Klagen führen müssen, wenn sie über sich selbst nachdenken, und ihren gegenwaertigen Zustand, mit ihrer vorigen geheimen Lebens- geschichte vergleichen wollten.
Dass auch Melancholie oft die herbe Frucht seyn müsse, die diese Ausschwei- fung hervorbringt, lehrt die Natur der Sache. Denn wenn, wie ich vorhin schon gezeigt habe, die Entledigung von gewis- sen Saeften, auf dem Wege, den die Na- tur zeigt, schon einigen Trübsinn nach sich zieht, wie vielmehr muss diese Wirkung erfolgen, wenn man es auf eine unnatürli- che Art thut, wenn man es, welches fast im- mer der Fall ist, thut, mehr, weil es erkün- steltes, als weil es natürliches, Bedürfniss ist. Man kann alsdenn auf diesem Irrwege leicht in den traurigen Zustand gerathen, dass man in ewiger Nacht wandelt, wo über die rei- zendsten Gegenstaende ein fürchterliches Schwarz gezogen ist, das alle fröliche Aus- sichten in die Zukunft verbirgt, auf allen Seiten Schreckbilder zeigt, und jede kleine Ge- fahr und Besorgniss in Riesengestalt darstellt.
Diese
(D 3)
Klagen führen müſſen, wenn ſie über ſich ſelbſt nachdenken, und ihren gegenwærtigen Zuſtand, mit ihrer vorigen geheimen Lebens- geſchichte vergleichen wollten.
Daſs auch Melancholie oft die herbe Frucht ſeyn müſſe, die dieſe Ausſchwei- fung hervorbringt, lehrt die Natur der Sache. Denn wenn, wie ich vorhin ſchon gezeigt habe, die Entledigung von gewiſ- ſen Sæften, auf dem Wege, den die Na- tur zeigt, ſchon einigen Trübſinn nach ſich zieht, wie vielmehr muſs dieſe Wirkung erfolgen, wenn man es auf eine unnatürli- che Art thut, wenn man es, welches faſt im- mer der Fall iſt, thut, mehr, weil es erkün- ſteltes, als weil es natürliches, Bedürfniſs iſt. Man kann alsdenn auf dieſem Irrwege leicht in den traurigen Zuſtand gerathen, daſs man in ewiger Nacht wandelt, wo über die rei- zendſten Gegenſtænde ein fürchterliches Schwarz gezogen iſt, das alle fröliche Aus- ſichten in die Zukunft verbirgt, auf allen Seiten Schreckbilder zeigt, und jede kleine Ge- fahr und Beſorgniſs in Rieſengeſtalt darſtellt.
Dieſe
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Klagen führen müſſen, wenn ſie über ſich
ſelbſt nachdenken, und ihren gegenwærtigen
Zuſtand, mit ihrer vorigen geheimen Lebens-
geſchichte vergleichen wollten.
Daſs auch Melancholie oft die herbe
Frucht ſeyn müſſe, die dieſe Ausſchwei-
fung hervorbringt, lehrt die Natur der
Sache. Denn wenn, wie ich vorhin ſchon
gezeigt habe, die Entledigung von gewiſ-
ſen Sæften, auf dem Wege, den die Na-
tur zeigt, ſchon einigen Trübſinn nach ſich
zieht, wie vielmehr muſs dieſe Wirkung
erfolgen, wenn man es auf eine unnatürli-
che Art thut, wenn man es, welches faſt im-
mer der Fall iſt, thut, mehr, weil es erkün-
ſteltes, als weil es natürliches, Bedürfniſs iſt.
Man kann alsdenn auf dieſem Irrwege leicht
in den traurigen Zuſtand gerathen, daſs man
in ewiger Nacht wandelt, wo über die rei-
zendſten Gegenſtænde ein fürchterliches
Schwarz gezogen iſt, das alle fröliche Aus-
ſichten in die Zukunft verbirgt, auf allen
Seiten Schreckbilder zeigt, und jede kleine Ge-
fahr und Beſorgniſs in Rieſengeſtalt darſtellt.
Dieſe
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/63>, abgerufen am 22.11.2024.
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