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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Metallverarbeitung.
diejenigen, bei denen dies im Ofen selbst geschieht. Leichtflüssige Metalle
kann man ja schon in einem Blechlöffel über einer Spiritusflamme zum
Schmelzen bringen, aber doch nur in geringen Mengen; braucht man
größere Mengen flüssigen Metalls, so wendet man Kessel oder Tiegel
an. Die Schmelzkessel werden meist aus Gußeisen hergestellt, weil dieses
Metall eine bedeutende Wärmeleitungsfähigkeit besitzt und deshalb
wenig Feuerungsmaterial verbraucht. Natürlich kann man in diesen
Kesseln nur solche Metalle flüssig machen, deren Schmelztemperatur
unter der des Gußeisens liegt, also Zinn, Blei, Zink und die Legierungen
dieser drei mit Antimon und Wismut. Die Kessel werden von unten
geheizt und sind entweder mit Handhaben versehen, damit man sie zum
Gebrauche herausnehmen und entleeren kann, oder sie sind fest ein-
gemauert und haben dann unten eine Entleerungsvorrichtung.

Für schwer schmelzbare Metalle benutzt man Tiegel aus Graphit
(Passauer Tiegel) oder aus feuerfestem Thon (hessische Tiegel). Die
Kessel sind meist halbkugelförmig und nur mit einem dünnen Deckel
versehen zum Schutze der Metalle gegen die oxydierenden Wirkungen
der atmosphärischen Luft. Die Tiegel sind längliche, etwas ausge-
bauchte Cylinder und mit einem festaufsitzenden Deckel aus gleichem
Materiale versehen, so daß dieselben von allen Seiten der gleichen
Hitze ausgesetzt werden können. In Tiegeln schmelzt man Gußstahl,

[Abbildung] Fig. 376.

Tiegelschachtofen.

Kupfer, Messing, Nickel, Silber,
Gold u. s. w. Bei Tiegeln wendet
man keine Unterfeuerung an, sondern
umgiebt sie ganz mit dem Feuerungs-
material. Fig. 376 stellt einen Tiegel-
schachtofen dar. C ist eine Roste, auf
welche der Tiegel gesetzt wird. Durch
die Öffnung G wird das Feuerungs-
material eingeschüttet, durch F werden
kleine Tiegel hereingebracht, große
werden ebenfalls durch G eingesetzt.
E ist die Esse, durch welche die Gase
entweichen und I der Aschenfall. Bei
Betrieben im größeren Umfange be-
nutzt man Tiegelherdöfen (Tiegel-
flammöfen), in welchen vier bis acht
Tiegel in einem gemeinschaftlichen
Ofen vereinigt werden. Bei diesen
stehen die Tiegel auf einem horizontalen, von einem Gewölbe über-
spannten Tische, das Brennmaterial befindet sich daneben auf einem
Roste, so daß die Tiegel nur von den brennenden Gasen desselben
umspült werden, die auf der anderen Seite wieder abziehen. Die
Tiegel müssen zum Gusse stets herausgenommen und von Arbeitern
an den Ort ihrer Bestimmung hingetragen werden. Ein solcher

Die Metallverarbeitung.
diejenigen, bei denen dies im Ofen ſelbſt geſchieht. Leichtflüſſige Metalle
kann man ja ſchon in einem Blechlöffel über einer Spiritusflamme zum
Schmelzen bringen, aber doch nur in geringen Mengen; braucht man
größere Mengen flüſſigen Metalls, ſo wendet man Keſſel oder Tiegel
an. Die Schmelzkeſſel werden meiſt aus Gußeiſen hergeſtellt, weil dieſes
Metall eine bedeutende Wärmeleitungsfähigkeit beſitzt und deshalb
wenig Feuerungsmaterial verbraucht. Natürlich kann man in dieſen
Keſſeln nur ſolche Metalle flüſſig machen, deren Schmelztemperatur
unter der des Gußeiſens liegt, alſo Zinn, Blei, Zink und die Legierungen
dieſer drei mit Antimon und Wismut. Die Keſſel werden von unten
geheizt und ſind entweder mit Handhaben verſehen, damit man ſie zum
Gebrauche herausnehmen und entleeren kann, oder ſie ſind feſt ein-
gemauert und haben dann unten eine Entleerungsvorrichtung.

Für ſchwer ſchmelzbare Metalle benutzt man Tiegel aus Graphit
(Paſſauer Tiegel) oder aus feuerfeſtem Thon (heſſiſche Tiegel). Die
Keſſel ſind meiſt halbkugelförmig und nur mit einem dünnen Deckel
verſehen zum Schutze der Metalle gegen die oxydierenden Wirkungen
der atmoſphäriſchen Luft. Die Tiegel ſind längliche, etwas ausge-
bauchte Cylinder und mit einem feſtaufſitzenden Deckel aus gleichem
Materiale verſehen, ſo daß dieſelben von allen Seiten der gleichen
Hitze ausgeſetzt werden können. In Tiegeln ſchmelzt man Gußſtahl,

[Abbildung] Fig. 376.

