Weil er oft von seinem Lehrer kernhafte Sprüche aus der Bibel, so herzlich und rüh- rend, anführen hörte, besonders wenn ge- meinschaftliche Kommunion war; so fand er Geschmack daran, und machte das Bibellesen hernach zu seiner Beschaeftigung, und bey der Wiederholung der, von seinem Lehrer an- geführten, Sprauche, blieb er selten unge- rührt. Zu seiner grössten Verwunderung las er: dass Paulus im Briefe an die Römer schon dieses Lasters gedacht hatte. Seinem guten Freunde, der auch mit diesem Laster bekannt war, erzaehlte ers, und beyde vereinigten sich, das Laster zu verlassen. Aber es gieng ihm wie vormals. Es wurde nichts daraus. Endlich fasste er einmal den Rath wo auf: Wenn man die angewöhnte Sünden lassen wollte, so müsste man auch besonders die Gelegenheit dazu meiden. Diese Lehre that ihm, nach seiner Aussage, vortrefliche Dienste, so dass er sich nun immer mehr von der Sün- de losmachte. Und haette er besonders zu der Zeit auch gehört, dass man sich oft sei- nes gefassten Vorsatzes erinnern müsse, wie er nachmals erfuhr, so waere ihm seine Besse- rung nicht halb so schwer geworden.
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Weil er oft von ſeinem Lehrer kernhafte Sprüche aus der Bibel, ſo herzlich und rüh- rend, anführen hörte, beſonders wenn ge- meinſchaftliche Kommunion war; ſo fand er Geſchmack daran, und machte das Bibelleſen hernach zu ſeiner Beſchæftigung, und bey der Wiederholung der, von ſeinem Lehrer an- geführten, Sprûche, blieb er ſelten unge- rührt. Zu ſeiner gröſsten Verwunderung las er: daſs Paulus im Briefe an die Römer ſchon dieſes Laſters gedacht hatte. Seinem guten Freunde, der auch mit dieſem Laſter bekannt war, erzæhlte ers, und beyde vereinigten ſich, das Laſter zu verlaſſen. Aber es gieng ihm wie vormals. Es wurde nichts daraus. Endlich faſste er einmal den Rath wo auf: Wenn man die angewöhnte Sünden laſſen wollte, ſo müſste man auch beſonders die Gelegenheit dazu meiden. Dieſe Lehre that ihm, nach ſeiner Ausſage, vortrefliche Dienſte, ſo daſs er ſich nun immer mehr von der Sün- de losmachte. Und hætte er beſonders zu der Zeit auch gehört, daſs man ſich oft ſei- nes gefaſsten Vorſatzes erinnern müſſe, wie er nachmals erfuhr, ſo wære ihm ſeine Beſſe- rung nicht halb ſo ſchwer geworden.
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Weil er oft von ſeinem Lehrer kernhafte
Sprüche aus der Bibel, ſo herzlich und rüh-
rend, anführen hörte, beſonders wenn ge-
meinſchaftliche Kommunion war; ſo fand er
Geſchmack daran, und machte das Bibelleſen
hernach zu ſeiner Beſchæftigung, und bey
der Wiederholung der, von ſeinem Lehrer an-
geführten, Sprûche, blieb er ſelten unge-
rührt. Zu ſeiner gröſsten Verwunderung las
er: daſs Paulus im Briefe an die Römer ſchon
dieſes Laſters gedacht hatte. Seinem guten
Freunde, der auch mit dieſem Laſter bekannt
war, erzæhlte ers, und beyde vereinigten
ſich, das Laſter zu verlaſſen. Aber es gieng
ihm wie vormals. Es wurde nichts daraus.
Endlich faſste er einmal den Rath wo auf:
Wenn man die angewöhnte Sünden laſſen
wollte, ſo müſste man auch beſonders die
Gelegenheit dazu meiden. Dieſe Lehre that
ihm, nach ſeiner Ausſage, vortrefliche Dienſte,
ſo daſs er ſich nun immer mehr von der Sün-
de losmachte. Und hætte er beſonders zu
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/54>, abgerufen am 25.11.2024.
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