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Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

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nöthige Vorsichtigkeit in Absicht auf die zeitliche Ver-
pflegung (Matth. VI. 31-33.), gegen allen Keim der
Unzucht, des Zorns, der Unmässigkeit
(Matth. V. 22-
28. Luk. XXI. 34.)

So ist auch das Gebet theils eine Bedingniss,
ohne die die Liebe gegen Gott nicht in unser Herz ge-
pflanzt werden kann (Luk. XI. 9-13.), theils eine
Uebung der Liebe (Röm. VIII. 26. 27. Matth. VI. 9-11.),
theils ein Mittel, uns und die übrigen Feinde der Tu-
gend standhaft zu besiegen (Matth. XXVI. 41. Luk.
XXII. 40. Matth. VI. 12. 13. 14.)

Desswegen werden wir auf allen Blättern der
evangelischen Geschichte zum Vertrauen getrieben;
desswegen sind dem vertrauenden Gebete so schöne Ver-
heissungen gegeben (Joh. XVI. 23. 24.); desswegen
wird dem Gebete nicht so fast Eine Zeit angewiesen,
als vielmehr das Allzeitbeten empfohlen (Luk. XVIII.
1. 8.); desswegen hat uns unser Lehrer ein so unaus-
denkliches Muster des Gebetes hinterlassen (Matth. VI.
9. 15.), das mit den höhern Bedürfnissen unserer Natur
so vollkommen übereinstimmt. Der Mensch hat einen
Trieb zum Gutseyn, und einen Trieb zum Wohlseyn
in sich. Nun stimmen die Bitten; Vater, dein Name
werde geheiliget, dein Reich komme, dein Wille geschehe
,
offenbar mit dem Triebe zum Gutseyn, und weil das
Gutseyn die Wurzel des Wohlseyns ist, auch mit un-
ferm Wohlseyn überein. Wenn die lauterste Liebe ge-
gen Gott, wenn die reinste Tugend sprechen könnte:
so würde sie nichts anders aussprechen können, als den
regen Wunsch, dass die Quelle alles Guten in allem ver-

herr-

nöthige Vorſichtigkeit in Abſicht auf die zeitliche Ver-
pflegung (Matth. VI. 31-33.), gegen allen Keim der
Unzucht, des Zorns, der Unmäſſigkeit
(Matth. V. 22-
28. Luk. XXI. 34.)

So iſt auch das Gebet theils eine Bedingniſs,
ohne die die Liebe gegen Gott nicht in unſer Herz ge-
pflanzt werden kann (Luk. XI. 9-13.), theils eine
Uebung der Liebe (Röm. VIII. 26. 27. Matth. VI. 9-11.),
theils ein Mittel, uns und die übrigen Feinde der Tu-
gend ſtandhaft zu beſiegen (Matth. XXVI. 41. Luk.
XXII. 40. Matth. VI. 12. 13. 14.)

Deſswegen werden wir auf allen Blättern der
evangeliſchen Geſchichte zum Vertrauen getrieben;
deſswegen ſind dem vertrauenden Gebete ſo ſchöne Ver-
heiſſungen gegeben (Joh. XVI. 23. 24.); deſswegen
wird dem Gebete nicht ſo faſt Eine Zeit angewieſen,
als vielmehr das Allzeitbeten empfohlen (Luk. XVIII.
1. 8.); deſswegen hat uns unſer Lehrer ein ſo unaus-
denkliches Muſter des Gebetes hinterlaſſen (Matth. VI.
9. 15.), das mit den höhern Bedürfniſſen unſerer Natur
ſo vollkommen übereinſtimmt. Der Menſch hat einen
Trieb zum Gutſeyn, und einen Trieb zum Wohlſeyn
in ſich. Nun ſtimmen die Bitten; Vater, dein Name
werde geheiliget, dein Reich komme, dein Wille geſchehe
,
offenbar mit dem Triebe zum Gutſeyn, und weil das
Gutſeyn die Wurzel des Wohlſeyns iſt, auch mit un-
ferm Wohlſeyn überein. Wenn die lauterſte Liebe ge-
gen Gott, wenn die reinſte Tugend ſprechen könnte:
ſo würde ſie nichts anders ausſprechen können, als den
regen Wunſch, daſs die Quelle alles Guten in allem ver-

herr-
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[60/0074] nöthige Vorſichtigkeit in Abſicht auf die zeitliche Ver- pflegung (Matth. VI. 31-33.), gegen allen Keim der Unzucht, des Zorns, der Unmäſſigkeit (Matth. V. 22- 28. Luk. XXI. 34.) So iſt auch das Gebet theils eine Bedingniſs, ohne die die Liebe gegen Gott nicht in unſer Herz ge- pflanzt werden kann (Luk. XI. 9-13.), theils eine Uebung der Liebe (Röm. VIII. 26. 27. Matth. VI. 9-11.), theils ein Mittel, uns und die übrigen Feinde der Tu- gend ſtandhaft zu beſiegen (Matth. XXVI. 41. Luk. XXII. 40. Matth. VI. 12. 13. 14.) Deſswegen werden wir auf allen Blättern der evangeliſchen Geſchichte zum Vertrauen getrieben; deſswegen ſind dem vertrauenden Gebete ſo ſchöne Ver- heiſſungen gegeben (Joh. XVI. 23. 24.); deſswegen wird dem Gebete nicht ſo faſt Eine Zeit angewieſen, als vielmehr das Allzeitbeten empfohlen (Luk. XVIII. 1. 8.); deſswegen hat uns unſer Lehrer ein ſo unaus- denkliches Muſter des Gebetes hinterlaſſen (Matth. VI. 9. 15.), das mit den höhern Bedürfniſſen unſerer Natur ſo vollkommen übereinſtimmt. Der Menſch hat einen Trieb zum Gutſeyn, und einen Trieb zum Wohlſeyn in ſich. Nun ſtimmen die Bitten; Vater, dein Name werde geheiliget, dein Reich komme, dein Wille geſchehe, offenbar mit dem Triebe zum Gutſeyn, und weil das Gutſeyn die Wurzel des Wohlſeyns iſt, auch mit un- ferm Wohlſeyn überein. Wenn die lauterſte Liebe ge- gen Gott, wenn die reinſte Tugend ſprechen könnte: ſo würde ſie nichts anders ausſprechen können, als den regen Wunſch, daſs die Quelle alles Guten in allem ver- herr-

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/74>, abgerufen am 22.11.2024.