Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.Die elektrischen Erfindungen. faden hält, so wird dieselbe sogleich heftig angezogen, dann aber ebensoheftig abgestoßen. Was haben wir hieraus zu schließen? Offenbar nichts anderes, als daß sich die Elektrizität mit großer Geschwindigkeit von jener Stelle aus in alle Teile des Drahtes verbreitet hat, so auch zu der Platte gelangte, die daher auf die Hollunderkugel anziehend und, nach Mitteilung ihrer Elektrizität an dieselbe, abstoßend auf sie wirkte. Während dieser Versuch mit einem Metalldraht sehr leicht auszuführen ist, gelingt er nicht mit einem Körper von Holz, Gummi und vielen anderen Stoffen: auch wenn man davon viel, viel kleinere Stücke aus- wählt, wartet man vergeblich auf die Verbreitung der Elektrizität von der elektrisierten Stelle an bis an die Enden des Körpers. Man sagt demnach, daß die Metalle gute Leiter für die Elektrizität sind, während die Harze und das Glas sich als schlechte Leiter verhalten. Wenn man also wünscht, daß die Elektrizität, die man einem guten Leiter mitgeteilt hat, ihm möglichst lange erhalten bleibe, so wird man ihn nicht mit andern guten Leitern in Verbindung bringen dürfen. Man muß ihn vielmehr isolieren, d. h. mit schlechten Leitern umgeben, daher haben wir in dem vorigen Versuche den Metalldraht an Seidenfäden hängend gedacht, weil solche als schlechte Leiter der Elektrizität ihm möglichst wenig davon entziehen. Auf die Dauer wird übrigens kein Leiter den elektrischen Zustand zu behalten fähig sein, allmählich wird er selbst gegen einen so schlechten Leiter, wie die Luft einer ist, seinen elektrischen Besitz abtreten. Bis jetzt haben wir nur immer einerlei Elektrizität innerhalb eines Körpers nachzuweisen vermocht, der folgende Versuch wird uns das Vorhandensein beider Elektrizitäten sogar in jedem un- elektrischen Körper beweisen. Man nähere zwei isolierte Leiter bis zur Berührung, am einfachsten etwa zwei große Silbermünzen, die man an Siegellackstangen hält. Sie bilden dann offenbar während der Berührung einen einzigen Leiter. Jetzt nähere man dem einen (I) von ihnen einen elektrischen Körper, etwa einen geriebenen Glasstab, und trenne die beiden Leiter, während noch der elektrische Körper in ihrer Nähe ist, dann erst entferne man diesen. Man wird finden, daß jetzt beide Münzen Elektrizität enthalten und zwar (I) die Harz-, (II) die Glaselektrizität. Man nennt diese Erscheinung die elektrische Verteilung. Es ist offenbar unmöglich, daß diese beiden gleichzeitig der Glasstange entstammen sollten, man muß vielmehr annehmen, daß sie beide bereits in dem unelektrischen Leiter vorhanden waren, aber durch die Annäherung des elektrischen Körpers zur Trennung gebracht wurden. Dieser zieht die der seinigen entgegengesetzte Elektrizität zu sich hin in den Körper (I) und stößt die entgegengesetzte ab in den Körper (II) hinein. Wenn wir die beiden Körper wieder vereinigen, so erzeugt sich aus ihnen sofort wieder ein unelektrischer Leiter. Die beiden Elektrizitäten gleichen sich nämlich sofort aus, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Jetzt wird es uns möglich sein, auch die zuerst erwähnte Erscheinung zu verstehen, daß beim Annähern eines Fingers an den geriebenen Die elektriſchen Erfindungen. faden hält, ſo wird dieſelbe ſogleich heftig angezogen, dann aber ebenſoheftig abgeſtoßen. Was haben wir hieraus zu ſchließen? Offenbar nichts anderes, als daß ſich die Elektrizität mit großer Geſchwindigkeit von jener Stelle aus in alle Teile des Drahtes verbreitet hat, ſo auch zu der Platte gelangte, die daher auf die Hollunderkugel