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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Erfindung der Zeitmeßapparate.
mehr einen solchen Kulturzustand ausmalen. Wir haben Uhren aller-
wege, im Zimmer, auf der Straße, in der Tasche und können so überall
und immer die vorbestimmte Zeit inne halten. Wie muß es zu jener
Zeit der Wasseruhren wohl um die Pünktlichkeit bestellt gewesen sein!
Kaum anders wurde es durch die Erfindung verwickelter Räderwerke,
die durch Gewichte getrieben wurden, und wie sie sich im Laufe des
Mittelalters hier und dort einführten. Der Kaiser Friedrich II erhielt
vom Sultan Saladin eine solche zum Geschenke. Wir finden sie auch
in Klöstern und die ersten Turmuhren sind auch fünf Jahrhunderte alt.
Es fehlte allen ein Mittel, die kleinsten Zeitteile, etwa von der Länge
einer Sekunde genau festzuhalten. Dieses Mittel hat uns erst Galilei
in dem Pendel gegeben. Galileo Galilei, geb. 1564 zu Pisa, gest.
1642 zu Arcetri bei Florenz, ist unstreitig der bedeutendste Physiker
aller Zeiten und einer der größten Erfinder, den der Erdball getragen
hat. Auf die Gesetze des Pendels soll er allerdings durch eine zufällige
Beobachtung geführt worden sein. Als er einmal im Dome zu Pisa
weilte, soll dort eine Ampel in Schwingungen geraten sein. Während
aber die Weite dieser Schwingungen fortwährend abnahm, bemerkte
Galilei, daß die Zeit, welche die Ampel für eine Hin- und Herbewegung
benötigte, sich nicht merklich änderte. Er schloß also

1. daß die Schwingungszeit der Ampel, also irgend eines auf-
gehängten und aus dem Gleichgewichte gebrachten Körpers ganz
unabhängig davon ist, wie weit man denselben aus seiner Ruhelage
entfernt.

Ganz richtig ist nun dieser Satz freilich nicht, aber doch sehr nahe
an der Wahrheit. Wenn die Schwingungsweite nicht sehr groß ist, so
darf man sehr genähert annehmen, daß die Schwingungszeit sich mit
noch größerer Abnahme der Weite nicht verändert. Nur wo es auf die
allerhöchste Genauigkeit ankommt, bei astronomischen Zeitbestimmungen,
wird auch den Veränderungen der Schwingweite Rechnung getragen
werden müssen. Wie Galilei nun im Studierzimmer die Eigentümlichkeiten
eines schwingenden Pendels, d. h. einfach einer an einem Faden auf-
gehängten Kugel weiter verfolgte, fand er noch die folgenden bemerkens-
werten Gesetze:

2. Es ist ganz gleichgültig, aus welchem Stoffe der pendelnde
Körper besteht und wie schwer er ist; immer braucht er dieselbe Zeit
für eine Schwingung, wenn nur seine Entfernung vom Aufhängepunkte
oder die Pendellänge unverändert bleibt;

3. Wenn aber zwei Pendel verschiedene Länge haben, so braucht
das längere mehr Zeit für eine Schwingung als das kürzere.

Jeder kann sich durch sehr einfache Versuche von der Richtigkeit
dieser Sätze überzeugen. Sie waren ganz neu, niemand hatte vorher
daran gedacht, die Schwingungszeiten der Pendel zu studieren. Aber
Galilei war auch der Mann, seine Entdeckung praktisch zu verwerten.
Er erkannte, daß besonders die Eigenschaft (1) das Pendel zum

Erfindung der Zeitmeßapparate.
mehr einen ſolchen Kulturzuſtand ausmalen. Wir haben Uhren aller-
wege, im Zimmer, auf der Straße, in der Taſche und können ſo überall
und immer die vorbeſtimmte Zeit inne halten. Wie muß es zu jener
Zeit der Waſſeruhren wohl um die Pünktlichkeit beſtellt geweſen ſein!
Kaum anders wurde es durch die Erfindung verwickelter Räderwerke,
die durch Gewichte getrieben wurden, und wie ſie ſich im Laufe des
Mittelalters hier und dort einführten. Der Kaiſer Friedrich II erhielt
vom Sultan Saladin eine ſolche zum Geſchenke. Wir finden ſie auch
in Klöſtern und die erſten Turmuhren ſind auch fünf Jahrhunderte alt.
Es fehlte allen ein Mittel, die kleinſten Zeitteile, etwa von der Länge
einer Sekunde genau feſtzuhalten. Dieſes Mittel hat uns erſt Galilei
in dem Pendel gegeben. Galileo Galilei, geb. 1564 zu Piſa, geſt.
1642 zu Arcetri bei Florenz, iſt unſtreitig der bedeutendſte Phyſiker
aller Zeiten und einer der größten Erfinder, den der Erdball getragen
hat. Auf die Geſetze des Pendels ſoll er allerdings durch eine zufällige
Beobachtung geführt worden ſein. Als er einmal im Dome zu Piſa
weilte, ſoll dort eine Ampel in Schwingungen geraten ſein. Während
aber die Weite dieſer Schwingungen fortwährend abnahm, bemerkte
Galilei, daß die Zeit, welche die Ampel für eine Hin- und Herbewegung
benötigte, ſich nicht merklich änderte. Er ſchloß alſo

1. daß die Schwingungszeit der Ampel, alſo irgend eines auf-
gehängten und aus dem Gleichgewichte gebrachten Körpers ganz
unabhängig davon iſt, wie weit man denſelben aus ſeiner Ruhelage
entfernt.

