Die künstlichen Düngestoffe und die Chemie des Bodens.
einer rationellen und intensiven Kultur, wenn sie ihre Aufgabe lösen will, d. h. im allgemeinen das Land fähig machen, seine Einwohner zu ernähren und im speziellen ein Gut für den Besitzer rentabel zu machen. Die Frage, ob dies überhaupt möglich sei, ist mit "ja" zu beantworten, denn die Wissenschaft hat in zahlreichen, mühseligen und vorzüglichen Forschungen den Weg hierzu sicher und scharf gekennzeichnet; schlimmer sieht es aber mit der Beantwortung der Frage aus, ob diese wissen- schaftlichen Errungenschaften auch überall in die Praxis übertragen werden. Wenn auch heute nicht mehr verkannt werden darf, daß ein großer Teil intelligenter Landwirte diese Forschungen zum allgemeinen, wie zu ihrem eigenen Vorteil verwertet und ihre Zahl stetig zunimmt, so ist doch immer noch der überwiegend große Teil derselben im alten Schlendrian begriffen, und große Strecken unseres Vaterlandes, deren intensivere Kultur eine Einfuhr vom Auslande ganz unnötig machen würde -- wie wir am Schlusse dieses Abschnittes nachweisen werden -- bringen heute noch nicht annähernd den Ertrag, den sie produzieren könnten.
Die Landwirtschaft hat die Aufgabe, aus anorganischen Substanzen organische zu machen, denn erstere im Boden enthalten bilden Pflanzen und durch Verfütterung derselben Fleisch, deren Abfall und Verwesungs- produkte dem Boden zurückgegeben den Kreislauf von neuem beginnen, ohne daß etwas in der Natur verloren gehen kann. Aber die einem bestimmten Orte entnommenen Stoffe werden nur zum Teil eben- demselben wiedergegeben, denn alle Produkte, die der Landwirt ver- kauft, kommen nicht leicht wieder in denselben Acker und da sie zum größten Teil von den Städtern konsumiert werden, welche in erster Linie die sanitäre Frage und erst in zweiter die rationelle Verwertung der Fäkalien berücksichtigen müssen, so geht ein großer Teil derselben für die Landwirtschaft ganz verloren. Welche sind das nun aber und in welcher Menge geschieht das? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns einmal die Bestandteile und Nahrungsmittel der Pflanze etwas näher betrachten. Hierbei werden wir gleichzeitig erkennen, welche Nährstoffe der Pflanze überhaupt, also auch aus anderen Gründen dem Boden außer den natürlichen Abfällen, wie dem Stallmist etc. zuzuführen sind, z. B. aus dem am häufigsten eintretenden Grunde, daß der Boden von diesem oder jenem Nährstoffe niemals eine genügende Menge besessen hat, bez. an welchem er mit der Zeit durch die vor Liebig allgemein üblich gewesene Wirtschaft erschöpft wurde.
Die Pflanze besteht aus organischen und anorganischen Substanzen, die wir durch Verbrennen leicht von einander trennen können, wobei sich erstere zersetzen und verflüchtigen, während die letzteren in der Asche zurück- bleiben. So mannigfaltig und kompliziert zusammengesetzt die organischen Bestandteile auch sind, so bestehen sie doch nur aus vier Elementen, nämlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, wahrend die Bestandteile der Asche, also die anorganischen viel zahlrecher sind.
Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
einer rationellen und intenſiven Kultur, wenn ſie ihre Aufgabe löſen will, d. h. im allgemeinen das Land fähig machen, ſeine Einwohner zu ernähren und im ſpeziellen ein Gut für den Beſitzer rentabel zu machen. Die Frage, ob dies überhaupt möglich ſei, iſt mit „ja“ zu beantworten, denn die Wiſſenſchaft hat in zahlreichen, mühſeligen und vorzüglichen Forſchungen den Weg hierzu ſicher und ſcharf gekennzeichnet; ſchlimmer ſieht es aber mit der Beantwortung der Frage aus, ob dieſe wiſſen- ſchaftlichen Errungenſchaften auch überall in die Praxis übertragen werden. Wenn auch heute nicht mehr verkannt werden darf, daß ein großer Teil intelligenter Landwirte dieſe Forſchungen zum allgemeinen, wie zu ihrem eigenen Vorteil verwertet und ihre Zahl ſtetig zunimmt, ſo iſt doch immer noch der überwiegend große Teil derſelben im alten Schlendrian begriffen, und große Strecken unſeres Vaterlandes, deren intenſivere Kultur eine Einfuhr vom Auslande ganz unnötig machen würde — wie wir am Schluſſe dieſes Abſchnittes nachweiſen werden — bringen heute noch nicht annähernd den Ertrag, den ſie produzieren könnten.
