zu nichts in der Welt weniger aber, als zur Erziehung der Jugend, erschaffen sey. Eine naehere Beschreibung von ihm, würde auber- flüssig seyn, da Dieselben ihn schon selbst in ihrem Rector Californius so gut geschildert haben, dass ich nichts mehr von ihm zu sagen habe, als nur, dass er noch weniger gelehrt, aber doch von grösserer Rechtschaffenheit war, wiewohl seine Schüler darum an ihm keinen bessern Lehrer hatten. Seine beson- dern Meinungen, in Absicht auf Religion und Moralitaet, hatten auf diese vorzüglich nach- theilige Einflüsse. Sie hatten es so oft ge- hört, dass alle, auch die abscheulichsten, Laster gegen den Unglauben gar nicht zu rechnen waeren, und dass ein Mensch, der auch alles was man Tugend nennt in sich vereinigte, dennoch vor Gott ein grösserer Sünder, als selbst ein Vatermörder, waere, wofern er nicht im Glauben stünde. Sie hatten die Tugen- den der grössten Maenner nicht anders als glaenzende Laster nennen gehört, weil sie nicht aus dem Glauben geflossen waren, und es war ihnen überhaupt gegen das Wort Tu- gend, ein wirklicher Hass eingeflösst worden, weil es heidnisch und unchristlich waere; wie
leicht
zu nichts in der Welt weniger aber, als zur Erziehung der Jugend, erſchaffen ſey. Eine næhere Beſchreibung von ihm, würde ûber- flüſſig ſeyn, da Dieſelben ihn ſchon ſelbſt in ihrem Rector Californius ſo gut geſchildert haben, daſs ich nichts mehr von ihm zu ſagen habe, als nur, daſs er noch weniger gelehrt, aber doch von gröſserer Rechtſchaffenheit war, wiewohl ſeine Schüler darum an ihm keinen beſſern Lehrer hatten. Seine beſon- dern Meinungen, in Abſicht auf Religion und Moralitæt, hatten auf dieſe vorzüglich nach- theilige Einflüſſe. Sie hatten es ſo oft ge- hört, daſs alle, auch die abſcheulichſten, Laſter gegen den Unglauben gar nicht zu rechnen wæren, und daſs ein Menſch, der auch alles was man Tugend nennt in ſich vereinigte, dennoch vor Gott ein gröſserer Sünder, als ſelbſt ein Vatermörder, wære, wofern er nicht im Glauben ſtünde. Sie hatten die Tugen- den der gröſsten Mænner nicht anders als glænzende Laſter nennen gehört, weil ſie nicht aus dem Glauben gefloſſen waren, und es war ihnen überhaupt gegen das Wort Tu- gend, ein wirklicher Haſs eingeflöſst worden, weil es heidniſch und unchriſtlich wære; wie
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zu nichts in der Welt weniger aber, als zur
Erziehung der Jugend, erſchaffen ſey. Eine
næhere Beſchreibung von ihm, würde ûber-
flüſſig ſeyn, da Dieſelben ihn ſchon ſelbſt in
ihrem Rector Californius ſo gut geſchildert
haben, daſs ich nichts mehr von ihm zu ſagen
habe, als nur, daſs er noch weniger gelehrt,
aber doch von gröſserer Rechtſchaffenheit
war, wiewohl ſeine Schüler darum an ihm
keinen beſſern Lehrer hatten. Seine beſon-
dern Meinungen, in Abſicht auf Religion und
Moralitæt, hatten auf dieſe vorzüglich nach-
theilige Einflüſſe. Sie hatten es ſo oft ge-
hört, daſs alle, auch die abſcheulichſten, Laſter
gegen den Unglauben gar nicht zu rechnen
wæren, und daſs ein Menſch, der auch alles
was man Tugend nennt in ſich vereinigte,
dennoch vor Gott ein gröſserer Sünder, als
ſelbſt ein Vatermörder, wære, wofern er nicht
im Glauben ſtünde. Sie hatten die Tugen-
den der gröſsten Mænner nicht anders als
glænzende Laſter nennen gehört, weil ſie
nicht aus dem Glauben gefloſſen waren, und
es war ihnen überhaupt gegen das Wort Tu-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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