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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.

So weitergehend kann man bei einem Netze von mehr als 3 Kilo-
metern Durchmesser etwa ein Fünfleitersystem einführen. Die Verhältnisse
werden auch noch weiter kompliziert, wenn man Akkumulatoren benutzt
und durch besondere Einrichtungen darauf hält, daß sich die Spannung
in dem ganzen Netze immer ziemlich auf derselben Höhe erhalte. Wie das
bewirkt werden kann, das wollen wir an einer besonders interessanten
Anlage erörtern, welche im vorigen Jahre in der Stadt Trient durch
Siemeus & Halske zur Ausführung gelangte. Im Osten dieser Stadt
fließt der wasserreiche Fersinabach durch eine enge Schlucht. Bei
Hochwasser verursachte er seit uralter Zeit der Stadt großen Schaden.
Durch eine Sperre, die in den letzten Jahren dort ausgeführt wurde
-- ein großartiges Werk in dem 73 Meter tiefen Abgrund erbaut --
und eine schon im vorigen Jahrhundert an einer höheren Stelle an-
gelegte ebensolche Sperre sind die Trientiner jetzt gegen diese Gefahren
geschützt. Zwischen den beiden Bauwerken hat der Bach ein Gefälle
von 52 Metern, und dieses zum Vorteil der Stadtgemeinde auszunutzen,
war ein Rat, welchen die überaus schnellen Fortschritte der Elektro-
technik der Verwaltung nahelegten. Dazu wurde das Wasser der
Fersina an der oberen Sperre durch einen in den Felsen gehauenen
Kanal abgeleitet, daß es an der Sohle desselben in einem Strahle
von 1 Meter Dicke ausströmt. Es kommt zunächst in ein unterirdisches
Bassin und von diesem in einen ebensolchen zum Teil ausgemauerten, zum
Teil in Fels gehauenen Kanal von 752 Metern Länge und 1 Meter
Breite, und diesen können in der Sekunde 1200 Liter Wasser durch-
strömen. Er füllt zunächst ein Reservoir von 1000 Kubikmetern
Inhalt, aus dem die Druckleitungen das Wasser zum ferneren Gebrauche
weiter führen. Ihren an sich sehr interessanten Bau wollen wir nicht
näher erörtern, sondern ihnen nur in das 860 Meter weiter liegende
Maschinenhaus folgen, wo sie sechs Turbinen treiben, deren jede über
200 Umdrehungen in der Minute ausführt und über 120 Pferdestärken
zu leisten vermag. Mit ihnen sind die sechs Innenpol-Dynamomaschinen
gekuppelt. Gewöhnlich sind nur vier Turbinen und vier Maschinen in
Thätigkeit, die andern dienen nur zur Reserve. Da sich bald heraus-
stellte, daß der Verbrauch an Kraft für Lampen und Motoren nachts
von 11 Uhr bis 6 Uhr nicht einmal die Hälfte des täglichen Maximums
erreicht, so wird man natürlich viel an Arbeit ersparen, wenn man

[Abbildung] Fig. 148.

Schaltschema des Fünfleiter-Systems der Trienter Zentrale.

gerade in dieser Zeit Akku-
mulatoren laden läßt. In
unserem Schema haben wir
uns links diese Haupt-
station zu denken; statt der
vier Maschinen ist nur
eine gezeichnet, die wir
uns in ihrer Wirkung mit
jenen gleichwertig vor-

Die elektriſchen Erfindungen.

So weitergehend kann man bei einem Netze von mehr als 3 Kilo-
metern Durchmeſſer etwa ein Fünfleiterſyſtem einführen. Die Verhältniſſe
werden auch noch weiter kompliziert, wenn man Akkumulatoren benutzt
und durch beſondere Einrichtungen darauf hält, daß ſich die Spannung
in dem ganzen Netze immer ziemlich auf derſelben Höhe erhalte. Wie das
bewirkt werden kann, das wollen wir an einer beſonders intereſſanten
Anlage erörtern, welche im vorigen Jahre in der Stadt Trient durch
Siemeus & Halske zur Ausführung gelangte. Im Oſten dieſer Stadt
fließt der waſſerreiche Ferſinabach durch eine enge Schlucht. Bei
Hochwaſſer verurſachte er ſeit uralter Zeit der Stadt großen Schaden.
Durch eine Sperre, die in den letzten Jahren dort ausgeführt wurde
— ein großartiges Werk in dem 73 Meter tiefen Abgrund erbaut —
und eine ſchon im vorigen Jahrhundert an einer höheren Stelle an-
gelegte ebenſolche Sperre ſind die Trientiner jetzt gegen dieſe Gefahren
geſchützt. Zwiſchen den beiden Bauwerken hat der Bach ein Gefälle
von 52 Metern, und dieſes zum Vorteil der Stadtgemeinde auszunutzen,
war ein Rat, welchen die überaus ſchnellen Fortſchritte der Elektro-
technik der Verwaltung nahelegten. Dazu wurde das Waſſer der
Ferſina an der oberen Sperre durch einen in den Felſen gehauenen
Kanal abgeleitet, daß es an der Sohle desſelben in einem Strahle
von 1 Meter Dicke ausſtrömt. Es kommt zunächſt in ein unterirdiſches
Baſſin und von dieſem in einen ebenſolchen zum Teil ausgemauerten, zum
Teil in Fels gehauenen Kanal von 752 Metern Länge und 1 Meter
Breite, und dieſen können in der Sekunde 1200 Liter Waſſer durch-
ſtrömen. Er füllt zunächſt ein Reſervoir von 1000 Kubikmetern
Inhalt, aus dem die Druckleitungen das Waſſer zum ferneren Gebrauche
weiter führen. Ihren an ſich ſehr intereſſanten Bau wollen wir nicht
näher erörtern, ſondern ihnen nur in das 860 Meter weiter liegende
Maſchinenhaus folgen, wo ſie ſechs Turbinen treiben, deren jede über
200 Umdrehungen in der Minute ausführt und über 120 Pferdeſtärken
zu leiſten vermag. Mit ihnen ſind die ſechs Innenpol-Dynamomaſchinen
gekuppelt. Gewöhnlich ſind nur vier Turbinen und vier Maſchinen in
Thätigkeit, die andern dienen nur zur Reſerve. Da ſich bald heraus-
ſtellte, daß der Verbrauch an Kraft für Lampen und Motoren nachts
von 11 Uhr bis 6 Uhr nicht einmal die Hälfte des täglichen Maximums
erreicht, ſo wird man natürlich viel an Arbeit erſparen, wenn man

