Arbeiter dabei leidet. Die weißen Quarzsandlager der Lüneburger Heide werden seit einigen Jahren für die Dynamitfabrikation ausgebeutet. Die gewöhnlichen Dynamitpatronen haben 3--10 cm Länge bei 2 cm Dicke; die Zündung geschieht mittelst einer Sprengkapsel und Zündschnur, der Gehalt an Nitroglycerin beträgt 75 %. Durch Feuer explodiert Dynamit nicht, wohl aber durch sehr harte Stöße. Unter 8° C. wird es hart und muß unter denselben Vorsichtsmaßregeln wie Nitroglycerin aufgetaut werden. Man kennt kein Sprengmittel, welches in der Technik in solchem Umfange angewendet wird; ja auch bei dem Minenkriege zu Lande braucht man es häufiger, als Schießwolle.
Die Sprengſtoffe und ihre Verwendung.
halb Stunden etwa werden alle Krüge in eine große Kufe mit Waſſer entleert; das Öl ſinkt zu Boden, wird abgezogen und in ſchwingenden Bottichen zuerſt mit Waſſer, endlich mit Sodalöſung ſorgfältig ge- waſchen. Dann ſchafft man es in Krüge, in denen es drei Tage ver- bleibt; während dieſer Zeit ſteigen alle Verunreinigungen an die Ober- fläche und werden abgeſchöpft. Das ſo gewonnene reine Sprengöl iſt farblos, giftig, durch Entzündung brennbar; bei raſcher Erhitzung, ſowie durch Schlag und Stoß explodiert es mit furchtbarer Gewalt. Es gefriert ſchon bei 8° C. und iſt in dieſem Zuſtande vollkommen un- gefährlich, ſo daß man es gefroren verſenden kann, vorausgeſetzt natürlich, daß man ein ganz reines Produkt hat. Zum Auftauen verwendet man Waſſer von etwa 30° C., mit welchem man die Verſand- gefäße, in der Regel Blechkannen, umgiebt; jede andere Art bringt die größten Gefahren mit ſich und iſt in der Regel die Veranlaſſung zu den vielen ſchon vorgekommenen Unglücksfällen geweſen. Kurtz in Köln hat ein Verfahren angegeben, welches ebenſo gutes Sprengöl erzielt, wie das Mowbrayſche, ſo daß heute die deutſche Fabrikation auch in dieſer Be- ziehung auf der Höhe der Situation ſteht. Unreines Sprengöl iſt ein höchſt gefährlicher Körper, weil es leicht Zerſetzungen unterliegt, in deren Gefolge Exploſionen auftreten können. Die Exploſionsgaſe beſtehen aus Kohlenſäure, Waſſerdampf, Stickſtoff und Sauerſtoff; die Kraft der Ex- ploſion iſt 13mal ſo ſtark, wie die eines gleichen Volums Pulver und mehr als doppelt ſo ſtark wie die eines gleichen Gewichts Schießwolle.
Man benutzt das Nitroglycerin, deſſen Transport in Deutſchland ganz verboten iſt, gar nicht mehr zu Sprengzwecken, ſeitdem man es durch das weit ungefährlichere Dynamit erſetzt hat. Die letztere Be- zeichnung erſtreckt ſich aber im allgemeinen nicht auf einen beſtimmten Sprengſtoff, ſondern auf eine ganze Gruppe ſolcher, welche durch Auf- ſaugung von Nitroglycerin vermittelſt aller möglichen anderen Stoffe erhalten werden. Der Aufſaugeſtoff iſt entweder indifferent, wie beim gewöhnlichen Kieſelgurdynamit, oder er beſteht ſelbſt aus einem Sprengſtoff. Hieraus ergeben ſich eine große Menge neuer Spreng- ſtoffe, von denen hier nur die wichtigſten erwähnt werden können. Das gewöhnliche Kieſelgurdynamit wird durch Mengen mit der Hand hergeſtellt, obgleich die Geſundheit der Arbeiter dabei leidet. Die weißen Quarzſandlager der Lüneburger Heide werden ſeit einigen Jahren für die Dynamitfabrikation ausgebeutet. Die gewöhnlichen Dynamitpatronen haben 3—10 cm Länge bei 2 cm Dicke; die Zündung geſchieht mittelſt einer Sprengkapſel und Zündſchnur, der Gehalt an Nitroglycerin beträgt 75 %. Durch Feuer explodiert Dynamit nicht, wohl aber durch ſehr harte Stöße. Unter 8° C. wird es hart und muß unter denſelben Vorſichtsmaßregeln wie Nitroglycerin aufgetaut werden. Man kennt kein Sprengmittel, welches in der Technik in ſolchem Umfange angewendet wird; ja auch bei dem Minenkriege zu Lande braucht man es häufiger, als Schießwolle.
