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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die telegraphische Zeitversorgung.
ders gleichmäßigen Gang auszeichnet, hat die Aufgabe, die ihr unter-
geordneten Uhren stets nach Ablauf einer Stunde genau zu stellen und
zu gleicher Zeit soweit wieder aufzuziehen, als dieselben inzwischen ab-
gelaufen sind. Dazu sind die einzelnen Uhren in ein Kreisrohr ein-
geschaltet, das bei der Gruppenuhr anfängt und endigt. In diesem
Kreisrohr wird nun die Luft nicht mehr verdichtet, sondern vielmehr
soweit verdünnt, daß sie etwa nur 2/3 Atmosphären Spannung hat.
Das geschieht auch durch keine kostspielige Pumpenvorrichtung mehr,
sondern die Luft wird durch das Ausströmen einiger Liter Wasser aus
der Wasserleitung aus dem Röhrensystem herausgesaugt, ähnlich wie
dies bei dem vielfach verwendeten Wasserstrahlgebläse geschieht. Das
Wasser kommt jedoch mit den Uhren selbst in keine Berührung, sondern
läuft einfach weg. Die dabei entwickelte Kraft ist ungemein groß: sie
genügt, um Gewichte von mehreren Zentnern zu heben, und der Er-
finder berechnet die Zahl der Uhren, die sich durch eine einzige Gruppen-
uhr versorgen lassen, nach Tausenden. Dabei hat das täglich ver-
brauchte Wasser einen Wert von nur wenigen Pfennigen; also die Ver-
sorgung läßt in Beziehung auf Billigkeit nichts zu wünschen übrig. Da
die Gruppenuhr in ihrem Gange möglichst wenig gestört werden soll, und
vielleicht auch weil ihren Gewichten nicht noch diese Arbeit zugemutet
werden darf, wird die Auslösung der Wassermenge nicht von ihr selbst,
sondern erst indirekt hervorgebracht. Die Uhr löst nur einen kleinen,
elektrischen Hilfsapparat aus, der seinerseits den Ausweg für das
Wasser freizumachen bestimmt ist. Durch dieses Auspumpen der Luft
wird nun an jeder der einzelnen Uhren ein Hebelwerk in Bewegung
gesetzt, das einmal die Zeiger der Uhr richtet, wenn sie nicht die volle
Stunde genau angeben sollten, und zugleich die Arbeit des Aufziehens
besorgt. Die Einzeluhren werden sicher schon nahezu richtig gehen, sie
werden in der Stunde kaum jemals um einen für das Auge wahr-
nehmbaren Betrag zurückbleiben oder voraneilen, aber selbst wenn dieser
Fehler bedeutend größer würde, so würde trotzdem die Richtigstellung
stets nach Ablauf einer Stunde erfolgen. Nachdem die Gruppenuhr
in dieser Weise die Einzeluhren gerichtet und zugleich mit neuer Kraft
gespeist hat, bringt sie nun auch selbstthätig wieder die Luft in dem
Röhrensystem auf die Spannung der Atmosphäre. Das Ganze voll-
zieht sich im Laufe weniger Sekunden.

Sollte die Wirkung der Wasserleitung einmal ausbleiben, weil sie
etwa wegen Frostwetters oder einer Feuersbrunst abgesperrt werden
mußte, so wird dadurch kein Schaden herbeigeführt, weil gerade des-
halb die Einzeluhren so eingerichtet sind, daß sie, einmal aufgezogen,
acht Tage lang im Gange bleiben.

