Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Nahrungs- und Genußmittel.
5. Hinterschenkel; B: 6. Oberweiche, 7. hinter-s Weichstück, 8. Waden-
stück, 9. Mittelrippe und 10. Oberarmstück; C: 11. Flankenstück,
12. Schulterblatt und 13. Bauchstück; endlich D: 14. Wamme, 15. Hals,
16. und 17. Vorder- und Hinterbeine und 18. Kopf. In Paris sind
drei Klassen mit 7 Unterabteilungen eingeführt, nach welchen das Kalb
(Fig. 333) wie folgt eingeteilt wird: A: 1. Keule, 2. Nierenbraten und
3. Vorderviertel; B: 4. Schulterblatt und endlich C: 5. Bauchstück,
[Abbildung] Fig. 333.

Zerlegung des Kalbes.

[Abbildung] Fig. 334.

Zerlegung des Schafes.

6. Kopf und 7. Hals. Die drei in Paris für Zerlegung des Schafes
eingeführten Klassen sind den soeben aufgeführten ähnlich; sie bestehen
(Fig. 334) in A: 1. Keule und 2. Rücken; B: 3. Vorderblatt und endlich
C: 4. Bauchstück, 5. Hals und 6. Kopf.

Das Fleisch der jüngeren Tiere ist im allgemeinen wasserreicher,
als dasjenige der älteren und daher weniger nahrhaft, so enthält
z. B. das Kalbfleisch ca. 80 % Wasser, während das Fleisch eines
gewöhnlichen Zugochsen nur ca. 60 % und das eines gemästeten Ochsen
sogar nur ca. 40 % Wasser enthält. Diesem hohen Wassergehalte
verdankt das Kalbfleisch auch den Namen "Halbfleisch", welchen es im
Volksmunde erhalten hat, aber es darf doch nicht unterschätzt werden,
daß bei jungen Tieren auch die Fleischfaser viel zarter und leichter ver-
daulich ist, als bei ältern Tieren, weil sie dünner, weicher und feuchter
ist, als jene, und gerade diese Beschaffenheit der Fleischfasern beeinflußt
den Nährwert ganz beträchtlich, weshalb man dieselben auch bei älteren
Tieren während der Zubereitung künstlich mürbe zu machen versucht,
sowohl durch längeres Liegenlassen des Fleisches an der Luft, als
auch durch Zusatz von Säuren, wie z. B. von saurer Sahne oder
Essig. Auch das längere Liegenlassen des Fleisches an der Luft ver-
anlaßt die Einwirkung einer Säure auf dasselbe, und zwar der sog.
Fleischmilchsäure, welche sich bei Zersetzung des Fleisches bildet. Diese
Säure bildet sich unter gewissen Umständen auch schon im Fleische der
lebenden Tiere z. B. bei heftiger und andauernder Bewegung derselben.
Daher kommt es auch, das das Fleisch des Wildbrets bez. aller kurz
vor dem Tode gehetzten Tiere mürber ist, als dasjenige der geschlachteten,
weil die Fleischmilchsäure, welche sich in diesem Falle schon vor dem
Tode des Tieres gebildet hat. sofort nach dem Tode desselben auf

Nahrungs- und Genußmittel.
5. Hinterſchenkel; B: 6. Oberweiche, 7. hinter-s Weichſtück, 8. Waden-
ſtück, 9. Mittelrippe und 10. Oberarmſtück; C: 11. Flankenſtück,
12. Schulterblatt und 13. Bauchſtück; endlich D: 14. Wamme, 15. Hals,
16. und 17. Vorder- und Hinterbeine und 18. Kopf. In Paris ſind
drei Klaſſen mit 7 Unterabteilungen eingeführt, nach welchen das Kalb
(Fig. 333) wie folgt eingeteilt wird: A: 1. Keule, 2. Nierenbraten und
3. Vorderviertel; B: 4. Schulterblatt und endlich C: 5. Bauchſtück,
[Abbildung] Fig. 333.

Zerlegung des Kalbes.

[Abbildung] Fig. 334.

Zerlegung des Schafes.

6. Kopf und 7. Hals. Die drei in Paris für Zerlegung des Schafes
eingeführten Klaſſen ſind den ſoeben aufgeführten ähnlich; ſie beſtehen
(Fig. 334) in A: 1. Keule und 2. Rücken; B: 3. Vorderblatt und endlich
C: 4. Bauchſtück, 5. Hals und 6. Kopf.