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[714/0732]
Die Sprengſtoffe und ihre Verwendung.
halb Stunden etwa werden alle Krüge in eine große Kufe mit Waſſer
entleert; das Öl ſinkt zu Boden, wird abgezogen und in ſchwingenden
Bottichen zuerſt mit Waſſer, endlich mit Sodalöſung ſorgfältig ge-
waſchen. Dann ſchafft man es in Krüge, in denen es drei Tage ver-
bleibt; während dieſer Zeit ſteigen alle Verunreinigungen an die Ober-
fläche und werden abgeſchöpft. Das ſo gewonnene reine Sprengöl iſt
farblos, giftig, durch Entzündung brennbar; bei raſcher Erhitzung,
ſowie durch Schlag und Stoß explodiert es mit furchtbarer Gewalt.
Es gefriert ſchon bei 8° C. und iſt in dieſem Zuſtande vollkommen un-
gefährlich, ſo daß man es gefroren verſenden kann, vorausgeſetzt
natürlich, daß man ein ganz reines Produkt hat. Zum Auftauen
verwendet man Waſſer von etwa 30° C., mit welchem man die Verſand-
gefäße, in der Regel Blechkannen, umgiebt; jede andere Art bringt die
größten Gefahren mit ſich und iſt in der Regel die Veranlaſſung zu den
vielen ſchon vorgekommenen Unglücksfällen geweſen. Kurtz in Köln hat
ein Verfahren angegeben, welches ebenſo gutes Sprengöl erzielt, wie das
Mowbrayſche, ſo daß heute die deutſche Fabrikation auch in dieſer Be-
ziehung auf der Höhe der Situation ſteht. Unreines Sprengöl iſt ein
höchſt gefährlicher Körper, weil es leicht Zerſetzungen unterliegt, in deren
Gefolge Exploſionen auftreten können. Die Exploſionsgaſe beſtehen aus
Kohlenſäure, Waſſerdampf, Stickſtoff und Sauerſtoff; die Kraft der Ex-
ploſion iſt 13mal ſo ſtark, wie die eines gleichen Volums Pulver und
mehr als doppelt ſo ſtark wie die eines gleichen Gewichts Schießwolle.
Man benutzt das Nitroglycerin, deſſen Transport in Deutſchland
ganz verboten iſt, gar nicht mehr zu Sprengzwecken, ſeitdem man es
durch das weit ungefährlichere Dynamit erſetzt hat. Die letztere Be-
zeichnung erſtreckt ſich aber im allgemeinen nicht auf einen beſtimmten
Sprengſtoff, ſondern auf eine ganze Gruppe ſolcher, welche durch Auf-
ſaugung von Nitroglycerin vermittelſt aller möglichen anderen Stoffe
erhalten werden. Der Aufſaugeſtoff iſt entweder indifferent, wie beim
gewöhnlichen Kieſelgurdynamit, oder er beſteht ſelbſt aus einem
Sprengſtoff. Hieraus ergeben ſich eine große Menge neuer Spreng-
ſtoffe, von denen hier nur die wichtigſten erwähnt werden können.
Das gewöhnliche Kieſelgurdynamit wird durch Mengen mit der Hand
hergeſtellt, obgleich die Geſundheit der Arbeiter dabei leidet. Die
weißen Quarzſandlager der Lüneburger Heide werden ſeit einigen
Jahren für die Dynamitfabrikation ausgebeutet. Die gewöhnlichen
Dynamitpatronen haben 3—10 cm Länge bei 2 cm Dicke; die Zündung
geſchieht mittelſt einer Sprengkapſel und Zündſchnur, der Gehalt an
Nitroglycerin beträgt 75 %. Durch Feuer explodiert Dynamit nicht,
wohl aber durch ſehr harte Stöße. Unter 8° C. wird es hart und
muß unter denſelben Vorſichtsmaßregeln wie Nitroglycerin aufgetaut
werden. Man kennt kein Sprengmittel, welches in der Technik in ſolchem
Umfange angewendet wird; ja auch bei dem Minenkriege zu Lande
braucht man es häufiger, als Schießwolle.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/732>, abgerufen am 22.11.2024.
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