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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
presse würden seinem Namen eine geachtete Stellung unter den Erfindern
anweisen, die Erfindung des Blitzableiters stellt ihn in die erste Reihe
derselben.

Um den elektrischen Zustand der Gewitterwolken herauszubekommen,
bediente sich Franklin einer Entdeckung, die er seinem Freunde Collinson
zuschrieb. Wenn er eine Eisenkugel von etwa 8 bis 10 cm Durch-
messer elektrisierte und die Spitze einer Nadel mit der Hand gegen sie
kehrte, so beobachtete er, daß die Kugel ihre Ladung sehr schnell verlor.
Das erklärt sich wieder einfach genug. Die Kugel wirkt nämlich auf
die Nadel durch Verteilung, sie zieht die entgegengesetzte Elektrizität in
die Spitze. Je enger der Querschnitt eines Leiters ist, desto mehr
drängen sich die elektrischen Teilchen dort zusammen. Sie fliehen aber
einander, und die Gewalt, die sie von einander zu trennen sucht, heißt
ihre Spannung. Wir ersehen demnach, daß diese Spannung in den
Spitzen am größten sein muß. Sie wird, wenn sie so übermäßig
wächst, so wirken wie der Druck, den wir auf die Luft ausüben. Je
stärker wir sie zusammenpressen, mit desto größerer Gewalt sucht sie zu
entweichen, und genau so ist es mit der Elektrizität; dort ist die Spann-
kraft oder Expansion der Luft die treibende Kraft, hier heißt sie die
Spannung, im Wesentlichen ist ihre Wirkung dieselbe. Die Elektrizität
kann sich in dem engen Raume der Spitze nicht halten, sie strömt also
in die Luft aus und vereinigt sich mit der entgegengesetzten Elektrizität
der Kugel, und so erscheint uns diese unelektrisch. Franklin schloß,
daß, wenn man einer Gewitterwolke eine Spitze an einer Stange gegen-
überstellt, dieser ganz ebenso die Elektrizität, die ihr doch vermutlich
eignete, entzogen werden könnte. Zuvor müßte die Stange selbst die
der Wolkenelektrizität entgegengesetzte aufweisen. Die Idee dieses Ver-
suches auszuführen, wartete Franklin lange Zeit auf die Vollendung
einer Kirchturmspitze, so daß ihm in der Verwirklichung zwei Franzosen,
Dalibard und Delor vorauskamen. Der erstere errichtete in der Nähe
von Paris eine 40 Fuß hohe Eisenstange, die durch seidene Schnüre
an drei Holzpfosten befestigt war. Ein gewisser Coiffier, der sie
bewachen sollte, konnte zuerst am 10. Mai 1752 während eines Gewitters
der Stange Funken entziehen, womit gezeigt war, daß sie sich durch
das Vorüberziehen der Gewitterwolken mit Elektrizität geladen hatte.
Delor hatte eine 99 Fuß lange Eisenstange zur Verfügung und er ver-
mochte selbst zu Zeiten, da die Luft völlig ruhig war, dieser Stange
Funken zu entziehen -- ein Beweis, daß die Luft auch sonst elektrisch
ist. Franklin war schließlich auf eine Abänderung dieses ursprünglichen
Versuches angewiesen. Er ließ im Juni 1752, ohne von den Pariser
Versuchen zu wissen, einen papiernen Drachen beim Herannahen eines
Gewitters aufsteigen. Das beliebte Kinderspielzeug ward hier in den
Dienst der Wissenschaft gestellt. Franklin gab ihm eine Spitze aus Eisen-
draht mit und knüpfte an das Ende der Hanfschnur, die den Drachen
hielt, einen eisernen Schlüssel, sowie an diesen wiederum eine Seiden-

Die elektriſchen Erfindungen.
preſſe würden ſeinem Namen eine geachtete Stellung unter den Erfindern
anweiſen, die Erfindung des Blitzableiters ſtellt ihn in die erſte Reihe
derſelben.

