Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Lauffener Übertragung.
Teilen wieder in Transformatoren. Ein Teilstrom setzte seine Spannung
auf 100 Volt herab und speiste 1000 Glühlampen, das Übrige trieb
wieder mehrere Drehstrommotoren mit 600 Umdrehungen in der Minute.
Der eine übertrug seine Drehung auf eine Pumpe, welche einen
Wasserfall von 6 Meter Höhe versorgte, und so ward ein Teil von
jener Kraft, die in Lauffen durch den Fall des Wassers hervorgebracht
war, in Frankfurt verwendet, um einen neuen Wasserfall zu erzeugen
-- ein Kreislauf der Kräfte, wie wir ihn eben nur mit Hilfe der
Elektrizität herzustellen im Stande sind. Ein Zeichen, in Frankfurt
gegeben, genügte, daß in Lauffen die Turbine in Bewegung gesetzt
wurde, in der Ausstellung 1000 Glühlampen zugleich ihr Licht aus-
gossen, die Pumpe ihre Arbeit und das Wasser seinen Sturz begann.

Wir reproduzieren hier nach einem Photogramme eine andere
Einrichtung von der Frankfurter Ausstellung, bei welcher freilich nur
ein Strom von 100 Pferdestärken von der Firma Schuckert & Co. in
Nürnberg (Fig. 143) auf vier Kilometer übertragen wurde. Wir erblicken
links den Drehstrommotor, der von dem so weit entfernten Palmengarten
her seinen Antrieb erhielt, und rechts eine Centrifugalpumpe, die mit
dem Motor ihre Achse gemein hat, also sofort in Thätigkeit trat,
wenn der Ringanker seine Drehung begann. Übrigens war der Verlust
an Kraft bei der Lauffener Übertragung ein so geringer, wie man ihn
kaum erwarten durfte. Drei Viertel von der Leistungsfähigkeit der
Turbine waren als niedrig gespannter Strom noch in Frankfurt zur
Verfügung.

Die elektrischen Zentralanlagen.

Solche Versuche berechtigen zu den kühnsten Hoffnungen für die
Zukunft. Überall liegen unbenützte Naturkräfte brach, die auf ihre
geeignete Verwertung warten. Der Sturz des fließenden Wassers, das
Wehen der Winde, die Gewalt der Gezeiten, sie sind noch längst nicht, auch
nur in einem geringen Bruchteil nutzbar gemacht, (vgl. auch S. 123) und
doch ist die Elektrizität geeignet, wie kein Mittel sonst, die rohen Natur-
gewalten in dem Metalldrahte gebändigt an dem gewünschten Orte
zu wohlthätiger Wirkung zu bringen. Neuerdings werden die ersten
Anfänge in dieser Ausnutzung und Fortleitung gegebener Kräfte gemacht.
Die Lauffener Übertragung gab das Muster einer Anlage, welche dem
Ausfluß der Adda aus dem Comersee die Kraft entnehmen soll, die
in den Straßen Mailands nachts ein helles Licht verbreiten, am Tage
tausend fleißigen Händen bei ihrer Arbeit helfen wird. Und so haben
auch jene 550000 Kubikmeter Wasser, welche innerhalb jeder Minute
im Niagarafalle 70 bis 80 Meter herabstürzen, die Augen der Techniker
längst auf sich gelenkt. Eine großartige, jetzt vollendete Turbinen-
anlage entzieht dem Falle eine kaum merkliche Wassermenge und entnimmt
ihm dadurch 120000 Pferdestärken, während die Hälfte seiner Kraft
genügen würde, um fünf Sechstel aller mit Kohle gespeisten Maschinen

