Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

digers, dass er, wie die christliche Sittenlehre, allen
Alles
werde, um alle zu gewinnen (Zweyter Ab-
schnitt B.). Zudem hat alles seine Zeit; es ist eine
Zeit, die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes,
und eine Zeit, die Güte und Freundlichkeit Got-
tes darzustellen. Auch sollte uns die Natur des Men-
schen leiten. Wir haben einen Schauer vor dem
Unrecht und eine Liebe zum Guten in uns, und
beyde sind schwach, zum Beweise, dass jener Schauer
und diese Liebe sollten befestiget werden. Und wenn
der Fehler der Einseitigkeit je ein Menschenwerk ver-
unstaltet: so verunstaltet er gewiss die Predigten.
Noch schlimmer wäre es, wenn wir uns unsern Gott
nach unserm Temperament oder gar nach der Laune
bildeten, und dieses Gebilde zur Verehrung aus-
stellten.

Lasst uns vielmehr gut, gerecht, heilig, auf-
richtig
werden, damit wir von der Güte, von der
Gerechtigkeit, von der Heiligkeit, von der Wahr-
heit, d. i. von Gott würdig und nützlich reden
lernen, Amen.


digers, daſs er, wie die chriſtliche Sittenlehre, allen
Alles
werde, um alle zu gewinnen (Zweyter Ab-
ſchnitt B.). Zudem hat alles ſeine Zeit; es iſt eine
Zeit, die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes,
und eine Zeit, die Güte und Freundlichkeit Got-
tes darzuſtellen. Auch ſollte uns die Natur des Men-
ſchen leiten. Wir haben einen Schauer vor dem
Unrecht und eine Liebe zum Guten in uns, und
beyde ſind ſchwach, zum Beweiſe, daſs jener Schauer
und dieſe Liebe ſollten befeſtiget werden. Und wenn
der Fehler der Einſeitigkeit je ein Menſchenwerk ver-
unſtaltet: ſo verunſtaltet er gewiſs die Predigten.
Noch ſchlimmer wäre es, wenn wir uns unſern Gott
nach unſerm Temperament oder gar nach der Laune
bildeten, und dieſes Gebilde zur Verehrung aus-
ſtellten.

Laſst uns vielmehr gut, gerecht, heilig, auf-
richtig
werden, damit wir von der Güte, von der
Gerechtigkeit, von der Heiligkeit, von der Wahr-
heit, d. i. von Gott würdig und nützlich reden
lernen, Amen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="119"/>
digers, da&#x017F;s er, wie die chri&#x017F;tliche Sittenlehre, <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">allen<lb/>
Alles</hi></hi> werde, um alle zu gewinnen (Zweyter Ab-<lb/>
&#x017F;chnitt B.). Zudem hat alles &#x017F;eine Zeit; es i&#x017F;t eine<lb/>
Zeit, die <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Heiligkeit</hi> und <hi rendition="#g">Gerechtigkeit</hi></hi> Gottes,<lb/>
und eine Zeit, die <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Güte</hi> und <hi rendition="#g">Freundlichkeit</hi></hi> Got-<lb/>
tes darzu&#x017F;tellen. Auch &#x017F;ollte uns die Natur des Men-<lb/>
&#x017F;chen leiten. Wir haben einen <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Schauer</hi></hi> vor dem<lb/>
Unrecht und eine <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Liebe</hi></hi> zum Guten in uns, und<lb/>
beyde &#x017F;ind &#x017F;chwach, zum Bewei&#x017F;e, da&#x017F;s jener Schauer<lb/>
und die&#x017F;e Liebe &#x017F;ollten befe&#x017F;tiget werden. Und wenn<lb/>
der Fehler der Ein&#x017F;eitigkeit je ein Men&#x017F;chenwerk ver-<lb/>
un&#x017F;taltet: &#x017F;o verun&#x017F;taltet er gewi&#x017F;s die Predigten.<lb/>
Noch &#x017F;chlimmer wäre es, wenn wir uns un&#x017F;ern Gott<lb/>
nach un&#x017F;erm Temperament oder gar nach der Laune<lb/>
bildeten, und die&#x017F;es Gebilde zur Verehrung aus-<lb/>
&#x017F;tellten.</p><lb/>
          <p>La&#x017F;st uns vielmehr <hi rendition="#i">gut, gerecht, heilig, auf-<lb/>
richtig</hi> werden, damit wir von der Güte, von der<lb/>
Gerechtigkeit, von der Heiligkeit, von der Wahr-<lb/>
heit, d. i. von Gott <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">würdig</hi></hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">nützlich</hi></hi> reden<lb/>
lernen, Amen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0133] digers, daſs er, wie die chriſtliche Sittenlehre, allen Alles werde, um alle zu gewinnen (Zweyter Ab- ſchnitt B.). Zudem hat alles ſeine Zeit; es iſt eine Zeit, die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, und eine Zeit, die Güte und Freundlichkeit Got- tes darzuſtellen. Auch ſollte uns die Natur des Men- ſchen leiten. Wir haben einen Schauer vor dem Unrecht und eine Liebe zum Guten in uns, und beyde ſind ſchwach, zum Beweiſe, daſs jener Schauer und dieſe Liebe ſollten befeſtiget werden. Und wenn der Fehler der Einſeitigkeit je ein Menſchenwerk ver- unſtaltet: ſo verunſtaltet er gewiſs die Predigten. Noch ſchlimmer wäre es, wenn wir uns unſern Gott nach unſerm Temperament oder gar nach der Laune bildeten, und dieſes Gebilde zur Verehrung aus- ſtellten. Laſst uns vielmehr gut, gerecht, heilig, auf- richtig werden, damit wir von der Güte, von der Gerechtigkeit, von der Heiligkeit, von der Wahr- heit, d. i. von Gott würdig und nützlich reden lernen, Amen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/133
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/133>, abgerufen am 24.11.2024.