Für die Einführung dieses Uhrensystemes in Berlin arbeitet jetzt
die Urania-Säulen-Gesellschaft. Die Ausführung ist die folgende:
Einzelne öffentliche Gebäude, Hotels oder andere größere Privatbauten

17*

Die telegraphiſche Zeitverſorgung.
ders gleichmäßigen Gang auszeichnet, hat die Aufgabe, die ihr unter-
geordneten Uhren ſtets nach Ablauf einer Stunde genau zu ſtellen und
zu gleicher Zeit ſoweit wieder aufzuziehen, als dieſelben inzwiſchen ab-
gelaufen ſind. Dazu ſind die einzelnen Uhren in ein Kreisrohr ein-
geſchaltet, das bei der Gruppenuhr anfängt und endigt. In dieſem
Kreisrohr wird nun die Luft nicht mehr verdichtet, ſondern vielmehr
ſoweit verdünnt, daß ſie etwa nur ⅔ Atmoſphären Spannung hat.
Das geſchieht auch durch keine koſtſpielige Pumpenvorrichtung mehr,
ſondern die Luft wird durch das Ausſtrömen einiger Liter Waſſer aus
der Waſſerleitung aus dem Röhrenſyſtem herausgeſaugt, ähnlich wie
dies bei dem vielfach verwendeten Waſſerſtrahlgebläſe geſchieht. Das
Waſſer kommt jedoch mit den Uhren ſelbſt in keine Berührung, ſondern
läuft einfach weg. Die dabei entwickelte Kraft iſt ungemein groß: ſie
genügt, um Gewichte von mehreren Zentnern zu heben, und der Er-
finder berechnet die Zahl der Uhren, die ſich durch eine einzige Gruppen-
uhr verſorgen laſſen, nach Tauſenden. Dabei hat das täglich ver-
brauchte Waſſer einen Wert von nur wenigen Pfennigen; alſo die Ver-
ſorgung läßt in Beziehung auf Billigkeit nichts zu wünſchen übrig. Da
die Gruppenuhr in ihrem Gange möglichſt wenig geſtört werden ſoll, und
vielleicht auch weil ihren Gewichten nicht noch dieſe Arbeit zugemutet
werden darf, wird die Auslöſung der Waſſermenge nicht von ihr ſelbſt,
ſondern erſt indirekt hervorgebracht. Die Uhr löſt nur einen kleinen,
elektriſchen Hilfsapparat aus, der ſeinerſeits den Ausweg für das
Waſſer freizumachen beſtimmt iſt. Durch dieſes Auspumpen der Luft
wird nun an jeder der einzelnen Uhren ein Hebelwerk in Bewegung
geſetzt, das einmal die Zeiger der Uhr richtet, wenn ſie nicht die volle
Stunde genau angeben ſollten, und zugleich die Arbeit des Aufziehens
beſorgt. Die Einzeluhren werden ſicher ſchon nahezu richtig gehen, ſie
werden in der Stunde kaum jemals um einen für das Auge wahr-
nehmbaren Betrag zurückbleiben oder voraneilen, aber ſelbſt wenn dieſer
Fehler bedeutend größer würde, ſo würde trotzdem die Richtigſtellung
ſtets nach Ablauf einer Stunde erfolgen. Nachdem die Gruppenuhr
in dieſer Weiſe die Einzeluhren gerichtet und zugleich mit neuer Kraft
geſpeiſt hat, bringt ſie nun auch ſelbſtthätig wieder die Luft in dem
Röhrenſyſtem auf die Spannung der Atmoſphäre. Das Ganze voll-
zieht ſich im Laufe weniger Sekunden.

Sollte die Wirkung der Waſſerleitung einmal ausbleiben, weil ſie
etwa wegen Froſtwetters oder einer Feuersbrunſt abgeſperrt werden
mußte, ſo wird dadurch kein Schaden herbeigeführt, weil gerade des-
halb die Einzeluhren ſo eingerichtet ſind, daß ſie, einmal aufgezogen,
acht Tage lang im Gange bleiben.