Die Lauffener Übertragung.
Teilen wieder in Transformatoren. Ein Teilſtrom ſetzte ſeine Spannung
auf 100 Volt herab und ſpeiſte 1000 Glühlampen, das Übrige trieb
wieder mehrere Drehſtrommotoren mit 600 Umdrehungen in der Minute.
Der eine übertrug ſeine Drehung auf eine Pumpe, welche einen
Waſſerfall von 6 Meter Höhe verſorgte, und ſo ward ein Teil von
jener Kraft, die in Lauffen durch den Fall des Waſſers hervorgebracht
war, in Frankfurt verwendet, um einen neuen Waſſerfall zu erzeugen
— ein Kreislauf der Kräfte, wie wir ihn eben nur mit Hilfe der
Elektrizität herzuſtellen im Stande ſind. Ein Zeichen, in Frankfurt
gegeben, genügte, daß in Lauffen die Turbine in Bewegung geſetzt
wurde, in der Ausſtellung 1000 Glühlampen zugleich ihr Licht aus-
goſſen, die Pumpe ihre Arbeit und das Waſſer ſeinen Sturz begann.

Wir reproduzieren hier nach einem Photogramme eine andere
Einrichtung von der Frankfurter Ausſtellung, bei welcher freilich nur
ein Strom von 100 Pferdeſtärken von der Firma Schuckert & Co. in
Nürnberg (Fig. 143) auf vier Kilometer übertragen wurde. Wir erblicken
links den Drehſtrommotor, der von dem ſo weit entfernten Palmengarten
her ſeinen Antrieb erhielt, und rechts eine Centrifugalpumpe, die mit
dem Motor ihre Achſe gemein hat, alſo ſofort in Thätigkeit trat,
wenn der Ringanker ſeine Drehung begann. Übrigens war der Verluſt
an Kraft bei der Lauffener Übertragung ein ſo geringer, wie man ihn
kaum erwarten durfte. Drei Viertel von der Leiſtungsfähigkeit der
Turbine waren als niedrig geſpannter Strom noch in Frankfurt zur
Verfügung.

Die elektriſchen Zentralanlagen.

