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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die pflanzlichen Farbstoffe.
aufgefunden. doch sind die Arbeiten noch nicht abgeschlossen, und bisher
scheint es nicht, als ob dem natürlichen Indigo schon jetzt eine ernst-
liche Konkurrenz drohe, und dies um so weniger, als der Preis des
Indigos an sich seit 10 Jahren gefallen ist, so daß die an die Billig-
keit eines künstlichen Darstellungsprozesses zu stellenden Anforderungen
noch gestiegen sind.

Zu den seit dem Altertume bekannten und in neuerer Zeit zu
großer Bedeutung gelangten Farben gehören die Farbstoffe des
Krapps (Färberröte). Schon Dioskorides beschreibt die Pflanze
und ihre Anwendung zum Färben, erwähnt auch, daß sie so-
wohl wild, als angebaut vorkäme. Plinius giebt ihr den latei-
nischen Namen Rubia, der sich als wissenschaftliche Bezeichnung
(rubia tinctorum) bis heute erhalten hat. Im Mittelalter hieß der
Krapp Varantia (Garance), dann aber kam aus der Levante die Be-
nennung Lizari oder Alizari, die von den Chemikern später zur Bezeich-
nung des färbenden Prinzips des Krapps, des Alizarins verwendet
worden ist. In Frankreich und Süddeutschland (Elsaß) wurde der
Krappanbau erst seit dem vorigen Jahrhundert betrieben. Der den Farb-
stoff liefernde Bestandteil der Pflanze ist die Wurzel, man zieht sie
daher auch dem entsprechend so, daß die Blattstiele nur ganz wenig
aus der Erde herausragen. Nach 2 bis 6 Jahren -- je älter die Wurzel,
um so ergiebiger ist sie -- wird geerntet, indem man mit Hacke und
Spaten die Wurzeln ausgräbt. So wenig, wie in den Blättern des
Indigo, ist in den Wurzeln der Färberröte der Farbstoff als solcher
fertig gebildet vorhanden. Die Wurzeln enthalten eine komplizierte
Verbindung, die Ruberythrinsäure, welche beim Zerfall durch Lagern
(Gährung) oder beim Erhitzen mit stark verdünnten Säuren sich in Zucker
und Alizarin spaltet. Daneben entsteht ein zweiter Farbstoff, das
Purpurin, das zum Alizarin in naher Beziehung steht und chemisch
als Oxydationsprodukt desselben aufzufassen ist. Die eingeernteten
Wurzeln werden getrocknet, wobei sie etwa 3/4 ihres Gewichts verlieren,
und dann gemahlen und in eichene Fässer verpackt werden. In letzteren hält
sich der Krapp am besten; beim Lagern erleidet er eine Art Nachreife,
(er "wächst"), die darin beruht, daß sich die Ruberythrinsäure allmäh-
lich zersetzt und dadurch das Alizarin freimacht. Die Hauptlieferanten
des Krapps waren früher Deutschland, Frankreich, Holland, Ungarn
und die Levante (Kleinasien). In Frankreich wurde der Krappbau von
Staatswegen so begünstigt, daß man beim französischen Militär rote
Hosen einführte, um der Krappindustrie ein großes und sicheres Absatz-
gebiet zu verschaffen. Seitdem freilich die künstliche Fabrikation des
Alizarins aus dem Kohlenteer aufgekommen ist, ist der Krappbau mehr
und mehr zurückgegangen, und wird heute nur mehr in kleinem Maß-
stabe betrieben, da seine Kultur nicht mehr lohnt. Die Farbstoffe des
Krapps, das Alizarin und Purpurin, sind Beizenfarbstoffe (s. Abschnitt c).
Als Beizen kommen hauptsächlich Thonerde (das Oxyd des so modernen

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Die pflanzlichen Farbſtoffe.
aufgefunden. doch ſind die Arbeiten noch nicht abgeſchloſſen, und bisher
ſcheint es nicht, als ob dem natürlichen Indigo ſchon jetzt eine ernſt-
liche Konkurrenz drohe, und dies um ſo weniger, als der Preis des
Indigos an ſich ſeit 10 Jahren gefallen iſt, ſo daß die an die Billig-
keit eines künſtlichen Darſtellungsprozeſſes zu ſtellenden Anforderungen
noch geſtiegen ſind.

