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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Scheingründe für den Selbstmord.
thäterkost die Güte des Menschenvaters ken-
nen lernen, die er an den prächtigen Hofta-
feln, und im Ueberflusse von allen Arten
in- und ausländischer Weine, nicht gefühlet
hatte; kann itzt die lange Reihe seiner Ju-
gend- und Staats-Sünden, und jede in
ihrer wahren Gestalt erblicken, die er im Ge-
wirre der Cabalen auch bey hundert Wand-
leuchtern, auch bey hellstem Mittagslichte
nicht erblicket hatte; kann itzt die Erbarmun-
gen Gottes, die durch den verschlossensten
Kerker offne Wege finden, und kein tiefge-
rührtes Herz vorüber gehen, mit hochver-
trauendem Herzen umfassen, für die er im
Galakleide keinen Sinn gehabt hatte; kann
die letzten Jahre seines Lebens mit unsterb-
lichen Heldenthaten des Glaubens an die
allordnende Liebe, mit großmüthiger Dul-
dung der Folgen seiner Sünden, und mit
vollkommenster Selbstunterwerfung gegen
alle Wege der Fürsehung adeln, da er ehe-
dem Ordensband und Stern und Fürsten-
gunst und sich selbst durch das schwärzeste
Verbrechen entehret hatte; -- kann den Ver-
wahrungs- und Züchtigungsplatz der Staats-

ver-
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Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord.
thaͤterkoſt die Guͤte des Menſchenvaters ken-
nen lernen, die er an den praͤchtigen Hofta-
feln, und im Ueberfluſſe von allen Arten
in- und auslaͤndiſcher Weine, nicht gefuͤhlet
hatte; kann itzt die lange Reihe ſeiner Ju-
gend- und Staats-Suͤnden, und jede in
ihrer wahren Geſtalt erblicken, die er im Ge-
wirre der Cabalen auch bey hundert Wand-
leuchtern, auch bey hellſtem Mittagslichte
nicht erblicket hatte; kann itzt die Erbarmun-
gen Gottes, die durch den verſchloſſenſten
Kerker offne Wege finden, und kein tiefge-
ruͤhrtes Herz voruͤber gehen, mit hochver-
trauendem Herzen umfaſſen, fuͤr die er im
Galakleide keinen Sinn gehabt hatte; kann
die letzten Jahre ſeines Lebens mit unſterb-
lichen Heldenthaten des Glaubens an die
allordnende Liebe, mit großmuͤthiger Dul-
dung der Folgen ſeiner Suͤnden, und mit
vollkommenſter Selbſtunterwerfung gegen
alle Wege der Fuͤrſehung adeln, da er ehe-
dem Ordensband und Stern und Fuͤrſten-
gunſt und ſich ſelbſt durch das ſchwaͤrzeſte
Verbrechen entehret hatte; — kann den Ver-
wahrungs- und Zuͤchtigungsplatz der Staats-

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[121/0133] Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord. thaͤterkoſt die Guͤte des Menſchenvaters ken- nen lernen, die er an den praͤchtigen Hofta- feln, und im Ueberfluſſe von allen Arten in- und auslaͤndiſcher Weine, nicht gefuͤhlet hatte; kann itzt die lange Reihe ſeiner Ju- gend- und Staats-Suͤnden, und jede in ihrer wahren Geſtalt erblicken, die er im Ge- wirre der Cabalen auch bey hundert Wand- leuchtern, auch bey hellſtem Mittagslichte nicht erblicket hatte; kann itzt die Erbarmun- gen Gottes, die durch den verſchloſſenſten Kerker offne Wege finden, und kein tiefge- ruͤhrtes Herz voruͤber gehen, mit hochver- trauendem Herzen umfaſſen, fuͤr die er im Galakleide keinen Sinn gehabt hatte; kann die letzten Jahre ſeines Lebens mit unſterb- lichen Heldenthaten des Glaubens an die allordnende Liebe, mit großmuͤthiger Dul- dung der Folgen ſeiner Suͤnden, und mit vollkommenſter Selbſtunterwerfung gegen alle Wege der Fuͤrſehung adeln, da er ehe- dem Ordensband und Stern und Fuͤrſten- gunſt und ſich ſelbſt durch das ſchwaͤrzeſte Verbrechen entehret hatte; — kann den Ver- wahrungs- und Zuͤchtigungsplatz der Staats- ver- H 5

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/133>, abgerufen am 25.11.2024.