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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Schießpulver.
und dergleichen, an eine Pulverfabrik auf das sorgfältigste vermieden
werden muß, ist selbstverständlich.

Um die Wirkungsweise des Schießpulvers kurz erklären zu können,
müssen wir an dieser Stelle auf diejenigen Ausführungen verweisen,
welche über die Entzündung explosiver Gasgemische in dem Kapitel
"Beleuchtung und Heizung" (S. 283) gegeben sind. Wir haben näm-
lich bei dem Pulver einen ganz ähnlichen Fall, wie beispielsweise dort
bei der Verbrennung eines Gemenges von Wasserstoff und Sauerstoff.
Auch hier sind zwei leicht entzündbare Substanzen, Kohle und Schwefel,
mit einem außerordentlich viel Sauerstoff enthaltenden Körper, dem
Salpeter, innig gemengt, so daß bei einem geringen äußeren Anstoß,
z. B. bei der Entzündung, plötzlich das Gemenge sich chemisch zersetzt
und eine derartige Wärme frei macht, daß die Produkte der Zersetzung,
welche im wesentlichen aus Gasen bestehen, auf das heftigste ausge-
dehnt und gewaltsam auseinander getrieben werden. Es entsteht also
ganz unvermittelt ein überaus hoher Gasdruck auf die Umgebung der
Ladung, welcher sich als Explosion oder Detonation äußert. Ist die
Ladung von allen Seiten von Wänden eingeschlossen, so werden diese
verschoben oder zertrümmert werden, und zwar offenbar dort am
meisten, wo sie den geringsten Widerstand leisten. So wirkt das Pulver
in der That; nur fest eingeschlossen äußert es seine volle Energie.
Dagegen finden wir, daß es frei daliegend bei der Entzündung nur
schwach verpufft und keine mechanische Wirkung zeigt. Es erklärt sich
dies einfach dadurch, daß die Luft, als ein überaus elastischer Körper,
dem Gasdruck nach oben zu mit der größten Leichtigkeit ausweicht, so
daß auf die Unterlage so gut wie gar keine Wirkung ausgeübt wird;
vorausgesetzt muß hierbei natürlich werden, daß das Abbrennen des
Pulvers so langsam erfolgt, daß die Luft Zeit hat auszuweichen.
Wäre dies nicht der Fall, so würde die Wirkung nach unten um so
stärker sein, je weniger die Luft dem Explosionsstoß auswiche. In
der That haben eingehende Untersuchungen gezeigt, daß die Ver-
brennungsgeschwindigkeit des Pulvers, verglichen mit derjenigen der
neueren Sprengstoffe eine verhältnismäßig sehr geringe ist; sie beträgt
z. B. nur den 500. Teil derjenigen, welche die Schießbaumwolle ent-
wickelt.

Was den chemischen Prozeß beim Abbrennen des Pulvers betrifft,
so ist derselbe höchst kompliziert, und man hat ihn bisher trotz ein-
gehender Versuche noch nicht völlig erforschen können. Es ist nur das
unzweifelhaft festgestellt, daß die gasförmigen Zersetzungsprodukte im
wesentlichen aus Stickstoff und Kohlensäure bestehen. Das Volumen der
Gasmenge von 1 gr Schießpulver, reduziert auf 0°C. und 760 mm
Luftdruck beträgt nach der allgemeinen Annahme 331 ccm; aber sowohl
Bunsen als auch Nobel und Abel, von welchen sich besonders die
beiden letzteren sehr große Verdienste um die Untersuchung der Spreng-
stoffe erworben haben, haben kleinere Zahlen gefunden (193 resp.

Das Schießpulver.
und dergleichen, an eine Pulverfabrik auf das ſorgfältigſte vermieden
werden muß, iſt ſelbſtverſtändlich.

Um die Wirkungsweiſe des Schießpulvers kurz erklären zu können,
müſſen wir an dieſer Stelle auf diejenigen Ausführungen verweiſen,
welche über die Entzündung exploſiver Gasgemiſche in dem Kapitel
„Beleuchtung und Heizung“ (S. 283) gegeben ſind. Wir haben näm-
lich bei dem Pulver einen ganz ähnlichen Fall, wie beiſpielsweiſe dort
bei der Verbrennung eines Gemenges von Waſſerſtoff und Sauerſtoff.
Auch hier ſind zwei leicht entzündbare Subſtanzen, Kohle und Schwefel,
mit einem außerordentlich viel Sauerſtoff enthaltenden Körper, dem
Salpeter, innig gemengt, ſo daß bei einem geringen äußeren Anſtoß,
z. B. bei der Entzündung, plötzlich das Gemenge ſich chemiſch zerſetzt
und eine derartige Wärme frei macht, daß die Produkte der Zerſetzung,
welche im weſentlichen aus Gaſen beſtehen, auf das heftigſte ausge-
dehnt und gewaltſam auseinander getrieben werden. Es entſteht alſo
ganz unvermittelt ein überaus hoher Gasdruck auf die Umgebung der
Ladung, welcher ſich als Exploſion oder Detonation äußert. Iſt die
Ladung von allen Seiten von Wänden eingeſchloſſen, ſo werden dieſe
verſchoben oder zertrümmert werden, und zwar offenbar dort am
meiſten, wo ſie den geringſten Widerſtand leiſten. So wirkt das Pulver
in der That; nur feſt eingeſchloſſen äußert es ſeine volle Energie.
Dagegen finden wir, daß es frei daliegend bei der Entzündung nur
ſchwach verpufft und keine mechaniſche Wirkung zeigt. Es erklärt ſich
dies einfach dadurch, daß die Luft, als ein überaus elaſtiſcher Körper,
dem Gasdruck nach oben zu mit der größten Leichtigkeit ausweicht, ſo
daß auf die Unterlage ſo gut wie gar keine Wirkung ausgeübt wird;
vorausgeſetzt muß hierbei natürlich werden, daß das Abbrennen des
Pulvers ſo langſam erfolgt, daß die Luft Zeit hat auszuweichen.
Wäre dies nicht der Fall, ſo würde die Wirkung nach unten um ſo
ſtärker ſein, je weniger die Luft dem Exploſionsſtoß auswiche. In
der That haben eingehende Unterſuchungen gezeigt, daß die Ver-
brennungsgeſchwindigkeit des Pulvers, verglichen mit derjenigen der
neueren Sprengſtoffe eine verhältnismäßig ſehr geringe iſt; ſie beträgt
z. B. nur den 500. Teil derjenigen, welche die Schießbaumwolle ent-
wickelt.

