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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Rohgewinnung der Metalle.

Das Zusammenschmelzen des fein verteilten Zinnes bereitet häufig
Schwierigkeiten, weil die einzelnen Metallpartikel sich mit einer Oxydul-
schicht bedeckt haben, welche das Zusammenschmelzen derselben ver-
hindert. L. Vignon hebt diesen Mißstand auf, indem er dem zu
schmelzenden Zinn eins der beim Verzinnen oder Löten gebräuchlichen
Mittel, wie Chlorzink, Salmiak, Harz etc. hinzusetzt. Durch Chlorzink
oder Salmiak wird das die Metallpartikel überziehende Zinnoxydul in
Chlorzinn übergeführt, während dasselbe durch das Harz zu metallischem
Zinn reduziert wird. Zur Gewinnung des Zinns aus den Zinn-
schlacken wendet J. Shears die Elektrolyse an. Man schmelzt die
Schlacken mit einem Alkali oder Alkalikarbonat und laugt die ge-
schmolzene Masse mit Wasser aus. Beim Dekantieren der Lösung
bildet sich ein Bodensatz, welcher auf Nickel, Kobalt und Eisen weiter
behandelt werden kann, während sich aus der Lösung selbst beim Elek-
trolysieren in eisernen Behältern das Zinn ausscheidet. Das hierbei
verwendete Alkali wird aus der Lösung mittels Fällen durch Kalkmilch,
Kieselerde und Thonerde wiedergewonnen und etwa vorhanden gewesenes
Wolfram krystallisiert beim Verdampfen der Alkalilösung heraus.

Eigenschaften. Das Zinn ist ein weiches Metall und nur etwas
härter als Blei, es schmilzt bei 230°C. und krystallisiert beim Erstarren.
Diese Krystalle reiben sich beim Biegen einer Zinnstange, wodurch ein
eigentümliches Geräusch -- das Zinngeschrei genannt -- entsteht. Erhitzt
man verzinntes Weißblech, kühlt es dann schnell in Wasser ab und ätzt
es hierauf mit verdünnter Säure, so werden diese Krystalle den Eis-
blumen am Fenster ähnlich sichtbar (moire metallique). Das Zinn
hat eine silberweiße Farbe von starkem Glanz und verändert sich an
der Luft und im Wasser nicht. Längere Zeit an der Luft geschmolzen,
überzieht es sich mit einer grauen Haut, der Zinnasche, und verbrennt
in der Weißglühhitze mit heller, weißer Flamme zu Zinnoxyd. Es ist
sehr geschmeidig und läßt sich zu dünnen Blättchen -- Stanniol --
auswalzen, wird aber bei 200° spröde und zerfällt auch der Kälte aus-
gesetzt in ein grobkörniges, krystallinisches Pulver. Salzsäure und
konzentrierte Schwefelsäure lösen es auf; Salpetersäure oxydiert es zu
Zinnoxyd, welches in Salpetersäure unlöslich ist und als weißes Pulver
zu Boden fällt. Sein spezifisches Gewicht ist 7,28.

Geschichtliches. Das Zinn ist schon seit den ältesten Zeiten
bekannt.

Legierungen. Das Zinn wird viel mit Blei legiert (siehe dieses)
um die Härte beider Metalle zu erhöhen. Mit Zink legiert, verarbeitet
man es zu dem unechten Blattsilber; Britanniametall besteht aus 90 %
Zinn und 10 % Antimon, häufig hat es auch noch einen Kupferzusatz,
und sind die zahlreichen Legierungen des Zinns mit dem Kupfer bei
letzterem Metalle erwähnt. Das Tombak-Metall besteht aus 87,5 %
Zinn, 5,5 % Nickel, 5 % Antimon und 22 % Wismut; diesem sehr ähn-
lich ist das Warnesche Metall. Es werden auch Legierungen von Zinn,

Die Rohgewinnung der Metalle.

