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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Nahrungs- und Genußmittel.
Lagerkeller selbst durch ein an der Decke angebrachtes und von großen
Kühlmaschinen gespeistes Röhrensystem auf einer Temperatur von 1 bis
C gehalten werden.

Die Gährung ist gleichzeitig eine Hefenkultur, denn die Hefe ver-
mehrt sich während derselben bedeutend, und je nachdem man bei
höherer oder niedriger Temperatur mit verschiedenen Arten der Hefe
die Gährung mehr oder weniger stürmisch verlaufen läßt, findet man
die Hefe an der Oberfläche oder auf dem Boden des Gährgefäßes.
Nach dieser Art der Gährung unterscheidet man "obergährige" oder
"untergährige" Biere, bez. "Oberhefe" und "Unterhefe". Fig. 292 und

[Abbildung] Fig. 292.

Oberhefe.

[Abbildung] Fig. 293.

Unterhefe.

293 zeigen diese beiden Hefenarten stark vergrößert; die Oberhefe bildet
runde, schwere Zellen, während die Zellen der Unterhefe leichter und
von länglicher Form sind.

Der ganze Verlauf der Gährung und besonders die Art der Hefe
selbst sind außerordentlich wichtig für die Güte der Biere und haben
gerade in allerneuester Zeit zu sehr interessanten Forschungen geführt.
Die durch Professor Koch hervorgerufene Zeit der mikroskopischen
Untersuchungen der Pilze, zu welchen auch die Hefe -- Saccharomyces
cerevisiae
-- gehört, ist an den modernen wissenschaftlichen Hülfs-
mitteln der Bierbereitung nicht spurlos vorübergegangen, und stand
vorher von den exakten Naturwissenschaften besonders die Chemie im
Dienste der Bierbrauerei, so spielt heute die Pflanzenphysiologie eine
fast nicht minder wichtige Rolle. Prof. Hansen in Kopenhagen gebührt
das Verdienst, den Gedanken des berühmten französischen Chemikers
Pasteur, Reinkulturen der Hefe zu züchten, in die richtige Bahn geleitet
und für die Brauerei praktisch verwendbar gemacht zu haben. Pasteur
verstand unter "Reinkulturen" Hefe, frei von irgend welchen anderen
Spaltpilzen; Hansen wies die zahlreichen Arten dieser Hefe selbst nach
und versteht unter "Reinkultur" die Hefe einer einzigen Art derselben.
Diese kann man nur gewinnen, wenn man die Hefe unter absolutem
Abschluß aller Bakterien der Luft von einer einzigen mikroskopischen
Hefezelle aus züchtet. Das bot schon bei Laboratoriums-Versuchen
große Schwierigkeiten und schien für den Großbetrieb infolge der dort

Nahrungs- und Genußmittel.
Lagerkeller ſelbſt durch ein an der Decke angebrachtes und von großen
Kühlmaſchinen geſpeiſtes Röhrenſyſtem auf einer Temperatur von 1 bis
C gehalten werden.

Die Gährung iſt gleichzeitig eine Hefenkultur, denn die Hefe ver-
mehrt ſich während derſelben bedeutend, und je nachdem man bei
höherer oder niedriger Temperatur mit verſchiedenen Arten der Hefe
die Gährung mehr oder weniger ſtürmiſch verlaufen läßt, findet man
die Hefe an der Oberfläche oder auf dem Boden des Gährgefäßes.
Nach dieſer Art der Gährung unterſcheidet man „obergährige“ oder
„untergährige“ Biere, bez. „Oberhefe“ und „Unterhefe“. Fig. 292 und

[Abbildung] Fig. 292.

Oberhefe.

[Abbildung] Fig. 293.

Unterhefe.

293 zeigen dieſe beiden Hefenarten ſtark vergrößert; die Oberhefe bildet
runde, ſchwere Zellen, während die Zellen der Unterhefe leichter und
von länglicher Form ſind.