anziehend und, nach Mitteilung ihrer Elektrizität an dieſelbe, abſtoßend auf ſie wirkte. Während dieſer Verſuch mit einem Metalldraht ſehr leicht auszuführen iſt, gelingt er nicht mit einem Körper von Holz, Gummi und vielen anderen Stoffen: auch wenn man davon viel, viel kleinere Stücke aus- wählt, wartet man vergeblich auf die Verbreitung der Elektrizität von der elektriſierten Stelle an bis an die Enden des Körpers. Man ſagt demnach, daß die Metalle gute Leiter für die Elektrizität ſind, während die Harze und das Glas ſich als ſchlechte Leiter verhalten. Wenn man alſo wünſcht, daß die Elektrizität, die man einem guten Leiter mitgeteilt hat, ihm möglichſt lange erhalten bleibe, ſo wird man ihn nicht mit andern guten Leitern in Verbindung bringen dürfen. Man muß ihn vielmehr iſolieren, d. h. mit ſchlechten Leitern umgeben, daher haben wir in dem vorigen Verſuche den Metalldraht an Seidenfäden hängend gedacht, weil ſolche als ſchlechte Leiter der Elektrizität ihm möglichſt wenig davon entziehen. Auf die Dauer wird übrigens kein Leiter den elektriſchen Zuſtand zu behalten fähig ſein, allmählich wird er ſelbſt gegen einen ſo ſchlechten Leiter, wie die Luft einer iſt, ſeinen elektriſchen Beſitz abtreten. Bis jetzt haben wir nur immer einerlei Elektrizität innerhalb eines Körpers nachzuweiſen vermocht, der folgende Verſuch wird uns das Vorhandenſein beider Elektrizitäten ſogar in jedem un- elektriſchen Körper beweiſen. Man nähere zwei iſolierte Leiter bis zur Berührung, am einfachſten etwa zwei große Silbermünzen, die man an Siegellackſtangen hält. Sie bilden dann offenbar während der Berührung einen einzigen Leiter. Jetzt nähere man dem einen (I) von ihnen einen elektriſchen Körper, etwa einen geriebenen Glasſtab, und trenne die beiden Leiter, während noch der elektriſche Körper in ihrer Nähe iſt, dann erſt entferne man dieſen. Man wird finden, daß jetzt beide Münzen Elektrizität enthalten und zwar (I) die Harz-, (II) die Glaselektrizität. Man nennt dieſe Erſcheinung die elektriſche Verteilung. Es iſt offenbar unmöglich, daß dieſe beiden gleichzeitig der Glasſtange entſtammen ſollten, man muß vielmehr annehmen, daß ſie beide bereits in dem unelektriſchen Leiter vorhanden waren, aber durch die Annäherung des elektriſchen Körpers zur Trennung gebracht wurden. Dieſer zieht die der ſeinigen entgegengeſetzte Elektrizität zu ſich hin in den Körper (I) und ſtößt die entgegengeſetzte ab in den Körper (II) hinein. Wenn wir die beiden Körper wieder vereinigen, ſo erzeugt ſich aus ihnen ſofort wieder ein unelektriſcher Leiter. Die beiden Elektrizitäten gleichen ſich nämlich ſofort aus, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Jetzt wird es uns möglich ſein, auch die zuerſt erwähnte Erſcheinung zu verſtehen, daß beim Annähern eines Fingers an den geriebenen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0144" n="126"/><fw place="top" type="header">Die elektriſchen Erfindungen.</fw><lb/> faden hält, ſo wird dieſelbe ſogleich heftig angezogen, dann aber ebenſo<lb/> heftig abgeſtoßen. Was haben wir hieraus zu ſchließen? 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Die elektriſchen Erfindungen.
faden hält, ſo wird dieſelbe ſogleich heftig angezogen, dann aber ebenſo
heftig abgeſtoßen. Was haben wir hieraus zu ſchließen? Offenbar
nichts anderes, als daß ſich die Elektrizität mit großer Geſchwindigkeit
von jener Stelle aus in alle Teile des Drahtes verbreitet hat, ſo auch
zu der Platte gelangte, die daher auf die Hollunderkugel anziehend und,
nach Mitteilung ihrer Elektrizität an dieſelbe, abſtoßend auf ſie wirkte.