[Abbildung] Fig. 148.

Schaltſchema des Fünfleiter-Syſtems der Trienter Zentrale.

gerade in dieſer Zeit Akku-
mulatoren laden läßt. In
unſerem Schema haben wir
uns links dieſe Haupt-
ſtation zu denken; ſtatt der
vier Maſchinen iſt nur
eine gezeichnet, die wir
uns in ihrer Wirkung mit
jenen gleichwertig vor-

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[206/0224] Die elektriſchen Erfindungen. So weitergehend kann man bei einem Netze von mehr als 3 Kilo- metern Durchmeſſer etwa ein Fünfleiterſyſtem einführen. Die Verhältniſſe werden auch noch weiter kompliziert, wenn man Akkumulatoren benutzt und durch beſondere Einrichtungen darauf hält, daß ſich die Spannung in dem ganzen Netze immer ziemlich auf derſelben Höhe erhalte. Wie das bewirkt werden kann, das wollen wir an einer beſonders intereſſanten Anlage erörtern, welche im vorigen Jahre in der Stadt Trient durch Siemeus & Halske zur Ausführung gelangte. Im Oſten dieſer Stadt fließt der waſſerreiche Ferſinabach durch eine enge Schlucht. Bei Hochwaſſer verurſachte er ſeit uralter Zeit der Stadt großen Schaden. Durch eine Sperre, die in den letzten Jahren dort ausgeführt wurde — ein großartiges Werk in dem 73 Meter tiefen Abgrund erbaut — und eine ſchon im vorigen Jahrhundert an einer höheren Stelle an- gelegte ebenſolche Sperre ſind die Trientiner jetzt gegen dieſe Gefahren geſchützt. Zwiſchen den beiden Bauwerken hat der Bach ein Gefälle von 52 Metern, und dieſes zum Vorteil der Stadtgemeinde auszunutzen, war ein Rat, welchen die überaus ſchnellen Fortſchritte der Elektro- technik der Verwaltung nahelegten. Dazu wurde das Waſſer der Ferſina an der oberen Sperre durch einen in den Felſen gehauenen Kanal abgeleitet, daß es an der Sohle desſelben in einem Strahle von 1 Meter Dicke ausſtrömt. Es kommt zunächſt in ein unterirdiſches Baſſin und von dieſem in einen ebenſolchen zum Teil ausgemauerten, zum Teil in Fels gehauenen Kanal von 752 Metern Länge und 1 Meter Breite, und dieſen können in der Sekunde 1200 Liter Waſſer durch- ſtrömen. Er füllt zunächſt ein Reſervoir von 1000 Kubikmetern Inhalt, aus dem die Druckleitungen das Waſſer zum ferneren Gebrauche weiter führen. Ihren an ſich ſehr intereſſanten Bau wollen wir nicht näher erörtern, ſondern ihnen nur in das 860 Meter weiter liegende Maſchinenhaus folgen, wo ſie ſechs Turbinen treiben, deren jede über 200 Umdrehungen in der Minute ausführt und über 120 Pferdeſtärken zu leiſten vermag. Mit ihnen ſind die ſechs Innenpol-Dynamomaſchinen gekuppelt. Gewöhnlich ſind nur vier Turbinen und vier Maſchinen in Thätigkeit, die andern dienen nur zur Reſerve. Da ſich bald heraus- ſtellte, daß der Verbrauch an Kraft für Lampen und Motoren nachts von 11 Uhr bis 6 Uhr nicht einmal die Hälfte des täglichen Maximums erreicht, ſo wird man natürlich viel an Arbeit erſparen, wenn man [Abbildung Fig. 148. Schaltſchema des Fünfleiter-Syſtems der Trienter Zentrale.] gerade in dieſer Zeit Akku- mulatoren laden läßt. In unſerem Schema haben wir uns links dieſe Haupt- ſtation zu denken; ſtatt der vier Maſchinen iſt nur eine gezeichnet, die wir uns in ihrer Wirkung mit jenen gleichwertig vor-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/224>, abgerufen am 26.11.2024.