Der ganze Verlauf der Gährung und beſonders die Art der Hefe
ſelbſt ſind außerordentlich wichtig für die Güte der Biere und haben
gerade in allerneueſter Zeit zu ſehr intereſſanten Forſchungen geführt.
Die durch Profeſſor Koch hervorgerufene Zeit der mikroſkopiſchen
Unterſuchungen der Pilze, zu welchen auch die Hefe — Saccharomyces
cerevisiae
— gehört, iſt an den modernen wiſſenſchaftlichen Hülfs-
mitteln der Bierbereitung nicht ſpurlos vorübergegangen, und ſtand
vorher von den exakten Naturwiſſenſchaften beſonders die Chemie im
Dienſte der Bierbrauerei, ſo ſpielt heute die Pflanzenphyſiologie eine
faſt nicht minder wichtige Rolle. Prof. Hanſen in Kopenhagen gebührt
das Verdienſt, den Gedanken des berühmten franzöſiſchen Chemikers
Paſteur, Reinkulturen der Hefe zu züchten, in die richtige Bahn geleitet
und für die Brauerei praktiſch verwendbar gemacht zu haben. Paſteur
verſtand unter „Reinkulturen“ Hefe, frei von irgend welchen anderen
Spaltpilzen; Hanſen wies die zahlreichen Arten dieſer Hefe ſelbſt nach
und verſteht unter „Reinkultur“ die Hefe einer einzigen Art derſelben.
Dieſe kann man nur gewinnen, wenn man die Hefe unter abſolutem
Abſchluß aller Bakterien der Luft von einer einzigen mikroſkopiſchen
Hefezelle aus züchtet. Das bot ſchon bei Laboratoriums-Verſuchen
große Schwierigkeiten und ſchien für den Großbetrieb infolge der dort

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[502/0520] Nahrungs- und Genußmittel. Lagerkeller ſelbſt durch ein an der Decke angebrachtes und von großen Kühlmaſchinen geſpeiſtes Röhrenſyſtem auf einer Temperatur von 1 bis 2°C gehalten werden. Die Gährung iſt gleichzeitig eine Hefenkultur, denn die Hefe ver- mehrt ſich während derſelben bedeutend, und je nachdem man bei höherer oder niedriger Temperatur mit verſchiedenen Arten der Hefe die Gährung mehr oder weniger ſtürmiſch verlaufen läßt, findet man die Hefe an der Oberfläche oder auf dem Boden des Gährgefäßes. Nach dieſer Art der Gährung unterſcheidet man „obergährige“ oder „untergährige“ Biere, bez. „Oberhefe“ und „Unterhefe“. Fig. 292 und [Abbildung Fig. 292. Oberhefe.] [Abbildung Fig. 293. Unterhefe.] 293 zeigen dieſe beiden Hefenarten ſtark vergrößert; die Oberhefe bildet runde, ſchwere Zellen, während die Zellen der Unterhefe leichter und von länglicher Form ſind. Der ganze Verlauf der Gährung und beſonders die Art der Hefe ſelbſt ſind außerordentlich wichtig für die Güte der Biere und haben gerade in allerneueſter Zeit zu ſehr intereſſanten Forſchungen geführt. Die durch Profeſſor Koch hervorgerufene Zeit der mikroſkopiſchen Unterſuchungen der Pilze, zu welchen auch die Hefe — Saccharomyces cerevisiae — gehört, iſt an den modernen wiſſenſchaftlichen Hülfs- mitteln der Bierbereitung nicht ſpurlos vorübergegangen, und ſtand vorher von den exakten Naturwiſſenſchaften beſonders die Chemie im Dienſte der Bierbrauerei, ſo ſpielt heute die Pflanzenphyſiologie eine faſt nicht minder wichtige Rolle. Prof. Hanſen in Kopenhagen gebührt das Verdienſt, den Gedanken des berühmten franzöſiſchen Chemikers Paſteur, Reinkulturen der Hefe zu züchten, in die richtige Bahn geleitet und für die Brauerei praktiſch verwendbar gemacht zu haben. Paſteur verſtand unter „Reinkulturen“ Hefe, frei von irgend welchen anderen Spaltpilzen; Hanſen wies die zahlreichen Arten dieſer Hefe ſelbſt nach und verſteht unter „Reinkultur“ die Hefe einer einzigen Art derſelben. Dieſe kann man nur gewinnen, wenn man die Hefe unter abſolutem Abſchluß aller Bakterien der Luft von einer einzigen mikroſkopiſchen Hefezelle aus züchtet. Das bot ſchon bei Laboratoriums-Verſuchen große Schwierigkeiten und ſchien für den Großbetrieb infolge der dort

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/520>, abgerufen am 22.11.2024.