In Gellerts Schriften las er die Beschrei- bung des Schadens der Wollust nicht ohne Nutzen. Jedoch soll er nicht ganz Herr über seine Leidenschaft geworden seyn.
Diese Beweise sind, glaube ich, hin- laenglich, uns zu überzeugen, wie leicht die- se Sünde zu einer so traurigen Fertigkeit wird, dass man ihr entweder gar nicht, oder mit unendlicher Mühe und Anstrengung, ent- sagen kann. Wovon der natürliche Grund wohl dieser ist, dass insgemein die Erkennt- niss alsdann erst kommt, wann die besten Kraefte verschwendet sind, und die Leiden- schaft eine unbaendige Staerke erhalten hat.
Welch unabsehliches Elend mag nun wohl hieraus entspringen! Ich bin freylich kein Arzt, und tiefe Einsichten in die Be- schaffenheit des menschlichen Körpers kann man deshalb von mir nicht erwarten. Fol- gende Behauptungen wird mir aber doch vermuthlich jeder Arzt, der selbst beobach- tet hat, zugestehen, da sie nicht aus Specu-
lation,
In Gellerts Schriften las er die Beſchrei- bung des Schadens der Wolluſt nicht ohne Nutzen. Jedoch ſoll er nicht ganz Herr über ſeine Leidenſchaft geworden ſeyn.
Dieſe Beweiſe ſind, glaube ich, hin- længlich, uns zu überzeugen, wie leicht die- ſe Sünde zu einer ſo traurigen Fertigkeit wird, daſs man ihr entweder gar nicht, oder mit unendlicher Mühe und Anſtrengung, ent- ſagen kann. Wovon der natürliche Grund wohl dieſer iſt, daſs insgemein die Erkennt- niſs alsdann erſt kommt, wann die beſten Kræfte verſchwendet ſind, und die Leiden- ſchaft eine unbændige Stærke erhalten hat.
Welch unabſehliches Elend mag nun wohl hieraus entſpringen! Ich bin freylich kein Arzt, und tiefe Einſichten in die Be- ſchaffenheit des menſchlichen Körpers kann man deshalb von mir nicht erwarten. Fol- gende Behauptungen wird mir aber doch vermuthlich jeder Arzt, der ſelbſt beobach- tet hat, zugeſtehen, da ſie nicht aus Specu-
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In Gellerts Schriften las er die Beſchrei-
bung des Schadens der Wolluſt nicht ohne
Nutzen. Jedoch ſoll er nicht ganz Herr über
ſeine Leidenſchaft geworden ſeyn.
Dieſe Beweiſe ſind, glaube ich, hin-
længlich, uns zu überzeugen, wie leicht die-
ſe Sünde zu einer ſo traurigen Fertigkeit
wird, daſs man ihr entweder gar nicht, oder
mit unendlicher Mühe und Anſtrengung, ent-
ſagen kann. Wovon der natürliche Grund
wohl dieſer iſt, daſs insgemein die Erkennt-
niſs alsdann erſt kommt, wann die beſten
Kræfte verſchwendet ſind, und die Leiden-
ſchaft eine unbændige Stærke erhalten hat.
Welch unabſehliches Elend mag nun
wohl hieraus entſpringen! Ich bin freylich
kein Arzt, und tiefe Einſichten in die Be-
ſchaffenheit des menſchlichen Körpers kann
man deshalb von mir nicht erwarten. Fol-
gende Behauptungen wird mir aber doch
vermuthlich jeder Arzt, der ſelbſt beobach-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/55>, abgerufen am 24.11.2024.
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