Die Landwirtſchaft hat die Aufgabe, aus anorganiſchen Subſtanzen organiſche zu machen, denn erſtere im Boden enthalten bilden Pflanzen und durch Verfütterung derſelben Fleiſch, deren Abfall und Verweſungs- produkte dem Boden zurückgegeben den Kreislauf von neuem beginnen, ohne daß etwas in der Natur verloren gehen kann. Aber die einem beſtimmten Orte entnommenen Stoffe werden nur zum Teil eben- demſelben wiedergegeben, denn alle Produkte, die der Landwirt ver- kauft, kommen nicht leicht wieder in denſelben Acker und da ſie zum größten Teil von den Städtern konſumiert werden, welche in erſter Linie die ſanitäre Frage und erſt in zweiter die rationelle Verwertung der Fäkalien berückſichtigen müſſen, ſo geht ein großer Teil derſelben für die Landwirtſchaft ganz verloren. Welche ſind das nun aber und in welcher Menge geſchieht das? Um dieſe Frage beantworten zu können, müſſen wir uns einmal die Beſtandteile und Nahrungsmittel der Pflanze etwas näher betrachten. Hierbei werden wir gleichzeitig erkennen, welche Nährſtoffe der Pflanze überhaupt, alſo auch aus anderen Gründen dem Boden außer den natürlichen Abfällen, wie dem Stallmiſt ꝛc. zuzuführen ſind, z. B. aus dem am häufigſten eintretenden Grunde, daß der Boden von dieſem oder jenem Nährſtoffe niemals eine genügende Menge beſeſſen hat, bez. an welchem er mit der Zeit durch die vor Liebig allgemein üblich geweſene Wirtſchaft erſchöpft wurde.
Die Pflanze beſteht aus organiſchen und anorganiſchen Subſtanzen, die wir durch Verbrennen leicht von einander trennen können, wobei ſich erſtere zerſetzen und verflüchtigen, während die letzteren in der Aſche zurück- bleiben. So mannigfaltig und kompliziert zuſammengeſetzt die organiſchen Beſtandteile auch ſind, ſo beſtehen ſie doch nur aus vier Elementen, nämlich aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff, wahrend die Beſtandteile der Aſche, alſo die anorganiſchen viel zahlrecher ſind.
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Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
einer rationellen und intenſiven Kultur, wenn ſie ihre Aufgabe löſen
will, d. h. im allgemeinen das Land fähig machen, ſeine Einwohner zu
ernähren und im ſpeziellen ein Gut für den Beſitzer rentabel zu machen.
Die Frage, ob dies überhaupt möglich ſei, iſt mit „ja“ zu beantworten,
denn die Wiſſenſchaft hat in zahlreichen, mühſeligen und vorzüglichen
Forſchungen den Weg hierzu ſicher und ſcharf gekennzeichnet; ſchlimmer
ſieht es aber mit der Beantwortung der Frage aus, ob dieſe wiſſen-
ſchaftlichen Errungenſchaften auch überall in die Praxis übertragen
werden. Wenn auch heute nicht mehr verkannt werden darf, daß ein
großer Teil intelligenter Landwirte dieſe Forſchungen zum allgemeinen,
wie zu ihrem eigenen Vorteil verwertet und ihre Zahl ſtetig zunimmt,
ſo iſt doch immer noch der überwiegend große Teil derſelben im alten
Schlendrian begriffen, und große Strecken unſeres Vaterlandes, deren
intenſivere Kultur eine Einfuhr vom Auslande ganz unnötig machen
würde — wie wir am Schluſſe dieſes Abſchnittes nachweiſen werden
— bringen heute noch nicht annähernd den Ertrag, den ſie produzieren
könnten.
Die Landwirtſchaft hat die Aufgabe, aus anorganiſchen Subſtanzen
organiſche zu machen, denn erſtere im Boden enthalten bilden Pflanzen
und durch Verfütterung derſelben Fleiſch, deren Abfall und Verweſungs-
produkte dem Boden zurückgegeben den Kreislauf von neuem beginnen,
ohne daß etwas in der Natur verloren gehen kann. Aber die einem
beſtimmten Orte entnommenen Stoffe werden nur zum Teil eben-
demſelben wiedergegeben, denn alle Produkte, die der Landwirt ver-
kauft, kommen nicht leicht wieder in denſelben Acker und da ſie zum
größten Teil von den Städtern konſumiert werden, welche in erſter
Linie die ſanitäre Frage und erſt in zweiter die rationelle Verwertung
der Fäkalien berückſichtigen müſſen, ſo geht ein großer Teil derſelben
für die Landwirtſchaft ganz verloren. Welche ſind das nun aber und
in welcher Menge geſchieht das? Um dieſe Frage beantworten zu
können, müſſen wir uns einmal die Beſtandteile und Nahrungsmittel
der Pflanze etwas näher betrachten. Hierbei werden wir gleichzeitig
erkennen, welche Nährſtoffe der Pflanze überhaupt, alſo auch aus
anderen Gründen dem Boden außer den natürlichen Abfällen, wie dem
Stallmiſt ꝛc. zuzuführen ſind, z. B. aus dem am häufigſten eintretenden
Grunde, daß der Boden von dieſem oder jenem Nährſtoffe niemals
eine genügende Menge beſeſſen hat, bez. an welchem er mit der Zeit
durch die vor Liebig allgemein üblich geweſene Wirtſchaft erſchöpft wurde.
Die Pflanze beſteht aus organiſchen und anorganiſchen Subſtanzen,
die wir durch Verbrennen leicht von einander trennen können, wobei ſich
erſtere zerſetzen und verflüchtigen, während die letzteren in der Aſche zurück-
bleiben. So mannigfaltig und kompliziert zuſammengeſetzt die organiſchen
Beſtandteile auch ſind, ſo beſtehen ſie doch nur aus vier Elementen,
nämlich aus Kohlenſtoff, Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Stickſtoff, wahrend
die Beſtandteile der Aſche, alſo die anorganiſchen viel zahlrecher ſind.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/442>, abgerufen am 22.11.2024.
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