Das Fleiſch der jüngeren Tiere iſt im allgemeinen waſſerreicher,
als dasjenige der älteren und daher weniger nahrhaft, ſo enthält
z. B. das Kalbfleiſch ca. 80 % Waſſer, während das Fleiſch eines
gewöhnlichen Zugochſen nur ca. 60 % und das eines gemäſteten Ochſen
ſogar nur ca. 40 % Waſſer enthält. Dieſem hohen Waſſergehalte
verdankt das Kalbfleiſch auch den Namen „Halbfleiſch“, welchen es im
Volksmunde erhalten hat, aber es darf doch nicht unterſchätzt werden,
daß bei jungen Tieren auch die Fleiſchfaſer viel zarter und leichter ver-
daulich iſt, als bei ältern Tieren, weil ſie dünner, weicher und feuchter
iſt, als jene, und gerade dieſe Beſchaffenheit der Fleiſchfaſern beeinflußt
den Nährwert ganz beträchtlich, weshalb man dieſelben auch bei älteren
Tieren während der Zubereitung künſtlich mürbe zu machen verſucht,
ſowohl durch längeres Liegenlaſſen des Fleiſches an der Luft, als
auch durch Zuſatz von Säuren, wie z. B. von ſaurer Sahne oder
Eſſig. Auch das längere Liegenlaſſen des Fleiſches an der Luft ver-
anlaßt die Einwirkung einer Säure auf dasſelbe, und zwar der ſog.
Fleiſchmilchſäure, welche ſich bei Zerſetzung des Fleiſches bildet. Dieſe
Säure bildet ſich unter gewiſſen Umſtänden auch ſchon im Fleiſche der
lebenden Tiere z. B. bei heftiger und andauernder Bewegung derſelben.
Daher kommt es auch, das das Fleiſch des Wildbrets bez. aller kurz
vor dem Tode gehetzten Tiere mürber iſt, als dasjenige der geſchlachteten,
weil die Fleiſchmilchſäure, welche ſich in dieſem Falle ſchon vor dem
Tode des Tieres gebildet hat. ſofort nach dem Tode desſelben auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0580" n="562"/><fw place="top" type="header">Nahrungs- und Genußmittel.</fw><lb/>
5. Hinter&#x017F;chenkel; <hi rendition="#aq">B:</hi> 6. Oberweiche, 7. hinter-s Weich&#x017F;tück, 8. Waden-<lb/>
&#x017F;tück, 9. Mittelrippe und 10. Oberarm&#x017F;tück; <hi rendition="#aq">C:</hi> 11. Flanken&#x017F;tück,<lb/>
12. Schulterblatt und 13. Bauch&#x017F;tück; endlich <hi rendition="#aq">D:</hi> 14. Wamme, 15. Hals,<lb/>
16. und 17. Vorder- und Hinterbeine und 18. Kopf. In Paris &#x017F;ind<lb/>
drei Kla&#x017F;&#x017F;en mit 7 Unterabteilungen eingeführt, nach welchen das Kalb<lb/>
(Fig. 333) wie folgt eingeteilt wird: <hi rendition="#aq">A:</hi> 1. Keule, 2. Nierenbraten und<lb/>
3. Vorderviertel; <hi rendition="#aq">B:</hi> 4. Schulterblatt und endlich <hi rendition="#aq">C:</hi> 5. Bauch&#x017F;tück,<lb/><figure><head>Fig. 333. </head><p>Zerlegung des Kalbes.</p></figure><lb/><figure><head>Fig. 334. </head><p>Zerlegung des Schafes.</p></figure><lb/>
6. Kopf und 7. Hals. Die drei in Paris für Zerlegung des Schafes<lb/>
eingeführten Kla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind den &#x017F;oeben aufgeführten ähnlich; &#x017F;ie be&#x017F;tehen<lb/>
(Fig. 334) in <hi rendition="#aq">A:</hi> 1. Keule und 2. Rücken; <hi rendition="#aq">B:</hi> 3. Vorderblatt und endlich<lb/><hi rendition="#aq">C:</hi> 4. Bauch&#x017F;tück, 5. Hals und 6. Kopf.</p><lb/>
            <p>Das Flei&#x017F;ch der jüngeren Tiere i&#x017F;t im allgemeinen wa&#x017F;&#x017F;erreicher,<lb/>
als dasjenige der älteren und daher weniger nahrhaft, &#x017F;o enthält<lb/>
z. B. das Kalbflei&#x017F;ch ca. 80 % Wa&#x017F;&#x017F;er, während das Flei&#x017F;ch eines<lb/>
gewöhnlichen Zugoch&#x017F;en nur ca. 60 % und das eines gemä&#x017F;teten Och&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ogar nur ca. 40 % Wa&#x017F;&#x017F;er enthält. Die&#x017F;em hohen Wa&#x017F;&#x017F;ergehalte<lb/>
verdankt das Kalbflei&#x017F;ch auch den Namen &#x201E;Halbflei&#x017F;ch&#x201C;, welchen es im<lb/>
Volksmunde erhalten hat, aber es darf doch nicht unter&#x017F;chätzt werden,<lb/>
daß bei jungen Tieren auch die Flei&#x017F;chfa&#x017F;er viel zarter und leichter ver-<lb/>
daulich i&#x017F;t, als bei ältern Tieren, weil &#x017F;ie dünner, weicher und feuchter<lb/>
