Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.der Wahrheit vertraut zu werden", noch mit andern Man muss a. doch dem Lichte nachfolgen, um Es kennt b. niemand Jesum recht, ausser der Ein krankes Auge sieht c. bey dem hellsten Nei- B 4
der Wahrheit vertraut zu werden“, noch mit andern Man muſs a. doch dem Lichte nachfolgen, um Es kennt b. niemand Jeſum recht, auſser der Ein krankes Auge ſieht c. bey dem hellſten Nei- B 4
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der Wahrheit vertraut zu werden“, noch mit andern
Gründen darthun.
Man muſs a. doch dem Lichte nachfolgen, um
im Lichte zu wandeln. (Joh. VIII. 12.) Und dem
Lichte nachfolgen kann man nicht, ohne den fin-
ſtern Neigungen zu widerſtehen, und dieſer Wider-
ſtand heiſst Selbſtverläugnung. Es iſt eine ſchöne
Bemühung, die Finſterniſs aus dem Verſtande zu ver-
bannen: aber man kommt in dieſer ſchönen Bemü-
hung nicht fort, wenn man nicht die Wurzel der ſchäd-
lichſten und hartnäckigſten Finſterniſſe im Herzen
ſucht, und da die Axt anlegt. Und die Axt an die
Wurzel anlegen, heiſst ſich ſelbſt verläugnen, weil
man gegen ſeine Neigungen geradezu angehen muſs.
Es kennt b. niemand Jeſum recht, auſser der
ſeine Gebote hält. (I. Joh. II. 3. 4.) Und die Gebote
Jeſu halten — können wir nicht, wenn wir den Ge-
boten der Eigenliebe nicht ſtandhaft entgegen handeln.
Und dieſes ſtandhafte Verachten deſſen, was die Eigen-
liebe gebeut, iſt Selbſtverläugnung.
Ein krankes Auge ſieht c. bey dem hellſten
Mittagslichte nicht recht, und ein geſchloſsnes Auge
gar nicht. So gehört auch wohl zum Anblicke der
Wahrheit ein offner, geſunder Sinn. Wenn ich nun
die Wahrheit nicht ſehen will, weil ſie gegen meine
Neigungen ſtreitet, oder nicht mehr ſehen kann, weil
meine Neigungen den Verſtand ſchon beſtochen und
zerrüttet haben: ſo gehört offenbar Beſiegung meiner
Nei-
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