Zu den ſeit dem Altertume bekannten und in neuerer Zeit zu
großer Bedeutung gelangten Farben gehören die Farbſtoffe des
Krapps (Färberröte). Schon Dioskorides beſchreibt die Pflanze
und ihre Anwendung zum Färben, erwähnt auch, daß ſie ſo-
wohl wild, als angebaut vorkäme. Plinius giebt ihr den latei-
niſchen Namen Rubia, der ſich als wiſſenſchaftliche Bezeichnung
(rubia tinctorum) bis heute erhalten hat. Im Mittelalter hieß der
Krapp Varantia (Garance), dann aber kam aus der Levante die Be-
nennung Lizari oder Alizari, die von den Chemikern ſpäter zur Bezeich-
nung des färbenden Prinzips des Krapps, des Alizarins verwendet
worden iſt. In Frankreich und Süddeutſchland (Elſaß) wurde der
Krappanbau erſt ſeit dem vorigen Jahrhundert betrieben. Der den Farb-
ſtoff liefernde Beſtandteil der Pflanze iſt die Wurzel, man zieht ſie
daher auch dem entſprechend ſo, daß die Blattſtiele nur ganz wenig
aus der Erde herausragen. Nach 2 bis 6 Jahren — je älter die Wurzel,
um ſo ergiebiger iſt ſie — wird geerntet, indem man mit Hacke und
Spaten die Wurzeln ausgräbt. So wenig, wie in den Blättern des
Indigo, iſt in den Wurzeln der Färberröte der Farbſtoff als ſolcher
fertig gebildet vorhanden. Die Wurzeln enthalten eine komplizierte
Verbindung, die Ruberythrinſäure, welche beim Zerfall durch Lagern
(Gährung) oder beim Erhitzen mit ſtark verdünnten Säuren ſich in Zucker
und Alizarin ſpaltet. Daneben entſteht ein zweiter Farbſtoff, das
Purpurin, das zum Alizarin in naher Beziehung ſteht und chemiſch
als Oxydationsprodukt desſelben aufzufaſſen iſt. Die eingeernteten
Wurzeln werden getrocknet, wobei ſie etwa ¾ ihres Gewichts verlieren,
und dann gemahlen und in eichene Fäſſer verpackt werden. In letzteren hält
ſich der Krapp am beſten; beim Lagern erleidet er eine Art Nachreife,
(er „wächſt“), die darin beruht, daß ſich die Ruberythrinſäure allmäh-
lich zerſetzt und dadurch das Alizarin freimacht. Die Hauptlieferanten
des Krapps waren früher Deutſchland, Frankreich, Holland, Ungarn
und die Levante (Kleinaſien). In Frankreich wurde der Krappbau von
Staatswegen ſo begünſtigt, daß man beim franzöſiſchen Militär rote
Hoſen einführte, um der Krappinduſtrie ein großes und ſicheres Abſatz-
gebiet zu verſchaffen. Seitdem freilich die künſtliche Fabrikation des
Alizarins aus dem Kohlenteer aufgekommen iſt, iſt der Krappbau mehr
und mehr zurückgegangen, und wird heute nur mehr in kleinem Maß-
ſtabe betrieben, da ſeine Kultur nicht mehr lohnt. Die Farbſtoffe des
Krapps, das Alizarin und Purpurin, ſind Beizenfarbſtoffe (ſ. Abſchnitt c).
Als Beizen kommen hauptſächlich Thonerde (das Oxyd des ſo modernen