Solche Verſuche berechtigen zu den kühnſten Hoffnungen für die
Zukunft. Überall liegen unbenützte Naturkräfte brach, die auf ihre
geeignete Verwertung warten. Der Sturz des fließenden Waſſers, das
Wehen der Winde, die Gewalt der Gezeiten, ſie ſind noch längſt nicht, auch
nur in einem geringen Bruchteil nutzbar gemacht, (vgl. auch S. 123) und
doch iſt die Elektrizität geeignet, wie kein Mittel ſonſt, die rohen Natur-
gewalten in dem Metalldrahte gebändigt an dem gewünſchten Orte
zu wohlthätiger Wirkung zu bringen. Neuerdings werden die erſten
Anfänge in dieſer Ausnutzung und Fortleitung gegebener Kräfte gemacht.
Die Lauffener Übertragung gab das Muſter einer Anlage, welche dem
Ausfluß der Adda aus dem Comerſee die Kraft entnehmen ſoll, die
in den Straßen Mailands nachts ein helles Licht verbreiten, am Tage
tauſend fleißigen Händen bei ihrer Arbeit helfen wird. Und ſo haben
auch jene 550000 Kubikmeter Waſſer, welche innerhalb jeder Minute
im Niagarafalle 70 bis 80 Meter herabſtürzen, die Augen der Techniker
längſt auf ſich gelenkt. Eine großartige, jetzt vollendete Turbinen-
anlage entzieht dem Falle eine kaum merkliche Waſſermenge und entnimmt
ihm dadurch 120000 Pferdeſtärken, während die Hälfte ſeiner Kraft
genügen würde, um fünf Sechſtel aller mit Kohle geſpeiſten Maſchinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0217" n="199"/><fw place="top" type="header">Die Lauffener Übertragung.</fw><lb/>
Teilen wieder in Transformatoren. Ein Teil&#x017F;trom &#x017F;etzte &#x017F;eine Spannung<lb/>
auf 100 Volt herab und &#x017F;pei&#x017F;te 1000 Glühlampen, das Übrige trieb<lb/>
wieder mehrere Dreh&#x017F;trommotoren mit 600 Umdrehungen in der Minute.<lb/>
Der eine übertrug &#x017F;eine Drehung auf eine Pumpe, welche einen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfall von 6 Meter Höhe ver&#x017F;orgte, und &#x017F;o ward ein Teil von<lb/>
jener Kraft, die in Lauffen durch den Fall des Wa&#x017F;&#x017F;ers hervorgebracht<lb/>
war, in Frankfurt verwendet, um einen neuen Wa&#x017F;&#x017F;erfall zu erzeugen<lb/>
&#x2014; ein Kreislauf der Kräfte, wie wir ihn eben nur mit Hilfe der<lb/>
Elektrizität herzu&#x017F;tellen im Stande &#x017F;ind. Ein Zeichen, in Frankfurt<lb/>
gegeben, genügte, daß in Lauffen die Turbine in Bewegung ge&#x017F;etzt<lb/>
wurde, in der Aus&#x017F;tellung 1000 Glühlampen zugleich ihr Licht aus-<lb/>
go&#x017F;&#x017F;en, die Pumpe ihre Arbeit und das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;einen Sturz begann.</p><lb/>
              <p>Wir reproduzieren hier nach einem Photogramme eine andere<lb/>
Einrichtung von der Frankfurter Aus&#x017F;tellung, bei welcher freilich nur<lb/>
ein Strom von 100 Pferde&#x017F;tärken von der Firma Schuckert &amp; Co. in<lb/>
Nürnberg (Fig. 143) auf vier Kilometer übertragen wurde. Wir erblicken<lb/>
links den Dreh&#x017F;trommotor, der von dem &#x017F;o weit entfernten Palmengarten<lb/>
her &#x017F;einen Antrieb erhielt, und rechts eine Centrifugalpumpe, die mit<lb/>
dem Motor ihre Ach&#x017F;e gemein hat, al&#x017F;o &#x017F;ofort in Thätigkeit trat,<lb/>
wenn der Ringanker &#x017F;eine Drehung begann. Übrigens war der Verlu&#x017F;t<lb/>
an Kraft bei der Lauffener Übertragung ein &#x017F;o geringer, wie man ihn<lb/>
kaum erwarten durfte. Drei Viertel von der Lei&#x017F;tungsfähigkeit der<lb/>
Turbine waren als niedrig ge&#x017F;pannter Strom noch in Frankfurt zur<lb/>
Verfügung.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die elektri&#x017F;chen Zentralanlagen.</hi> </head><lb/>
              <p>Solche Ver&#x017F;uche berechtigen zu den kühn&#x017F;ten Hoffnungen für die<lb/>
Zukunft. Überall liegen unbenützte Naturkräfte brach, die auf ihre<lb/>
geeignete <choice><sic>Verwertnng</sic><corr>Verwertung</corr></choice> warten. Der Sturz des fließenden Wa&#x017F;&#x017F;ers, das<lb/>
Wehen der Winde, die Gewalt der Gezeiten, &#x017F;ie &#x017F;ind noch läng&#x017F;t nicht, auch<lb/>
nur in einem geringen Bruchteil nutzbar gemacht, (vgl. auch S. 123) und<lb/>
doch i&#x017F;t die Elektrizität geeignet, wie kein Mittel &#x017F;on&#x017F;t, die rohen Natur-<lb/>
