tern schon den Kindern gesaehrlich seyn. Eltern erlauben sich oft, sich in der Kinder Gegenwart zu küssen, welches ganz unschul- dig ist. Das Kind sahe schon mehrmals, dass sich Freunde küssten, oder auch Perso- nen beyderley Geschlechts, bey der Ankunft und dem Weggehen, oder nach geendigter Mahlzeit sich umarmten. Es wird also den Kuss der Eltern für nichts weiter als ein Zei- chen der Liebe und Freundschaft halten. Wenn es aber bey dem Küssen nicht bleibt, wenn wirklich zu zaertlichen Liebkosungen fortgeschritten wird, so fallen die Liebko- senden leicht in eine süsse Betaeubung, die alle Rücksicht auf die Kinder vergessend macht, und sie verleitet sich allerley Frey- heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man- cherley Speculationen Anlass geben. Das Kind stellt sich vielleicht, als wenn es nichts bemerke, spielt und handthiert für sich -- aber diess geschieht oft nur, um die Atten- tion der Eltern zu schwaechen, und desto ungestörter beobachten zu können.
Noch
tern ſchon den Kindern geſæhrlich ſeyn. Eltern erlauben ſich oft, ſich in der Kinder Gegenwart zu küſſen, welches ganz unſchul- dig iſt. Das Kind ſahe ſchon mehrmals, daſs ſich Freunde küſsten, oder auch Perſo- nen beyderley Geſchlechts, bey der Ankunft und dem Weggehen, oder nach geendigter Mahlzeit ſich umarmten. Es wird alſo den Kuſs der Eltern für nichts weiter als ein Zei- chen der Liebe und Freundſchaft halten. Wenn es aber bey dem Küſſen nicht bleibt, wenn wirklich zu zærtlichen Liebkoſungen fortgeſchritten wird, ſo fallen die Liebko- ſenden leicht in eine ſüſſe Betæubung, die alle Rückſicht auf die Kinder vergeſſend macht, und ſie verleitet ſich allerley Frey- heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man- cherley Speculationen Anlaſs geben. Das Kind ſtellt ſich vielleicht, als wenn es nichts bemerke, ſpielt und handthiert für ſich — aber dieſs geſchieht oft nur, um die Atten- tion der Eltern zu ſchwæchen, und deſto ungeſtörter beobachten zu können.
Noch
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tern ſchon den Kindern geſæhrlich ſeyn.
Eltern erlauben ſich oft, ſich in der Kinder
Gegenwart zu küſſen, welches ganz unſchul-
dig iſt. Das Kind ſahe ſchon mehrmals,
daſs ſich Freunde küſsten, oder auch Perſo-
nen beyderley Geſchlechts, bey der Ankunft
und dem Weggehen, oder nach geendigter
Mahlzeit ſich umarmten. Es wird alſo den
Kuſs der Eltern für nichts weiter als ein Zei-
chen der Liebe und Freundſchaft halten.
Wenn es aber bey dem Küſſen nicht bleibt,
wenn wirklich zu zærtlichen Liebkoſungen
fortgeſchritten wird, ſo fallen die Liebko-
ſenden leicht in eine ſüſſe Betæubung, die
alle Rückſicht auf die Kinder vergeſſend
macht, und ſie verleitet ſich allerley Frey-
heiten zu erlauben, die dem Kinde zu man-
cherley Speculationen Anlaſs geben. Das
Kind ſtellt ſich vielleicht, als wenn es nichts
bemerke, ſpielt und handthiert für ſich —
aber dieſs geſchieht oft nur, um die Atten-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/167>, abgerufen am 24.11.2024.
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