Das Zuſammenſchmelzen des fein verteilten Zinnes bereitet häufig
Schwierigkeiten, weil die einzelnen Metallpartikel ſich mit einer Oxydul-
ſchicht bedeckt haben, welche das Zuſammenſchmelzen derſelben ver-
hindert. L. Vignon hebt dieſen Mißſtand auf, indem er dem zu
ſchmelzenden Zinn eins der beim Verzinnen oder Löten gebräuchlichen
Mittel, wie Chlorzink, Salmiak, Harz ꝛc. hinzuſetzt. Durch Chlorzink
oder Salmiak wird das die Metallpartikel überziehende Zinnoxydul in
Chlorzinn übergeführt, während dasſelbe durch das Harz zu metalliſchem
Zinn reduziert wird. Zur Gewinnung des Zinns aus den Zinn-
ſchlacken wendet J. Shears die Elektrolyſe an. Man ſchmelzt die
Schlacken mit einem Alkali oder Alkalikarbonat und laugt die ge-
ſchmolzene Maſſe mit Waſſer aus. Beim Dekantieren der Löſung
bildet ſich ein Bodenſatz, welcher auf Nickel, Kobalt und Eiſen weiter
behandelt werden kann, während ſich aus der Löſung ſelbſt beim Elek-
trolyſieren in eiſernen Behältern das Zinn ausſcheidet. Das hierbei
verwendete Alkali wird aus der Löſung mittels Fällen durch Kalkmilch,
Kieſelerde und Thonerde wiedergewonnen und etwa vorhanden geweſenes
Wolfram kryſtalliſiert beim Verdampfen der Alkalilöſung heraus.

Eigenſchaften. Das Zinn iſt ein weiches Metall und nur etwas
härter als Blei, es ſchmilzt bei 230°C. und kryſtalliſiert beim Erſtarren.
Dieſe Kryſtalle reiben ſich beim Biegen einer Zinnſtange, wodurch ein
eigentümliches Geräuſch — das Zinngeſchrei genannt — entſteht. Erhitzt
man verzinntes Weißblech, kühlt es dann ſchnell in Waſſer ab und ätzt
es hierauf mit verdünnter Säure, ſo werden dieſe Kryſtalle den Eis-
blumen am Fenſter ähnlich ſichtbar (moiré métallique). Das Zinn
hat eine ſilberweiße Farbe von ſtarkem Glanz und verändert ſich an
der Luft und im Waſſer nicht. Längere Zeit an der Luft geſchmolzen,
überzieht es ſich mit einer grauen Haut, der Zinnaſche, und verbrennt
in der Weißglühhitze mit heller, weißer Flamme zu Zinnoxyd. Es iſt
ſehr geſchmeidig und läßt ſich zu dünnen Blättchen — Stanniol —
auswalzen, wird aber bei 200° ſpröde und zerfällt auch der Kälte aus-
geſetzt in ein grobkörniges, kryſtalliniſches Pulver. Salzſäure und
konzentrierte Schwefelſäure löſen es auf; Salpeterſäure oxydiert es zu
Zinnoxyd, welches in Salpeterſäure unlöslich iſt und als weißes Pulver
zu Boden fällt. Sein ſpezifiſches Gewicht iſt 7,28.

Geſchichtliches. Das Zinn iſt ſchon ſeit den älteſten Zeiten
bekannt.

Legierungen. Das Zinn wird viel mit Blei legiert (ſiehe dieſes)
um die Härte beider Metalle zu erhöhen. Mit Zink legiert, verarbeitet
man es zu dem unechten Blattſilber; Britanniametall beſteht aus 90 %
Zinn und 10 % Antimon, häufig hat es auch noch einen Kupferzuſatz,
und ſind die zahlreichen Legierungen des Zinns mit dem Kupfer bei
letzterem Metalle erwähnt. Das Tombak-Metall beſteht aus 87,5 %
Zinn, 5,5 % Nickel, 5 % Antimon und 22 % Wismut; dieſem ſehr ähn-
lich iſt das Warneſche Metall. Es werden auch Legierungen von Zinn,

