viele Aehnlichkeit. Man sieht den öffent- lich handelnden Menschen fast nie so, wie er ist, er richtet seine Mienen, Urtheile und Handlungen, immer nach dem Urtheile der kleinen oder grossen Gesellschaft ein, vor der er seine Rolle spielt. Er macht den Weisen, den Frommen, den Bedachtsamen, den Witzigen, je nachdem es der Platz ver- langt, auf den er ist gestellet worden. Be- lauscht man ihn aber auf seinem Zimmer -- welcher Contrast!
So erblickt der, der Schulen, Erzie- hungsanstalten, Universitaeten und öffentli- che Zusammenkünfte besucht, vielleicht al- lenthalben Spuren von Zucht und Ordnung, Streben nach Fleiss, haeuslicher Glückselig- keit und Fröhlichkeit, liest auf den verschie- denen Gesichtern die Merkmahle der jugend- lichen Anstrengung, des Nachdenkens, der Srttsamkeit, oder des sorgsamen Nachden- kens. Durch das Zusammentreffen ver- schiedener Umstaende bekam ich aber Gele-
genheit
viele Aehnlichkeit. Man ſieht den öffent- lich handelnden Menſchen faſt nie ſo, wie er iſt, er richtet ſeine Mienen, Urtheile und Handlungen, immer nach dem Urtheile der kleinen oder groſsen Geſellſchaft ein, vor der er ſeine Rolle ſpielt. Er macht den Weiſen, den Frommen, den Bedachtſamen, den Witzigen, je nachdem es der Platz ver- langt, auf den er iſt geſtellet worden. Be- lauſcht man ihn aber auf ſeinem Zimmer — welcher Contraſt!
So erblickt der, der Schulen, Erzie- hungsanſtalten, Univerſitæten und öffentli- che Zuſammenkünfte beſucht, vielleicht al- lenthalben Spuren von Zucht und Ordnung, Streben nach Fleiſs, hæuslicher Glückſelig- keit und Fröhlichkeit, lieſt auf den verſchie- denen Geſichtern die Merkmahle der jugend- lichen Anſtrengung, des Nachdenkens, der Srttſamkeit, oder des ſorgſamen Nachden- kens. Durch das Zuſammentreffen ver- ſchiedener Umſtænde bekam ich aber Gele-
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viele Aehnlichkeit. Man ſieht den öffent-
lich handelnden Menſchen faſt nie ſo, wie
er iſt, er richtet ſeine Mienen, Urtheile und
Handlungen, immer nach dem Urtheile der
kleinen oder groſsen Geſellſchaft ein, vor
der er ſeine Rolle ſpielt. Er macht den
Weiſen, den Frommen, den Bedachtſamen,
den Witzigen, je nachdem es der Platz ver-
langt, auf den er iſt geſtellet worden. Be-
lauſcht man ihn aber auf ſeinem Zimmer —
welcher Contraſt!
So erblickt der, der Schulen, Erzie-
hungsanſtalten, Univerſitæten und öffentli-
che Zuſammenkünfte beſucht, vielleicht al-
lenthalben Spuren von Zucht und Ordnung,
Streben nach Fleiſs, hæuslicher Glückſelig-
keit und Fröhlichkeit, lieſt auf den verſchie-
denen Geſichtern die Merkmahle der jugend-
lichen Anſtrengung, des Nachdenkens, der
Srttſamkeit, oder des ſorgſamen Nachden-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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