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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Textil-Industrie.
durch Kreuzung veredelt wurden, aufzufassen sind. Doch werden auch
Haare anderer Tiere für Textilzwecke nutzbar gemacht. Die wichtigeren
hierher gehörigen Materialien sind: Kaschmirwolle, auch persische oder
tibetanische Ziegenwolle genannt, bestehend in dem feinen, weißen oder
grauen Flaum- oder Grundhaar der Kaschmirziege, zu echten orienta-
lischen Shawls verwendet; Mohair, als das feine, meist schneeweiße
Haar der Angoraziege, vornehmlich zu feinen Umschlagetüchern, zu halb-
seidenen Stoffen als Einschlag und zu Plüschen benutzt; Alpakawolle,
d. i. das weiße oder schwarze Haar von dem Pako, Alpako, einem
Schafkamel in Amerika, als Kette zu Tibets u. dgl. dienend; Vigogne-
wolle, von dem amerikanischen Vicunda, gleichfalls einer Schafkamel-
art, ein sehr feines, weiches, seidenartiges Haar von rötlich brauner
Farbe, welches zu Tuchen verwandt wird (was gewöhnlich im Handel
als Vigognewolle verkauft wird, ist ein Gemisch von Schafwolle und
Baumwolle); Kamelwolle, als das bräunliche Flaumhaar des Kamels,
zu Taschen, Tisch- und Schlafdecken etc. gebraucht. Auch das Kuhhaar,
das grobe Haar der Hausziege, das Haar der Pudelhunde und Pferde-
haare geben Materialien für Fäden ab, und sogar das Menschenhaar
wird in den letzten Jahren zu Garnen verarbeitet. Andere Haare, z. B.
der Kaninchen und Hasen verspinnt man entweder in geringen Mengen
oder benutzt sie als Beimischung zu besseren Materialien.

Die Seide war schon Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung den
Chinesen als höchst wertvolles Material bekannt. Da dieselbe in großen
Massen gewonnen wurde, sie auch bis ungefähr 100 Jahre v. Chr. ein
Monopol dieses Volkes blieb, so war sie bis dahin kein Luxusartikel,
sondern Gegenstand des allgemeinen Gebrauchs. Unter Justinian I.,
dem Beherrscher des oströmischen Reiches, wurde die Seide durch per-
sische Mönche nach Konstantinopel verschleppt und der Seidenbau nach
Europa verpflanzt. Seide ist das Erzeugnis der Raupe des Seiden-
oder Maulbeerspinners. Diese sondert aus zwei kleinen Öffnungen der
Unterlippe bei ihrer Verpuppung zwei Fäden ab, welche sie sogleich zu
einem einzigen vereinigt und an Reisig oder dergl. anheftet, den Faden
dichter und dichter um sich ziehend und so eine eiförmige Hülle, den
Cocon, bildend. Von letzterem kann man den Faden unter Erfüllung
einfacher Bedingungen wie von einem Knäuel abziehen. Auch die
Raupen anderer Schmetterlinge liefern Cocons, und damit Seide; als
die bekannteste darf die Tussahseide gelten, welche von dem Eichenspinner
stammt. Die vorerst beregte Seide übertrifft alle anderen Arten an Festig-
keit, Elastizität und Glanz. Nur der Vollständigkeit halben sei erwähnt, daß
auch ein im Golf von Neapel vorkommendes Muscheltier lange, glän-
zende Seidenfäden absondert, die unter dem Namen Muschelseide bekannt
sind; doch sind die Mengen so gering, daß diese Seide nie Handels-
gegenstand geworden ist.