i&#x017F;t, als jene, und gerade die&#x017F;e Be&#x017F;chaffenheit der Flei&#x017F;chfa&#x017F;ern beeinflußt<lb/>
den Nährwert ganz beträchtlich, weshalb man die&#x017F;elben auch bei älteren<lb/>
Tieren während der Zubereitung kün&#x017F;tlich mürbe zu machen ver&#x017F;ucht,<lb/>
&#x017F;owohl durch längeres Liegenla&#x017F;&#x017F;en des Flei&#x017F;ches an der Luft, als<lb/>
auch durch Zu&#x017F;atz von Säuren, wie z. B. von &#x017F;aurer Sahne oder<lb/>
E&#x017F;&#x017F;ig. Auch das längere Liegenla&#x017F;&#x017F;en des Flei&#x017F;ches an der Luft ver-<lb/>
anlaßt die Einwirkung einer Säure auf das&#x017F;elbe, und zwar der &#x017F;og.<lb/>
Flei&#x017F;chmilch&#x017F;äure, welche &#x017F;ich bei Zer&#x017F;etzung des Flei&#x017F;ches bildet. Die&#x017F;e<lb/>
Säure bildet &#x017F;ich unter gewi&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;tänden auch &#x017F;chon im Flei&#x017F;che der<lb/>
lebenden Tiere z. B. bei heftiger und andauernder Bewegung der&#x017F;elben.<lb/>
Daher kommt es auch, das das Flei&#x017F;ch des Wildbrets bez. aller kurz<lb/>
vor dem Tode gehetzten Tiere mürber i&#x017F;t, als dasjenige der ge&#x017F;chlachteten,<lb/>
weil die Flei&#x017F;chmilch&#x017F;äure, welche &#x017F;ich in die&#x017F;em Falle &#x017F;chon vor dem<lb/>
Tode des Tieres gebildet hat. &#x017F;ofort nach dem Tode des&#x017F;elben auf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0580] Nahrungs- und Genußmittel. 5. Hinterſchenkel; B: 6. Oberweiche, 7. hinter-s Weichſtück, 8. Waden- ſtück, 9. Mittelrippe und 10. Oberarmſtück; C: 11. Flankenſtück, 12. Schulterblatt und 13. Bauchſtück; endlich D: 14. Wamme, 15. Hals, 16. und 17. Vorder- und Hinterbeine und 18. Kopf. In Paris ſind drei Klaſſen mit 7 Unterabteilungen eingeführt, nach welchen das Kalb (Fig. 333) wie folgt eingeteilt wird: A: 1. Keule, 2. Nierenbraten und 3. Vorderviertel; B: 4. Schulterblatt und endlich C: 5. Bauchſtück, [Abbildung Fig. 333. Zerlegung des Kalbes.] [Abbildung Fig. 334. Zerlegung des Schafes.] 6. Kopf und 7. Hals. Die drei in Paris für Zerlegung des Schafes eingeführten Klaſſen ſind den ſoeben aufgeführten ähnlich; ſie beſtehen (Fig. 334) in A: 1. Keule und 2. Rücken; B: 3. Vorderblatt und endlich C: 4. Bauchſtück, 5. Hals und 6. Kopf. Das Fleiſch der jüngeren Tiere iſt im allgemeinen waſſerreicher, als dasjenige der älteren und daher weniger nahrhaft, ſo enthält z. B. das Kalbfleiſch ca. 80 % Waſſer, während das Fleiſch eines gewöhnlichen Zugochſen nur ca. 60 % und das eines gemäſteten Ochſen ſogar nur ca. 40 % Waſſer enthält. Dieſem hohen Waſſergehalte verdankt das Kalbfleiſch auch den Namen „Halbfleiſch“, welchen es im Volksmunde erhalten hat, aber es darf doch nicht unterſchätzt werden, daß bei jungen Tieren auch die Fleiſchfaſer viel zarter und leichter ver- daulich iſt, als bei ältern Tieren, weil ſie dünner, weicher und feuchter iſt, als jene, und gerade dieſe Beſchaffenheit der Fleiſchfaſern beeinflußt den Nährwert ganz beträchtlich, weshalb man dieſelben auch bei älteren Tieren während der Zubereitung künſtlich mürbe zu machen verſucht, ſowohl durch längeres Liegenlaſſen des Fleiſches an der Luft, als auch durch Zuſatz von Säuren, wie z. B. von ſaurer Sahne oder Eſſig. Auch das längere Liegenlaſſen des Fleiſches an der Luft ver- anlaßt die Einwirkung einer Säure auf dasſelbe, und zwar der ſog. Fleiſchmilchſäure, welche ſich bei Zerſetzung des Fleiſches bildet. Dieſe Säure bildet ſich unter gewiſſen Umſtänden auch ſchon im Fleiſche der lebenden Tiere z. B. bei heftiger und andauernder Bewegung derſelben. Daher kommt es auch, das das Fleiſch des Wildbrets bez. aller kurz vor dem Tode gehetzten Tiere mürber iſt, als dasjenige der geſchlachteten, weil die Fleiſchmilchſäure, welche ſich in dieſem Falle ſchon vor dem Tode des Tieres gebildet hat. ſofort nach dem Tode desſelben auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/580
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/580>, abgerufen am 22.11.2024.