Was den chemiſchen Prozeß beim Abbrennen des Pulvers betrifft,
ſo iſt derſelbe höchſt kompliziert, und man hat ihn bisher trotz ein-
gehender Verſuche noch nicht völlig erforſchen können. Es iſt nur das
unzweifelhaft feſtgeſtellt, daß die gasförmigen Zerſetzungsprodukte im
weſentlichen aus Stickſtoff und Kohlenſäure beſtehen. Das Volumen der
Gasmenge von 1 gr Schießpulver, reduziert auf 0°C. und 760 mm
Luftdruck beträgt nach der allgemeinen Annahme 331 ccm; aber ſowohl
Bunſen als auch Nobel und Abel, von welchen ſich beſonders die
beiden letzteren ſehr große Verdienſte um die Unterſuchung der Spreng-
ſtoffe erworben haben, haben kleinere Zahlen gefunden (193 reſp.

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[699/0717] Das Schießpulver. und dergleichen, an eine Pulverfabrik auf das ſorgfältigſte vermieden werden muß, iſt ſelbſtverſtändlich. Um die Wirkungsweiſe des Schießpulvers kurz erklären zu können, müſſen wir an dieſer Stelle auf diejenigen Ausführungen verweiſen, welche über die Entzündung exploſiver Gasgemiſche in dem Kapitel „Beleuchtung und Heizung“ (S. 283) gegeben ſind. Wir haben näm- lich bei dem Pulver einen ganz ähnlichen Fall, wie beiſpielsweiſe dort bei der Verbrennung eines Gemenges von Waſſerſtoff und Sauerſtoff. Auch hier ſind zwei leicht entzündbare Subſtanzen, Kohle und Schwefel, mit einem außerordentlich viel Sauerſtoff enthaltenden Körper, dem Salpeter, innig gemengt, ſo daß bei einem geringen äußeren Anſtoß, z. B. bei der Entzündung, plötzlich das Gemenge ſich chemiſch zerſetzt und eine derartige Wärme frei macht, daß die Produkte der Zerſetzung, welche im weſentlichen aus Gaſen beſtehen, auf das heftigſte ausge- dehnt und gewaltſam auseinander getrieben werden. Es entſteht alſo ganz unvermittelt ein überaus hoher Gasdruck auf die Umgebung der Ladung, welcher ſich als Exploſion oder Detonation äußert. Iſt die Ladung von allen Seiten von Wänden eingeſchloſſen, ſo werden dieſe verſchoben oder zertrümmert werden, und zwar offenbar dort am meiſten, wo ſie den geringſten Widerſtand leiſten. So wirkt das Pulver in der That; nur feſt eingeſchloſſen äußert es ſeine volle Energie. Dagegen finden wir, daß es frei daliegend bei der Entzündung nur ſchwach verpufft und keine mechaniſche Wirkung zeigt. Es erklärt ſich dies einfach dadurch, daß die Luft, als ein überaus elaſtiſcher Körper, dem Gasdruck nach oben zu mit der größten Leichtigkeit ausweicht, ſo daß auf die Unterlage ſo gut wie gar keine Wirkung ausgeübt wird; vorausgeſetzt muß hierbei natürlich werden, daß das Abbrennen des Pulvers ſo langſam erfolgt, daß die Luft Zeit hat auszuweichen. Wäre dies nicht der Fall, ſo würde die Wirkung nach unten um ſo ſtärker ſein, je weniger die Luft dem Exploſionsſtoß auswiche. In der That haben eingehende Unterſuchungen gezeigt, daß die Ver- brennungsgeſchwindigkeit des Pulvers, verglichen mit derjenigen der neueren Sprengſtoffe eine verhältnismäßig ſehr geringe iſt; ſie beträgt z. B. nur den 500. Teil derjenigen, welche die Schießbaumwolle ent- wickelt. Was den chemiſchen Prozeß beim Abbrennen des Pulvers betrifft, ſo iſt derſelbe höchſt kompliziert, und man hat ihn bisher trotz ein- gehender Verſuche noch nicht völlig erforſchen können. Es iſt nur das unzweifelhaft feſtgeſtellt, daß die gasförmigen Zerſetzungsprodukte im weſentlichen aus Stickſtoff und Kohlenſäure beſtehen. Das Volumen der Gasmenge von 1 gr Schießpulver, reduziert auf 0°C. und 760 mm Luftdruck beträgt nach der allgemeinen Annahme 331 ccm; aber ſowohl Bunſen als auch Nobel und Abel, von welchen ſich beſonders die beiden letzteren ſehr große Verdienſte um die Unterſuchung der Spreng- ſtoffe erworben haben, haben kleinere Zahlen gefunden (193 reſp.

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/717>, abgerufen am 22.11.2024.