Ganz richtig iſt nun dieſer Satz freilich nicht, aber doch ſehr nahe
an der Wahrheit. Wenn die Schwingungsweite nicht ſehr groß iſt, ſo
darf man ſehr genähert annehmen, daß die Schwingungszeit ſich mit
noch größerer Abnahme der Weite nicht verändert. Nur wo es auf die
allerhöchſte Genauigkeit ankommt, bei aſtronomiſchen Zeitbeſtimmungen,
wird auch den Veränderungen der Schwingweite Rechnung getragen
werden müſſen. Wie Galilei nun im Studierzimmer die Eigentümlichkeiten
eines ſchwingenden Pendels, d. h. einfach einer an einem Faden auf-
gehängten Kugel weiter verfolgte, fand er noch die folgenden bemerkens-
werten Geſetze:

2. Es iſt ganz gleichgültig, aus welchem Stoffe der pendelnde
Körper beſteht und wie ſchwer er iſt; immer braucht er dieſelbe Zeit
für eine Schwingung, wenn nur ſeine Entfernung vom Aufhängepunkte
oder die Pendellänge unverändert bleibt;

3. Wenn aber zwei Pendel verſchiedene Länge haben, ſo braucht
das längere mehr Zeit für eine Schwingung als das kürzere.

Jeder kann ſich durch ſehr einfache Verſuche von der Richtigkeit
dieſer Sätze überzeugen. Sie waren ganz neu, niemand hatte vorher
daran gedacht, die Schwingungszeiten der Pendel zu ſtudieren. Aber
Galilei war auch der Mann, ſeine Entdeckung praktiſch zu verwerten.
Er erkannte, daß beſonders die Eigenſchaft (1) das Pendel zum

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[36/0054] Erfindung der Zeitmeßapparate. mehr einen ſolchen Kulturzuſtand ausmalen. Wir haben Uhren aller- wege, im Zimmer, auf der Straße, in der Taſche und können ſo überall und immer die vorbeſtimmte Zeit inne halten. Wie muß es zu jener Zeit der Waſſeruhren wohl um die Pünktlichkeit beſtellt geweſen ſein! Kaum anders wurde es durch die Erfindung verwickelter Räderwerke, die durch Gewichte getrieben wurden, und wie ſie ſich im Laufe des Mittelalters hier und dort einführten. Der Kaiſer Friedrich II erhielt vom Sultan Saladin eine ſolche zum Geſchenke. Wir finden ſie auch in Klöſtern und die erſten Turmuhren ſind auch fünf Jahrhunderte alt. Es fehlte allen ein Mittel, die kleinſten Zeitteile, etwa von der Länge einer Sekunde genau feſtzuhalten. Dieſes Mittel hat uns erſt Galilei in dem Pendel gegeben. Galileo Galilei, geb. 1564 zu Piſa, geſt. 1642 zu Arcetri bei Florenz, iſt unſtreitig der bedeutendſte Phyſiker aller Zeiten und einer der größten Erfinder, den der Erdball getragen hat. Auf die Geſetze des Pendels ſoll er allerdings durch eine zufällige Beobachtung geführt worden ſein. Als er einmal im Dome zu Piſa weilte, ſoll dort eine Ampel in Schwingungen geraten ſein. Während aber die Weite dieſer Schwingungen fortwährend abnahm, bemerkte Galilei, daß die Zeit, welche die Ampel für eine Hin- und Herbewegung benötigte, ſich nicht merklich änderte. Er ſchloß alſo 1. daß die Schwingungszeit der Ampel, alſo irgend eines auf- gehängten und aus dem Gleichgewichte gebrachten Körpers ganz unabhängig davon iſt, wie weit man denſelben aus ſeiner Ruhelage entfernt. Ganz richtig iſt nun dieſer Satz freilich nicht, aber doch ſehr nahe an der Wahrheit. Wenn die Schwingungsweite nicht ſehr groß iſt, ſo darf man ſehr genähert annehmen, daß die Schwingungszeit ſich mit noch größerer Abnahme der Weite nicht verändert. Nur wo es auf die allerhöchſte Genauigkeit ankommt, bei aſtronomiſchen Zeitbeſtimmungen, wird auch den Veränderungen der Schwingweite Rechnung getragen werden müſſen. Wie Galilei nun im Studierzimmer die Eigentümlichkeiten eines ſchwingenden Pendels, d. h. einfach einer an einem Faden auf- gehängten Kugel weiter verfolgte, fand er noch die folgenden bemerkens- werten Geſetze: 2. Es iſt ganz gleichgültig, aus welchem Stoffe der pendelnde Körper beſteht und wie ſchwer er iſt; immer braucht er dieſelbe Zeit für eine Schwingung, wenn nur ſeine Entfernung vom Aufhängepunkte oder die Pendellänge unverändert bleibt; 3. Wenn aber zwei Pendel verſchiedene Länge haben, ſo braucht das längere mehr Zeit für eine Schwingung als das kürzere. Jeder kann ſich durch ſehr einfache Verſuche von der Richtigkeit dieſer Sätze überzeugen. Sie waren ganz neu, niemand hatte vorher daran gedacht, die Schwingungszeiten der Pendel zu ſtudieren. Aber Galilei war auch der Mann, ſeine Entdeckung praktiſch zu verwerten. Er erkannte, daß beſonders die Eigenſchaft (1) das Pendel zum

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/54>, abgerufen am 23.11.2024.