blicke so fürchterlich vorkam, dass (ich weiss weder wie, noch warum?) mir kein andrer Gedanke einfiel, als, das waere der Teufel. Ich haette fliehn sollen; aber ein geheimer Zug in meiner Seele nöthigte mich, mich nicht allein zu setzen, sondern von allen Si- tzen gerade den zu waehlen, der neben dem Orte war, wo das Geraeusch entstand. Ich thats mit Zittern und Zagen, und noch ist mirs schauerlich durch meinen ganzen Kör- per, wenn ich an meinen damaligen Zustand denke. Was eigentlich in meiner Seele vor- gieng, weiss ich nicht mehr, ich wusts wohl damals eben so wenig als jetzt: ich kam zu keiner deutlichen Idee, ich war wie halb tod. Indessen fühlte ich doch, dass der vermeinte Teufel ein sehr sinnlicher Mensch war, der mir aber alles das wurde, was der Teufel ir- gend einem Menschen geworden seyn kann und soll, Verführer, Mörder meiner Ruhe. Ich seufze indessen nicht über ihn. Ueber mich muss ich seufzen. Ich haette damals Mann seyn sollen, so konnte ich ihn und mich retten. Er hat vielleicht, obgleich er und nicht ich, der erste Verführer war, Ursache genug auch über mich zu klagen, und wenn er das thaete! Gott, welch ein quaelender Ge-
danke!
blicke ſo fürchterlich vorkam, daſs (ich weiſs weder wie, noch warum?) mir kein andrer Gedanke einfiel, als, das wære der Teufel. Ich hætte fliehn ſollen; aber ein geheimer Zug in meiner Seele nöthigte mich, mich nicht allein zu ſetzen, ſondern von allen Si- tzen gerade den zu wæhlen, der neben dem Orte war, wo das Geræuſch entſtand. Ich thats mit Zittern und Zagen, und noch iſt mirs ſchauerlich durch meinen ganzen Kör- per, wenn ich an meinen damaligen Zuſtand denke. Was eigentlich in meiner Seele vor- gieng, weiſs ich nicht mehr, ich wuſts wohl damals eben ſo wenig als jetzt: ich kam zu keiner deutlichen Idee, ich war wie halb tod. Indeſſen fühlte ich doch, daſs der vermeinte Teufel ein ſehr ſinnlicher Menſch war, der mir aber alles das wurde, was der Teufel ir- gend einem Menſchen geworden ſeyn kann und ſoll, Verführer, Mörder meiner Ruhe. Ich ſeufze indeſſen nicht über ihn. Ueber mich muſs ich ſeufzen. Ich hætte damals Mann ſeyn ſollen, ſo konnte ich ihn und mich retten. Er hat vielleicht, obgleich er und nicht ich, der erſte Verführer war, Urſache genug auch über mich zu klagen, und wenn er das thæte! Gott, welch ein quælender Ge-
danke!
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blicke ſo fürchterlich vorkam, daſs (ich weiſs
weder wie, noch warum?) mir kein andrer
Gedanke einfiel, als, das wære der Teufel.
Ich hætte fliehn ſollen; aber ein geheimer
Zug in meiner Seele nöthigte mich, mich
nicht allein zu ſetzen, ſondern von allen Si-
tzen gerade den zu wæhlen, der neben dem
Orte war, wo das Geræuſch entſtand. Ich
thats mit Zittern und Zagen, und noch iſt
mirs ſchauerlich durch meinen ganzen Kör-
per, wenn ich an meinen damaligen Zuſtand
denke. Was eigentlich in meiner Seele vor-
gieng, weiſs ich nicht mehr, ich wuſts wohl
damals eben ſo wenig als jetzt: ich kam zu
keiner deutlichen Idee, ich war wie halb tod.
Indeſſen fühlte ich doch, daſs der vermeinte
Teufel ein ſehr ſinnlicher Menſch war, der
mir aber alles das wurde, was der Teufel ir-
gend einem Menſchen geworden ſeyn kann
und ſoll, Verführer, Mörder meiner Ruhe.
Ich ſeufze indeſſen nicht über ihn. Ueber
mich muſs ich ſeufzen. Ich hætte damals
Mann ſeyn ſollen, ſo konnte ich ihn und mich
retten. Er hat vielleicht, obgleich er und
nicht ich, der erſte Verführer war, Urſache
genug auch über mich zu klagen, und wenn
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/217>, abgerufen am 18.12.2024.
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