liebe von der aufgeklärten Vernunft ge- leitet wird, ist aller Selbstmord gerade- zu unmöglich.
Ich behaupte nicht, daß der Selbst- mord der Tod aller Gottes-Menschen- Selbstliebe sey, sondern nur daß er der Tod aller erleuchteten Gottes- Menschen- und Selbstliebe sey.
Selbstmord der Tod aller erleuch- teten Gottesliebe. Es kann sich ein gut- müthiger Schwärmer "aus Liebe Gottes" morden, d. h. aus Sehnsucht, nur recht bald bey seinem Gott zu seyn. Allein da liegt keine erleuchtete Gottesliebe zum Grun- de, weil alle erleuchtete Gottesliebe sich in eine treue, ausharrende Erfüllung des gött- lichen Willens auflöset, und der göttliche Wille von dem Menschen nichts anders fo- dert, als:
"Trage die Bürde, bis ich sie dir ab- nehme -- Thu Gutes, so lange es Tag ist -- Brauche die Kraft, die du hast."
Es
Erſter Abſchnitt.
liebe von der aufgeklaͤrten Vernunft ge- leitet wird, iſt aller Selbſtmord gerade- zu unmoͤglich.
Ich behaupte nicht, daß der Selbſt- mord der Tod aller Gottes-Menſchen- Selbſtliebe ſey, ſondern nur daß er der Tod aller erleuchteten Gottes- Menſchen- und Selbſtliebe ſey.
Selbſtmord der Tod aller erleuch- teten Gottesliebe. Es kann ſich ein gut- muͤthiger Schwaͤrmer „aus Liebe Gottes„ morden, d. h. aus Sehnſucht, nur recht bald bey ſeinem Gott zu ſeyn. Allein da liegt keine erleuchtete Gottesliebe zum Grun- de, weil alle erleuchtete Gottesliebe ſich in eine treue, ausharrende Erfuͤllung des goͤtt- lichen Willens aufloͤſet, und der goͤttliche Wille von dem Menſchen nichts anders fo- dert, als:
„Trage die Buͤrde, bis ich ſie dir ab- nehme — Thu Gutes, ſo lange es Tag iſt — Brauche die Kraft, die du haſt.„
Es
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Erſter Abſchnitt.
liebe von der aufgeklaͤrten Vernunft ge-
leitet wird, iſt aller Selbſtmord gerade-
zu unmoͤglich.
Ich behaupte nicht, daß der Selbſt-
mord der Tod aller Gottes-Menſchen-
Selbſtliebe ſey, ſondern nur daß er der Tod
aller erleuchteten Gottes- Menſchen- und
Selbſtliebe ſey.
Selbſtmord der Tod aller erleuch-
teten Gottesliebe. Es kann ſich ein gut-
muͤthiger Schwaͤrmer „aus Liebe Gottes„
morden, d. h. aus Sehnſucht, nur recht
bald bey ſeinem Gott zu ſeyn. Allein da
liegt keine erleuchtete Gottesliebe zum Grun-
de, weil alle erleuchtete Gottesliebe ſich in
eine treue, ausharrende Erfuͤllung des goͤtt-
lichen Willens aufloͤſet, und der goͤttliche
Wille von dem Menſchen nichts anders fo-
dert, als:
„Trage die Buͤrde, bis ich ſie dir ab-
nehme —
Thu Gutes, ſo lange es Tag iſt —
Brauche die Kraft, die du haſt.„
Es
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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