Für die Einführung dieſes Uhrenſyſtemes in Berlin arbeitet jetzt
die Urania-Säulen-Geſellſchaft. Die Ausführung iſt die folgende:
Einzelne öffentliche Gebäude, Hotels oder andere größere Privatbauten

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[259/0277] Die telegraphiſche Zeitverſorgung. ders gleichmäßigen Gang auszeichnet, hat die Aufgabe, die ihr unter- geordneten Uhren ſtets nach Ablauf einer Stunde genau zu ſtellen und zu gleicher Zeit ſoweit wieder aufzuziehen, als dieſelben inzwiſchen ab- gelaufen ſind. Dazu ſind die einzelnen Uhren in ein Kreisrohr ein- geſchaltet, das bei der Gruppenuhr anfängt und endigt. In dieſem Kreisrohr wird nun die Luft nicht mehr verdichtet, ſondern vielmehr ſoweit verdünnt, daß ſie etwa nur ⅔ Atmoſphären Spannung hat. Das geſchieht auch durch keine koſtſpielige Pumpenvorrichtung mehr, ſondern die Luft wird durch das Ausſtrömen einiger Liter Waſſer aus der Waſſerleitung aus dem Röhrenſyſtem herausgeſaugt, ähnlich wie dies bei dem vielfach verwendeten Waſſerſtrahlgebläſe geſchieht. Das Waſſer kommt jedoch mit den Uhren ſelbſt in keine Berührung, ſondern läuft einfach weg. Die dabei entwickelte Kraft iſt ungemein groß: ſie genügt, um Gewichte von mehreren Zentnern zu heben, und der Er- finder berechnet die Zahl der Uhren, die ſich durch eine einzige Gruppen- uhr verſorgen laſſen, nach Tauſenden. Dabei hat das täglich ver- brauchte Waſſer einen Wert von nur wenigen Pfennigen; alſo die Ver- ſorgung läßt in Beziehung auf Billigkeit nichts zu wünſchen übrig. Da die Gruppenuhr in ihrem Gange möglichſt wenig geſtört werden ſoll, und vielleicht auch weil ihren Gewichten nicht noch dieſe Arbeit zugemutet werden darf, wird die Auslöſung der Waſſermenge nicht von ihr ſelbſt, ſondern erſt indirekt hervorgebracht. Die Uhr löſt nur einen kleinen, elektriſchen Hilfsapparat aus, der ſeinerſeits den Ausweg für das Waſſer freizumachen beſtimmt iſt. Durch dieſes Auspumpen der Luft wird nun an jeder der einzelnen Uhren ein Hebelwerk in Bewegung geſetzt, das einmal die Zeiger der Uhr richtet, wenn ſie nicht die volle Stunde genau angeben ſollten, und zugleich die Arbeit des Aufziehens beſorgt. Die Einzeluhren werden ſicher ſchon nahezu richtig gehen, ſie werden in der Stunde kaum jemals um einen für das Auge wahr- nehmbaren Betrag zurückbleiben oder voraneilen, aber ſelbſt wenn dieſer Fehler bedeutend größer würde, ſo würde trotzdem die Richtigſtellung ſtets nach Ablauf einer Stunde erfolgen. Nachdem die Gruppenuhr in dieſer Weiſe die Einzeluhren gerichtet und zugleich mit neuer Kraft geſpeiſt hat, bringt ſie nun auch ſelbſtthätig wieder die Luft in dem Röhrenſyſtem auf die Spannung der Atmoſphäre. Das Ganze voll- zieht ſich im Laufe weniger Sekunden. Sollte die Wirkung der Waſſerleitung einmal ausbleiben, weil ſie etwa wegen Froſtwetters oder einer Feuersbrunſt abgeſperrt werden mußte, ſo wird dadurch kein Schaden herbeigeführt, weil gerade des- halb die Einzeluhren ſo eingerichtet ſind, daß ſie, einmal aufgezogen, acht Tage lang im Gange bleiben. Für die Einführung dieſes Uhrenſyſtemes in Berlin arbeitet jetzt die Urania-Säulen-Geſellſchaft. Die Ausführung iſt die folgende: Einzelne öffentliche Gebäude, Hotels oder andere größere Privatbauten 17*

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/277>, abgerufen am 25.11.2024.