Um den elektriſchen Zuſtand der Gewitterwolken herauszubekommen,
bediente ſich Franklin einer Entdeckung, die er ſeinem Freunde Collinſon
zuſchrieb. Wenn er eine Eiſenkugel von etwa 8 bis 10 cm Durch-
meſſer elektriſierte und die Spitze einer Nadel mit der Hand gegen ſie
kehrte, ſo beobachtete er, daß die Kugel ihre Ladung ſehr ſchnell verlor.
Das erklärt ſich wieder einfach genug. Die Kugel wirkt nämlich auf
die Nadel durch Verteilung, ſie zieht die entgegengeſetzte Elektrizität in
die Spitze. Je enger der Querſchnitt eines Leiters iſt, deſto mehr
drängen ſich die elektriſchen Teilchen dort zuſammen. Sie fliehen aber
einander, und die Gewalt, die ſie von einander zu trennen ſucht, heißt
ihre Spannung. Wir erſehen demnach, daß dieſe Spannung in den
Spitzen am größten ſein muß. Sie wird, wenn ſie ſo übermäßig
wächſt, ſo wirken wie der Druck, den wir auf die Luft ausüben. Je
ſtärker wir ſie zuſammenpreſſen, mit deſto größerer Gewalt ſucht ſie zu
entweichen, und genau ſo iſt es mit der Elektrizität; dort iſt die Spann-
kraft oder Expanſion der Luft die treibende Kraft, hier heißt ſie die
Spannung, im Weſentlichen iſt ihre Wirkung dieſelbe. Die Elektrizität
kann ſich in dem engen Raume der Spitze nicht halten, ſie ſtrömt alſo
in die Luft aus und vereinigt ſich mit der entgegengeſetzten Elektrizität
der Kugel, und ſo erſcheint uns dieſe unelektriſch. Franklin ſchloß,
daß, wenn man einer Gewitterwolke eine Spitze an einer Stange gegen-
überſtellt, dieſer ganz ebenſo die Elektrizität, die ihr doch vermutlich
eignete, entzogen werden könnte. Zuvor müßte die Stange ſelbſt die
der Wolkenelektrizität entgegengeſetzte aufweiſen. Die Idee dieſes Ver-
ſuches auszuführen, wartete Franklin lange Zeit auf die Vollendung
einer Kirchturmſpitze, ſo daß ihm in der Verwirklichung zwei Franzoſen,
Dalibard und Delor vorauskamen. Der erſtere errichtete in der Nähe
von Paris eine 40 Fuß hohe Eiſenſtange, die durch ſeidene Schnüre
an drei Holzpfoſten befeſtigt war. Ein gewiſſer Coiffier, der ſie
bewachen ſollte, konnte zuerſt am 10. Mai 1752 während eines Gewitters
der Stange Funken entziehen, womit gezeigt war, daß ſie ſich durch
das Vorüberziehen der Gewitterwolken mit Elektrizität geladen hatte.