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[403/0421] Die pflanzlichen Farbſtoffe. aufgefunden. doch ſind die Arbeiten noch nicht abgeſchloſſen, und bisher ſcheint es nicht, als ob dem natürlichen Indigo ſchon jetzt eine ernſt- liche Konkurrenz drohe, und dies um ſo weniger, als der Preis des Indigos an ſich ſeit 10 Jahren gefallen iſt, ſo daß die an die Billig- keit eines künſtlichen Darſtellungsprozeſſes zu ſtellenden Anforderungen noch geſtiegen ſind. Zu den ſeit dem Altertume bekannten und in neuerer Zeit zu großer Bedeutung gelangten Farben gehören die Farbſtoffe des Krapps (Färberröte). Schon Dioskorides beſchreibt die Pflanze und ihre Anwendung zum Färben, erwähnt auch, daß ſie ſo- wohl wild, als angebaut vorkäme. Plinius giebt ihr den latei- niſchen Namen Rubia, der ſich als wiſſenſchaftliche Bezeichnung (rubia tinctorum) bis heute erhalten hat. Im Mittelalter hieß der Krapp Varantia (Garance), dann aber kam aus der Levante die Be- nennung Lizari oder Alizari, die von den Chemikern ſpäter zur Bezeich- nung des färbenden Prinzips des Krapps, des Alizarins verwendet worden iſt. In Frankreich und Süddeutſchland (Elſaß) wurde der Krappanbau erſt ſeit dem vorigen Jahrhundert betrieben. Der den Farb- ſtoff liefernde Beſtandteil der Pflanze iſt die Wurzel, man zieht ſie daher auch dem entſprechend ſo, daß die Blattſtiele nur ganz wenig aus der Erde herausragen. Nach 2 bis 6 Jahren — je älter die Wurzel, um ſo ergiebiger iſt ſie — wird geerntet, indem man mit Hacke und Spaten die Wurzeln ausgräbt. So wenig, wie in den Blättern des Indigo, iſt in den Wurzeln der Färberröte der Farbſtoff als ſolcher fertig gebildet vorhanden. Die Wurzeln enthalten eine komplizierte Verbindung, die Ruberythrinſäure, welche beim Zerfall durch Lagern (Gährung) oder beim Erhitzen mit ſtark verdünnten Säuren ſich in Zucker und Alizarin ſpaltet. Daneben entſteht ein zweiter Farbſtoff, das Purpurin, das zum Alizarin in naher Beziehung ſteht und chemiſch als Oxydationsprodukt desſelben aufzufaſſen iſt. Die eingeernteten Wurzeln werden getrocknet, wobei ſie etwa ¾ ihres Gewichts verlieren, und dann gemahlen und in eichene Fäſſer verpackt werden. In letzteren hält ſich der Krapp am beſten; beim Lagern erleidet er eine Art Nachreife, (er „wächſt“), die darin beruht, daß ſich die Ruberythrinſäure allmäh- lich zerſetzt und dadurch das Alizarin freimacht. Die Hauptlieferanten des Krapps waren früher Deutſchland, Frankreich, Holland, Ungarn und die Levante (Kleinaſien). In Frankreich wurde der Krappbau von Staatswegen ſo begünſtigt, daß man beim franzöſiſchen Militär rote Hoſen einführte, um der Krappinduſtrie ein großes und ſicheres Abſatz- gebiet zu verſchaffen. Seitdem freilich die künſtliche Fabrikation des Alizarins aus dem Kohlenteer aufgekommen iſt, iſt der Krappbau mehr und mehr zurückgegangen, und wird heute nur mehr in kleinem Maß- ſtabe betrieben, da ſeine Kultur nicht mehr lohnt. Die Farbſtoffe des Krapps, das Alizarin und Purpurin, ſind Beizenfarbſtoffe (ſ. Abſchnitt c). Als Beizen kommen hauptſächlich Thonerde (das Oxyd des ſo modernen 26*

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/421>, abgerufen am 25.11.2024.