Ovid seine unzüchtige Uebung mit der Co- rinna beschreibt, ausgelassen. So viel ich mich erinnere, hatte sich unser Rektor meh- rentheils halb betrunken, wenn er so eine Stelle uns erklaerte. Zum Beschlusse sagte er uns: Kinder! lernt was rechtschaffenes, so könnt ihr mit der Zeit dieses Vergnügen auch erfahren.
Ich kann mich bey der Gelegenheit nicht genug wundern, wenn ich so gar angesehene Personen von geistlichen Stande öffentlich ha- be behaupten hören, es sey nicht nöthig, dass man der Jugend Editionen von klassischen Schriftstellern gebe, wo die unzüchtigen Stel- len weggelassen sind. Den Reinen, heisst es, waere alles rein, und die Jugend werde nur begieriger nach den verbotenen Stellen, die man weggelassen. Ich daechte Geschmack und Wissenschaften würden wenig darunter leiden, wenn die Jugend lauter castrirte Editionen haette. Ausserdem ist freylich das überhüpfen solcher Stellen eine Anreizung sie desto begie- riger zu lesen.
Ich glaube überhaupt, diess Laster waurde nie so allgemein seyn, wenn nicht das Lesen
solcher
(K 3)
Ovid ſeine unzüchtige Uebung mit der Co- rinna beſchreibt, ausgelaſſen. So viel ich mich erinnere, hatte ſich unſer Rektor meh- rentheils halb betrunken, wenn er ſo eine Stelle uns erklærte. Zum Beſchluſſe ſagte er uns: Kinder! lernt was rechtſchaffenes, ſo könnt ihr mit der Zeit dieſes Vergnügen auch erfahren.
Ich kann mich bey der Gelegenheit nicht genug wundern, wenn ich ſo gar angeſehene Perſonen von geiſtlichen Stande öffentlich ha- be behaupten hören, es ſey nicht nöthig, daſs man der Jugend Editionen von klaſſiſchen Schriftſtellern gebe, wo die unzüchtigen Stel- len weggelaſſen ſind. Den Reinen, heiſst es, wære alles rein, und die Jugend werde nur begieriger nach den verbotenen Stellen, die man weggelaſſen. Ich dæchte Geſchmack und Wiſſenſchaften würden wenig darunter leiden, wenn die Jugend lauter caſtrirte Editionen hætte. Auſſerdem iſt freylich das überhüpfen ſolcher Stellen eine Anreizung ſie deſto begie- riger zu leſen.
Ich glaube überhaupt, dieſs Laſter wûrde nie ſo allgemein ſeyn, wenn nicht das Leſen
ſolcher
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Ovid ſeine unzüchtige Uebung mit der Co-
rinna beſchreibt, ausgelaſſen. So viel ich
mich erinnere, hatte ſich unſer Rektor meh-
rentheils halb betrunken, wenn er ſo eine
Stelle uns erklærte. Zum Beſchluſſe ſagte er
uns: Kinder! lernt was rechtſchaffenes, ſo
könnt ihr mit der Zeit dieſes Vergnügen auch
erfahren.
Ich kann mich bey der Gelegenheit nicht
genug wundern, wenn ich ſo gar angeſehene
Perſonen von geiſtlichen Stande öffentlich ha-
be behaupten hören, es ſey nicht nöthig, daſs
man der Jugend Editionen von klaſſiſchen
Schriftſtellern gebe, wo die unzüchtigen Stel-
len weggelaſſen ſind. Den Reinen, heiſst es,
wære alles rein, und die Jugend werde nur
begieriger nach den verbotenen Stellen, die
man weggelaſſen. Ich dæchte Geſchmack und
Wiſſenſchaften würden wenig darunter leiden,
wenn die Jugend lauter caſtrirte Editionen
hætte. Auſſerdem iſt freylich das überhüpfen
ſolcher Stellen eine Anreizung ſie deſto begie-
riger zu leſen.
Ich glaube überhaupt, dieſs Laſter wûrde
nie ſo allgemein ſeyn, wenn nicht das Leſen
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/159>, abgerufen am 22.11.2024.
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