recht oder krum sitzen kann, ohne die gröss- ten und heftigsten Schmerzen zu empsinden. Meine Augen sind so blöd und stumpf, dass ich eine etwas klare Schrift gar nicht lesen, und bey dem Lesen des grössern Drucks nur kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigsten aber des Abends sehen darf. Mattigkeit und bestaendige Schlafsucht quaelt und belaestigt mich, und wenn ich des Morgens erwache, und munter seyn sollte, bin ich schlaftrun- ken und gelaehmt. Oft entsteht über den Augenbraunen und Augenliedern ein starkes Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die Nerven sind erschlaft, und die Lebensgeister ziemlich eingeschlaefert. Bestaendig habe ich Hunger, esse auch viel, ohne aber dass es mir zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un- zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem Innersten meines Herzens. Auch in den fröhlichsten Gesellschaften bin ich traurig, missmuthig und Misantrop: denn nur immer suche ich die Befriedigung meiner Leiden- schaft, die ich nirgends besser, als in der Ein- samkeit, oder in dem Umgange mit dem zweyten Geschlechte, finde. Bey meinen Arbeiten vermisse ich die Gedult, und die Ge-
daecht-
recht oder krum ſitzen kann, ohne die gröſs- ten und heftigſten Schmerzen zu empſinden. Meine Augen ſind ſo blöd und ſtumpf, daſs ich eine etwas klare Schrift gar nicht leſen, und bey dem Leſen des gröſsern Drucks nur kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigſten aber des Abends ſehen darf. Mattigkeit und beſtændige Schlafſucht quælt und belæſtigt mich, und wenn ich des Morgens erwache, und munter ſeyn ſollte, bin ich ſchlaftrun- ken und gelæhmt. Oft entſteht über den Augenbraunen und Augenliedern ein ſtarkes Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die Nerven ſind erſchlaft, und die Lebensgeiſter ziemlich eingeſchlæfert. Beſtændig habe ich Hunger, eſſe auch viel, ohne aber daſs es mir zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un- zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem Innerſten meines Herzens. Auch in den fröhlichſten Geſellſchaften bin ich traurig, miſsmuthig und Miſantrop: denn nur immer ſuche ich die Befriedigung meiner Leiden- ſchaft, die ich nirgends beſſer, als in der Ein- ſamkeit, oder in dem Umgange mit dem zweyten Geſchlechte, finde. Bey meinen Arbeiten vermiſse ich die Gedult, und die Ge-
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recht oder krum ſitzen kann, ohne die gröſs-
ten und heftigſten Schmerzen zu empſinden.
Meine Augen ſind ſo blöd und ſtumpf, daſs
ich eine etwas klare Schrift gar nicht leſen,
und bey dem Leſen des gröſsern Drucks nur
kurze Zeit ausdaucrn kann, am wenigſten
aber des Abends ſehen darf. Mattigkeit und
beſtændige Schlafſucht quælt und belæſtigt
mich, und wenn ich des Morgens erwache,
und munter ſeyn ſollte, bin ich ſchlaftrun-
ken und gelæhmt. Oft entſteht über den
Augenbraunen und Augenliedern ein ſtarkes
Flippern, das ich kaum aushalten kann. Die
Nerven ſind erſchlaft, und die Lebensgeiſter
ziemlich eingeſchlæfert. Beſtændig habe ich
Hunger, eſſe auch viel, ohne aber daſs es mir
zu Gedeyen geht. Bange Traurigkeit, Un-
zufriedenheit und Schmerzen, wühlt in dem
Innerſten meines Herzens. Auch in den
fröhlichſten Geſellſchaften bin ich traurig,
miſsmuthig und Miſantrop: denn nur immer
ſuche ich die Befriedigung meiner Leiden-
ſchaft, die ich nirgends beſſer, als in der Ein-
ſamkeit, oder in dem Umgange mit dem
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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