In der Natur der Sache lag es, daß man sich schon seit
einer langen Reihe von Jahren bemüht hat, das kostbare Material

Die Textil-Induſtrie.
durch Kreuzung veredelt wurden, aufzufaſſen ſind. Doch werden auch
Haare anderer Tiere für Textilzwecke nutzbar gemacht. Die wichtigeren
hierher gehörigen Materialien ſind: Kaſchmirwolle, auch perſiſche oder
tibetaniſche Ziegenwolle genannt, beſtehend in dem feinen, weißen oder
grauen Flaum- oder Grundhaar der Kaſchmirziege, zu echten orienta-
liſchen Shawls verwendet; Mohair, als das feine, meiſt ſchneeweiße
Haar der Angoraziege, vornehmlich zu feinen Umſchlagetüchern, zu halb-
ſeidenen Stoffen als Einſchlag und zu Plüſchen benutzt; Alpakawolle,
d. i. das weiße oder ſchwarze Haar von dem Pako, Alpako, einem
Schafkamel in Amerika, als Kette zu Tibets u. dgl. dienend; Vigogne-
wolle, von dem amerikaniſchen Vicuña, gleichfalls einer Schafkamel-
art, ein ſehr feines, weiches, ſeidenartiges Haar von rötlich brauner
Farbe, welches zu Tuchen verwandt wird (was gewöhnlich im Handel
als Vigognewolle verkauft wird, iſt ein Gemiſch von Schafwolle und
Baumwolle); Kamelwolle, als das bräunliche Flaumhaar des Kamels,
zu Taſchen, Tiſch- und Schlafdecken ꝛc. gebraucht. Auch das Kuhhaar,
das grobe Haar der Hausziege, das Haar der Pudelhunde und Pferde-
haare geben Materialien für Fäden ab, und ſogar das Menſchenhaar
wird in den letzten Jahren zu Garnen verarbeitet. Andere Haare, z. B.
der Kaninchen und Haſen verſpinnt man entweder in geringen Mengen
oder benutzt ſie als Beimiſchung zu beſſeren Materialien.

Die Seide war ſchon Jahrtauſende vor unſerer Zeitrechnung den
Chineſen als höchſt wertvolles Material bekannt. Da dieſelbe in großen
Maſſen gewonnen wurde, ſie auch bis ungefähr 100 Jahre v. Chr. ein
Monopol dieſes Volkes blieb, ſo war ſie bis dahin kein Luxusartikel,
ſondern Gegenſtand des allgemeinen Gebrauchs. Unter Juſtinian I.,
dem Beherrſcher des oſtrömiſchen Reiches, wurde die Seide durch per-
ſiſche Mönche nach Konſtantinopel verſchleppt und der Seidenbau nach
Europa verpflanzt. Seide iſt das Erzeugnis der Raupe des Seiden-
oder Maulbeerſpinners. Dieſe ſondert aus zwei kleinen Öffnungen der
Unterlippe bei ihrer Verpuppung zwei Fäden ab, welche ſie ſogleich zu
einem einzigen vereinigt und an Reiſig oder dergl. anheftet, den Faden
dichter und dichter um ſich ziehend und ſo eine eiförmige Hülle, den
Cocon, bildend. Von letzterem kann man den Faden unter Erfüllung
einfacher Bedingungen wie von einem Knäuel abziehen. Auch die
Raupen anderer Schmetterlinge liefern Cocons, und damit Seide; als
die bekannteſte darf die Tuſſahſeide gelten, welche von dem Eichenſpinner
ſtammt. Die vorerſt beregte Seide übertrifft alle anderen Arten an Feſtig-
keit, Elaſtizität und Glanz. Nur der Vollſtändigkeit halben ſei erwähnt, daß
auch ein im Golf von Neapel vorkommendes Muſcheltier lange, glän-
zende Seidenfäden abſondert, die unter dem Namen Muſchelſeide bekannt
ſind; doch ſind die Mengen ſo gering, daß dieſe Seide nie Handels-
gegenſtand geworden iſt.