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[596/0614] Die Rohgewinnung der Metalle. Das Zuſammenſchmelzen des fein verteilten Zinnes bereitet häufig Schwierigkeiten, weil die einzelnen Metallpartikel ſich mit einer Oxydul- ſchicht bedeckt haben, welche das Zuſammenſchmelzen derſelben ver- hindert. L. Vignon hebt dieſen Mißſtand auf, indem er dem zu ſchmelzenden Zinn eins der beim Verzinnen oder Löten gebräuchlichen Mittel, wie Chlorzink, Salmiak, Harz ꝛc. hinzuſetzt. Durch Chlorzink oder Salmiak wird das die Metallpartikel überziehende Zinnoxydul in Chlorzinn übergeführt, während dasſelbe durch das Harz zu metalliſchem Zinn reduziert wird. Zur Gewinnung des Zinns aus den Zinn- ſchlacken wendet J. Shears die Elektrolyſe an. Man ſchmelzt die Schlacken mit einem Alkali oder Alkalikarbonat und laugt die ge- ſchmolzene Maſſe mit Waſſer aus. Beim Dekantieren der Löſung bildet ſich ein Bodenſatz, welcher auf Nickel, Kobalt und Eiſen weiter behandelt werden kann, während ſich aus der Löſung ſelbſt beim Elek- trolyſieren in eiſernen Behältern das Zinn ausſcheidet. Das hierbei verwendete Alkali wird aus der Löſung mittels Fällen durch Kalkmilch, Kieſelerde und Thonerde wiedergewonnen und etwa vorhanden geweſenes Wolfram kryſtalliſiert beim Verdampfen der Alkalilöſung heraus. Eigenſchaften. Das Zinn iſt ein weiches Metall und nur etwas härter als Blei, es ſchmilzt bei 230°C. und kryſtalliſiert beim Erſtarren. Dieſe Kryſtalle reiben ſich beim Biegen einer Zinnſtange, wodurch ein eigentümliches Geräuſch — das Zinngeſchrei genannt — entſteht. Erhitzt man verzinntes Weißblech, kühlt es dann ſchnell in Waſſer ab und ätzt es hierauf mit verdünnter Säure, ſo werden dieſe Kryſtalle den Eis- blumen am Fenſter ähnlich ſichtbar (moiré métallique). Das Zinn hat eine ſilberweiße Farbe von ſtarkem Glanz und verändert ſich an der Luft und im Waſſer nicht. Längere Zeit an der Luft geſchmolzen, überzieht es ſich mit einer grauen Haut, der Zinnaſche, und verbrennt in der Weißglühhitze mit heller, weißer Flamme zu Zinnoxyd. Es iſt ſehr geſchmeidig und läßt ſich zu dünnen Blättchen — Stanniol — auswalzen, wird aber bei 200° ſpröde und zerfällt auch der Kälte aus- geſetzt in ein grobkörniges, kryſtalliniſches Pulver. Salzſäure und konzentrierte Schwefelſäure löſen es auf; Salpeterſäure oxydiert es zu Zinnoxyd, welches in Salpeterſäure unlöslich iſt und als weißes Pulver zu Boden fällt. Sein ſpezifiſches Gewicht iſt 7,28. Geſchichtliches. Das Zinn iſt ſchon ſeit den älteſten Zeiten bekannt. Legierungen. Das Zinn wird viel mit Blei legiert (ſiehe dieſes) um die Härte beider Metalle zu erhöhen. Mit Zink legiert, verarbeitet man es zu dem unechten Blattſilber; Britanniametall beſteht aus 90 % Zinn und 10 % Antimon, häufig hat es auch noch einen Kupferzuſatz, und ſind die zahlreichen Legierungen des Zinns mit dem Kupfer bei letzterem Metalle erwähnt. Das Tombak-Metall beſteht aus 87,5 % Zinn, 5,5 % Nickel, 5 % Antimon und 22 % Wismut; dieſem ſehr ähn- lich iſt das Warneſche Metall. Es werden auch Legierungen von Zinn,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/614>, abgerufen am 22.11.2024.