Während dieſer Verſuch mit einem Metalldraht ſehr leicht auszuführen
iſt, gelingt er nicht mit einem Körper von Holz, Gummi und vielen
anderen Stoffen: auch wenn man davon viel, viel kleinere Stücke aus-
wählt, wartet man vergeblich auf die Verbreitung der Elektrizität von
der elektriſierten Stelle an bis an die Enden des Körpers. Man ſagt
demnach, daß die Metalle gute Leiter für die Elektrizität ſind, während
die Harze und das Glas ſich als ſchlechte Leiter verhalten. Wenn
man alſo wünſcht, daß die Elektrizität, die man einem guten Leiter
mitgeteilt hat, ihm möglichſt lange erhalten bleibe, ſo wird man ihn
nicht mit andern guten Leitern in Verbindung bringen dürfen. Man
muß ihn vielmehr iſolieren, d. h. mit ſchlechten Leitern umgeben, daher
haben wir in dem vorigen Verſuche den Metalldraht an Seidenfäden
hängend gedacht, weil ſolche als ſchlechte Leiter der Elektrizität ihm
möglichſt wenig davon entziehen. Auf die Dauer wird übrigens kein Leiter
den elektriſchen Zuſtand zu behalten fähig ſein, allmählich wird er ſelbſt
gegen einen ſo ſchlechten Leiter, wie die Luft einer iſt, ſeinen elektriſchen
Beſitz abtreten. Bis jetzt haben wir nur immer einerlei Elektrizität
innerhalb eines Körpers nachzuweiſen vermocht, der folgende Verſuch
wird uns das Vorhandenſein beider Elektrizitäten ſogar in jedem un-
elektriſchen Körper beweiſen. Man nähere zwei iſolierte Leiter bis zur
Berührung, am einfachſten etwa zwei große Silbermünzen, die man
an Siegellackſtangen hält. Sie bilden dann offenbar während der
Berührung einen einzigen Leiter. Jetzt nähere man dem einen (I) von
ihnen einen elektriſchen Körper, etwa einen geriebenen Glasſtab, und
trenne die beiden Leiter, während noch der elektriſche Körper in ihrer
Nähe iſt, dann erſt entferne man dieſen. Man wird finden, daß jetzt
beide Münzen Elektrizität enthalten und zwar (I) die Harz-, (II) die
Glaselektrizität. Man nennt dieſe Erſcheinung die elektriſche Verteilung.
Es iſt offenbar unmöglich, daß dieſe beiden gleichzeitig der Glasſtange
entſtammen ſollten, man muß vielmehr annehmen, daß ſie beide bereits
in dem unelektriſchen Leiter vorhanden waren, aber durch die Annäherung
des elektriſchen Körpers zur Trennung gebracht wurden. Dieſer zieht
die der ſeinigen entgegengeſetzte Elektrizität zu ſich hin in den Körper (I)
und ſtößt die entgegengeſetzte ab in den Körper (II) hinein. Wenn
wir die beiden Körper wieder vereinigen, ſo erzeugt ſich aus ihnen
ſofort wieder ein unelektriſcher Leiter. Die beiden Elektrizitäten gleichen
ſich nämlich ſofort aus, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu bietet.
Jetzt wird es uns möglich ſein, auch die zuerſt erwähnte Erſcheinung
zu verſtehen, daß beim Annähern eines Fingers an den geriebenen
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