Delor hatte eine 99 Fuß lange Eiſenſtange zur Verfügung und er ver-
mochte ſelbſt zu Zeiten, da die Luft völlig ruhig war, dieſer Stange
Funken zu entziehen — ein Beweis, daß die Luft auch ſonſt elektriſch
iſt. Franklin war ſchließlich auf eine Abänderung dieſes urſprünglichen
Verſuches angewieſen. Er ließ im Juni 1752, ohne von den Pariſer
Verſuchen zu wiſſen, einen papiernen Drachen beim Herannahen eines
Gewitters aufſteigen. Das beliebte Kinderſpielzeug ward hier in den
Dienſt der Wiſſenſchaft geſtellt. Franklin gab ihm eine Spitze aus Eiſen-
draht mit und knüpfte an das Ende der Hanfſchnur, die den Drachen
hielt, einen eiſernen Schlüſſel, ſowie an dieſen wiederum eine Seiden-

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[128/0146] Die elektriſchen Erfindungen. preſſe würden ſeinem Namen eine geachtete Stellung unter den Erfindern anweiſen, die Erfindung des Blitzableiters ſtellt ihn in die erſte Reihe derſelben. Um den elektriſchen Zuſtand der Gewitterwolken herauszubekommen, bediente ſich Franklin einer Entdeckung, die er ſeinem Freunde Collinſon zuſchrieb. Wenn er eine Eiſenkugel von etwa 8 bis 10 cm Durch- meſſer elektriſierte und die Spitze einer Nadel mit der Hand gegen ſie kehrte, ſo beobachtete er, daß die Kugel ihre Ladung ſehr ſchnell verlor. Das erklärt ſich wieder einfach genug. Die Kugel wirkt nämlich auf die Nadel durch Verteilung, ſie zieht die entgegengeſetzte Elektrizität in die Spitze. Je enger der Querſchnitt eines Leiters iſt, deſto mehr drängen ſich die elektriſchen Teilchen dort zuſammen. Sie fliehen aber einander, und die Gewalt, die ſie von einander zu trennen ſucht, heißt ihre Spannung. Wir erſehen demnach, daß dieſe Spannung in den Spitzen am größten ſein muß. Sie wird, wenn ſie ſo übermäßig wächſt, ſo wirken wie der Druck, den wir auf die Luft ausüben. Je ſtärker wir ſie zuſammenpreſſen, mit deſto größerer Gewalt ſucht ſie zu entweichen, und genau ſo iſt es mit der Elektrizität; dort iſt die Spann- kraft oder Expanſion der Luft die treibende Kraft, hier heißt ſie die Spannung, im Weſentlichen iſt ihre Wirkung dieſelbe. Die Elektrizität kann ſich in dem engen Raume der Spitze nicht halten, ſie ſtrömt alſo in die Luft aus und vereinigt ſich mit der entgegengeſetzten Elektrizität der Kugel, und ſo erſcheint uns dieſe unelektriſch. Franklin ſchloß, daß, wenn man einer Gewitterwolke eine Spitze an einer Stange gegen- überſtellt, dieſer ganz ebenſo die Elektrizität, die ihr doch vermutlich eignete, entzogen werden könnte. Zuvor müßte die Stange ſelbſt die der Wolkenelektrizität entgegengeſetzte aufweiſen. Die Idee dieſes Ver- ſuches auszuführen, wartete Franklin lange Zeit auf die Vollendung einer Kirchturmſpitze, ſo daß ihm in der Verwirklichung zwei Franzoſen, Dalibard und Delor vorauskamen. Der erſtere errichtete in der Nähe von Paris eine 40 Fuß hohe Eiſenſtange, die durch ſeidene Schnüre an drei Holzpfoſten befeſtigt war. Ein gewiſſer Coiffier, der ſie bewachen ſollte, konnte zuerſt am 10. Mai 1752 während eines Gewitters der Stange Funken entziehen, womit gezeigt war, daß ſie ſich durch das Vorüberziehen der Gewitterwolken mit Elektrizität geladen hatte. Delor hatte eine 99 Fuß lange Eiſenſtange zur Verfügung und er ver- mochte ſelbſt zu Zeiten, da die Luft völlig ruhig war, dieſer Stange Funken zu entziehen — ein Beweis, daß die Luft auch ſonſt elektriſch iſt. Franklin war ſchließlich auf eine Abänderung dieſes urſprünglichen Verſuches angewieſen. Er ließ im Juni 1752, ohne von den Pariſer Verſuchen zu wiſſen, einen papiernen Drachen beim Herannahen eines Gewitters aufſteigen. Das beliebte Kinderſpielzeug ward hier in den Dienſt der Wiſſenſchaft geſtellt. Franklin gab ihm eine Spitze aus Eiſen- draht mit und knüpfte an das Ende der Hanfſchnur, die den Drachen hielt, einen eiſernen Schlüſſel, ſowie an dieſen wiederum eine Seiden-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/146>, abgerufen am 24.11.2024.