gewalten in dem Metalldrahte gebändigt an dem gewün&#x017F;chten Orte<lb/>
zu wohlthätiger Wirkung zu bringen. Neuerdings werden die er&#x017F;ten<lb/>
Anfänge in die&#x017F;er Ausnutzung und Fortleitung gegebener Kräfte gemacht.<lb/>
Die Lauffener Übertragung gab das Mu&#x017F;ter einer Anlage, welche dem<lb/>
Ausfluß der Adda aus dem Comer&#x017F;ee die Kraft entnehmen &#x017F;oll, die<lb/>
in den Straßen Mailands nachts ein helles Licht verbreiten, am Tage<lb/>
tau&#x017F;end fleißigen Händen bei ihrer Arbeit helfen wird. Und &#x017F;o haben<lb/>
auch jene 550000 Kubikmeter Wa&#x017F;&#x017F;er, welche innerhalb jeder Minute<lb/>
im Niagarafalle 70 bis 80 Meter herab&#x017F;türzen, die Augen der Techniker<lb/>
läng&#x017F;t auf &#x017F;ich gelenkt. Eine großartige, jetzt vollendete Turbinen-<lb/>
anlage entzieht dem Falle eine kaum merkliche Wa&#x017F;&#x017F;ermenge und entnimmt<lb/>
ihm dadurch 120000 Pferde&#x017F;tärken, während die Hälfte &#x017F;einer Kraft<lb/>
genügen würde, um fünf Sech&#x017F;tel aller mit Kohle ge&#x017F;pei&#x017F;ten Ma&#x017F;chinen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0217] Die Lauffener Übertragung. Teilen wieder in Transformatoren. Ein Teilſtrom ſetzte ſeine Spannung auf 100 Volt herab und ſpeiſte 1000 Glühlampen, das Übrige trieb wieder mehrere Drehſtrommotoren mit 600 Umdrehungen in der Minute. Der eine übertrug ſeine Drehung auf eine Pumpe, welche einen Waſſerfall von 6 Meter Höhe verſorgte, und ſo ward ein Teil von jener Kraft, die in Lauffen durch den Fall des Waſſers hervorgebracht war, in Frankfurt verwendet, um einen neuen Waſſerfall zu erzeugen — ein Kreislauf der Kräfte, wie wir ihn eben nur mit Hilfe der Elektrizität herzuſtellen im Stande ſind. Ein Zeichen, in Frankfurt gegeben, genügte, daß in Lauffen die Turbine in Bewegung geſetzt wurde, in der Ausſtellung 1000 Glühlampen zugleich ihr Licht aus- goſſen, die Pumpe ihre Arbeit und das Waſſer ſeinen Sturz begann. Wir reproduzieren hier nach einem Photogramme eine andere Einrichtung von der Frankfurter Ausſtellung, bei welcher freilich nur ein Strom von 100 Pferdeſtärken von der Firma Schuckert & Co. in Nürnberg (Fig. 143) auf vier Kilometer übertragen wurde. Wir erblicken links den Drehſtrommotor, der von dem ſo weit entfernten Palmengarten her ſeinen Antrieb erhielt, und rechts eine Centrifugalpumpe, die mit dem Motor ihre Achſe gemein hat, alſo ſofort in Thätigkeit trat, wenn der Ringanker ſeine Drehung begann. Übrigens war der Verluſt an Kraft bei der Lauffener Übertragung ein ſo geringer, wie man ihn kaum erwarten durfte. Drei Viertel von der Leiſtungsfähigkeit der Turbine waren als niedrig geſpannter Strom noch in Frankfurt zur Verfügung. Die elektriſchen Zentralanlagen. Solche Verſuche berechtigen zu den kühnſten Hoffnungen für die Zukunft. Überall liegen unbenützte Naturkräfte brach, die auf ihre geeignete Verwertung warten. Der Sturz des fließenden Waſſers, das Wehen der Winde, die Gewalt der Gezeiten, ſie ſind noch längſt nicht, auch nur in einem geringen Bruchteil nutzbar gemacht, (vgl. auch S. 123) und doch iſt die Elektrizität geeignet, wie kein Mittel ſonſt, die rohen Natur- gewalten in dem Metalldrahte gebändigt an dem gewünſchten Orte zu wohlthätiger Wirkung zu bringen. Neuerdings werden die erſten Anfänge in dieſer Ausnutzung und Fortleitung gegebener Kräfte gemacht. Die Lauffener Übertragung gab das Muſter einer Anlage, welche dem Ausfluß der Adda aus dem Comerſee die Kraft entnehmen ſoll, die in den Straßen Mailands nachts ein helles Licht verbreiten, am Tage tauſend fleißigen Händen bei ihrer Arbeit helfen wird. Und ſo haben auch jene 550000 Kubikmeter Waſſer, welche innerhalb jeder Minute im Niagarafalle 70 bis 80 Meter herabſtürzen, die Augen der Techniker längſt auf ſich gelenkt. Eine großartige, jetzt vollendete Turbinen- anlage entzieht dem Falle eine kaum merkliche Waſſermenge und entnimmt ihm dadurch 120000 Pferdeſtärken, während die Hälfte ſeiner Kraft genügen würde, um fünf Sechſtel aller mit Kohle geſpeiſten Maſchinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/217
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/217>, abgerufen am 03.12.2024.