verklärter Schönheit hervor zu bre- chen." So spricht bey Moses der menschlichere Vertheidiger des Selbstmordes.
Also Freund, glaubst du an eine Un- sterblichkeit? Nun diese deine Ueberzeugung stüzt sich entweder auf den Glauben an eine höhere Offenbarung: so sagt dir ja eben die- se, daß die Unsterblichkeit eine Folge der Sterblichkeit, diese die Aussaat, jene die Aernte sey; oder auf Gründe der gesunden Vernunft (y): so sagt dir eben die nämli- che Vernunft, daß sie sich keinen Begriff von der höchsten Weisheit machen kann, welche alle andere Veränderungen in der Welt, als Ursachen und Wirkungen zusam- mengeknüpft, und gerade in dem allerwich- tigsten Geschäfte der Bildung des menschli- chen Geistes, Gegenwart und Zukunft, Zeit und Ewigkeit, Sterblichkeit und Unsterblich- keit, nicht als Folge und Ursache in Ver- bindung gebracht hätte -- Und was noch
mehr
(y) Es gehört nicht hieher, zu entscheiden, was auf die Vernunftbeweise von der Un-
Zweyter Abſchnitt.
verklaͤrter Schoͤnheit hervor zu bre- chen.“ So ſpricht bey Moſes der menſchlichere Vertheidiger des Selbſtmordes.
Alſo Freund, glaubſt du an eine Un- ſterblichkeit? Nun dieſe deine Ueberzeugung ſtuͤzt ſich entweder auf den Glauben an eine hoͤhere Offenbarung: ſo ſagt dir ja eben die- ſe, daß die Unſterblichkeit eine Folge der Sterblichkeit, dieſe die Ausſaat, jene die Aernte ſey; oder auf Gruͤnde der geſunden Vernunft (y): ſo ſagt dir eben die naͤmli- che Vernunft, daß ſie ſich keinen Begriff von der hoͤchſten Weisheit machen kann, welche alle andere Veraͤnderungen in der Welt, als Urſachen und Wirkungen zuſam- mengeknuͤpft, und gerade in dem allerwich- tigſten Geſchaͤfte der Bildung des menſchli- chen Geiſtes, Gegenwart und Zukunft, Zeit und Ewigkeit, Sterblichkeit und Unſterblich- keit, nicht als Folge und Urſache in Ver- bindung gebracht haͤtte — Und was noch
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(y) Es gehoͤrt nicht hieher, zu entſcheiden, was auf die Vernunftbeweiſe von der Un-
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Zweyter Abſchnitt.
verklaͤrter Schoͤnheit hervor zu bre-
chen.“ So ſpricht bey Moſes der
menſchlichere Vertheidiger des
Selbſtmordes.
Alſo Freund, glaubſt du an eine Un-
ſterblichkeit? Nun dieſe deine Ueberzeugung
ſtuͤzt ſich entweder auf den Glauben an eine
hoͤhere Offenbarung: ſo ſagt dir ja eben die-
ſe, daß die Unſterblichkeit eine Folge der
Sterblichkeit, dieſe die Ausſaat, jene die
Aernte ſey; oder auf Gruͤnde der geſunden
Vernunft (y): ſo ſagt dir eben die naͤmli-
che Vernunft, daß ſie ſich keinen Begriff
von der hoͤchſten Weisheit machen kann,
welche alle andere Veraͤnderungen in der
Welt, als Urſachen und Wirkungen zuſam-
mengeknuͤpft, und gerade in dem allerwich-
tigſten Geſchaͤfte der Bildung des menſchli-
chen Geiſtes, Gegenwart und Zukunft, Zeit
und Ewigkeit, Sterblichkeit und Unſterblich-
keit, nicht als Folge und Urſache in Ver-
bindung gebracht haͤtte — Und was noch
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(y) Es gehoͤrt nicht hieher, zu entſcheiden, was
auf die Vernunftbeweiſe von der Un-
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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/142>, abgerufen am 16.07.2024.
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