Tiegelſchachtofen.

Kupfer, Meſſing, Nickel, Silber,
Gold u. ſ. w. Bei Tiegeln wendet
man keine Unterfeuerung an, ſondern
umgiebt ſie ganz mit dem Feuerungs-
material. Fig. 376 ſtellt einen Tiegel-
ſchachtofen dar. C iſt eine Roſte, auf
welche der Tiegel geſetzt wird. Durch
die Öffnung G wird das Feuerungs-
material eingeſchüttet, durch F werden
kleine Tiegel hereingebracht, große
werden ebenfalls durch G eingeſetzt.
E iſt die Eſſe, durch welche die Gaſe
entweichen und I der Aſchenfall. Bei
Betrieben im größeren Umfange be-
nutzt man Tiegelherdöfen (Tiegel-
flammöfen), in welchen vier bis acht
Tiegel in einem gemeinſchaftlichen
Ofen vereinigt werden. Bei dieſen
ſtehen die Tiegel auf einem horizontalen, von einem Gewölbe über-
ſpannten Tiſche, das Brennmaterial befindet ſich daneben auf einem
Roſte, ſo daß die Tiegel nur von den brennenden Gaſen desſelben
umſpült werden, die auf der anderen Seite wieder abziehen. Die
Tiegel müſſen zum Guſſe ſtets herausgenommen und von Arbeitern
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[644/0662] Die Metallverarbeitung. diejenigen, bei denen dies im Ofen ſelbſt geſchieht. Leichtflüſſige Metalle kann man ja ſchon in einem Blechlöffel über einer Spiritusflamme zum Schmelzen bringen, aber doch nur in geringen Mengen; braucht man größere Mengen flüſſigen Metalls, ſo wendet man Keſſel oder Tiegel an. Die Schmelzkeſſel werden meiſt aus Gußeiſen hergeſtellt, weil dieſes Metall eine bedeutende Wärmeleitungsfähigkeit beſitzt und deshalb wenig Feuerungsmaterial verbraucht. Natürlich kann man in dieſen Keſſeln nur ſolche Metalle flüſſig machen, deren Schmelztemperatur unter der des Gußeiſens liegt, alſo Zinn, Blei, Zink und die Legierungen dieſer drei mit Antimon und Wismut. Die Keſſel werden von unten geheizt und ſind entweder mit Handhaben verſehen, damit man ſie zum Gebrauche herausnehmen und entleeren kann, oder ſie ſind feſt ein- gemauert und haben dann unten eine Entleerungsvorrichtung. Für ſchwer ſchmelzbare Metalle benutzt man Tiegel aus Graphit (Paſſauer Tiegel) oder aus feuerfeſtem Thon (heſſiſche Tiegel). Die Keſſel ſind meiſt halbkugelförmig und nur mit einem dünnen Deckel verſehen zum Schutze der Metalle gegen die oxydierenden Wirkungen der atmoſphäriſchen Luft. Die Tiegel ſind längliche, etwas ausge- bauchte Cylinder und mit einem feſtaufſitzenden Deckel aus gleichem Materiale verſehen, ſo daß dieſelben von allen Seiten der gleichen Hitze ausgeſetzt werden können. In Tiegeln ſchmelzt man Gußſtahl, [Abbildung Fig. 376. Tiegelſchachtofen.] Kupfer, Meſſing, Nickel, Silber, Gold u. ſ. w. Bei Tiegeln wendet man keine Unterfeuerung an, ſondern umgiebt ſie ganz mit dem Feuerungs- material. Fig. 376 ſtellt einen Tiegel- ſchachtofen dar. C iſt eine Roſte, auf welche der Tiegel geſetzt wird. Durch die Öffnung G wird das Feuerungs- material eingeſchüttet, durch F werden kleine Tiegel hereingebracht, große werden ebenfalls durch G eingeſetzt. E iſt die Eſſe, durch welche die Gaſe entweichen und I der Aſchenfall. Bei Betrieben im größeren Umfange be- nutzt man Tiegelherdöfen (Tiegel- flammöfen), in welchen vier bis acht Tiegel in einem gemeinſchaftlichen Ofen vereinigt werden. Bei dieſen ſtehen die Tiegel auf einem horizontalen, von einem Gewölbe über- ſpannten Tiſche, das Brennmaterial befindet ſich daneben auf einem Roſte, ſo daß die Tiegel nur von den brennenden Gaſen desſelben umſpült werden, die auf der anderen Seite wieder abziehen. Die Tiegel müſſen zum Guſſe ſtets herausgenommen und von Arbeitern an den Ort ihrer Beſtimmung hingetragen werden. Ein ſolcher

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/662>, abgerufen am 22.11.2024.