In der Natur der Sache lag es, daß man ſich ſchon ſeit
einer langen Reihe von Jahren bemüht hat, das koſtbare Material

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[336/0354] Die Textil-Induſtrie. durch Kreuzung veredelt wurden, aufzufaſſen ſind. Doch werden auch Haare anderer Tiere für Textilzwecke nutzbar gemacht. Die wichtigeren hierher gehörigen Materialien ſind: Kaſchmirwolle, auch perſiſche oder tibetaniſche Ziegenwolle genannt, beſtehend in dem feinen, weißen oder grauen Flaum- oder Grundhaar der Kaſchmirziege, zu echten orienta- liſchen Shawls verwendet; Mohair, als das feine, meiſt ſchneeweiße Haar der Angoraziege, vornehmlich zu feinen Umſchlagetüchern, zu halb- ſeidenen Stoffen als Einſchlag und zu Plüſchen benutzt; Alpakawolle, d. i. das weiße oder ſchwarze Haar von dem Pako, Alpako, einem Schafkamel in Amerika, als Kette zu Tibets u. dgl. dienend; Vigogne- wolle, von dem amerikaniſchen Vicuña, gleichfalls einer Schafkamel- art, ein ſehr feines, weiches, ſeidenartiges Haar von rötlich brauner Farbe, welches zu Tuchen verwandt wird (was gewöhnlich im Handel als Vigognewolle verkauft wird, iſt ein Gemiſch von Schafwolle und Baumwolle); Kamelwolle, als das bräunliche Flaumhaar des Kamels, zu Taſchen, Tiſch- und Schlafdecken ꝛc. gebraucht. Auch das Kuhhaar, das grobe Haar der Hausziege, das Haar der Pudelhunde und Pferde- haare geben Materialien für Fäden ab, und ſogar das Menſchenhaar wird in den letzten Jahren zu Garnen verarbeitet. Andere Haare, z. B. der Kaninchen und Haſen verſpinnt man entweder in geringen Mengen oder benutzt ſie als Beimiſchung zu beſſeren Materialien. Die Seide war ſchon Jahrtauſende vor unſerer Zeitrechnung den Chineſen als höchſt wertvolles Material bekannt. Da dieſelbe in großen Maſſen gewonnen wurde, ſie auch bis ungefähr 100 Jahre v. Chr. ein Monopol dieſes Volkes blieb, ſo war ſie bis dahin kein Luxusartikel, ſondern Gegenſtand des allgemeinen Gebrauchs. Unter Juſtinian I., dem Beherrſcher des oſtrömiſchen Reiches, wurde die Seide durch per- ſiſche Mönche nach Konſtantinopel verſchleppt und der Seidenbau nach Europa verpflanzt. Seide iſt das Erzeugnis der Raupe des Seiden- oder Maulbeerſpinners. Dieſe ſondert aus zwei kleinen Öffnungen der Unterlippe bei ihrer Verpuppung zwei Fäden ab, welche ſie ſogleich zu einem einzigen vereinigt und an Reiſig oder dergl. anheftet, den Faden dichter und dichter um ſich ziehend und ſo eine eiförmige Hülle, den Cocon, bildend. Von letzterem kann man den Faden unter Erfüllung einfacher Bedingungen wie von einem Knäuel abziehen. Auch die Raupen anderer Schmetterlinge liefern Cocons, und damit Seide; als die bekannteſte darf die Tuſſahſeide gelten, welche von dem Eichenſpinner ſtammt. Die vorerſt beregte Seide übertrifft alle anderen Arten an Feſtig- keit, Elaſtizität und Glanz. Nur der Vollſtändigkeit halben ſei erwähnt, daß auch ein im Golf von Neapel vorkommendes Muſcheltier lange, glän- zende Seidenfäden abſondert, die unter dem Namen Muſchelſeide bekannt ſind; doch ſind die Mengen ſo gering, daß dieſe Seide nie Handels- gegenſtand geworden iſt. In der Natur der Sache lag es, daß man ſich ſchon ſeit einer langen Reihe von Jahren bemüht hat, das koſtbare Material

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/354>, abgerufen am 22.11.2024.