Hans Sachs: Königin Deudalinda mit dem Meerwunder. In: ‚SG 15‘ (Spruchgedichtband 15). [s. l.], 1562, Bl. 104ff. Hrsg. und übersetzt von Anja Braun et al. Stuttgart, 2017.Vers 18Mit ander freuden mancherleyen, Vers 18Mit ander freuden mancherleyen, <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0002" n="59c"/> <l n="18">Mit ander freuden mancherleyen,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „neben vielerlei anderen Freuden;“</note></l><lb/> <l n="19">Eine hie und die ander dort.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „die eine hier und die andere dort.“</note></l><lb/> <l n="20">Aber die köngin an dem ort<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die Königin ging dann aber an diesem Ort “</note></l><lb/> <l n="21">Fuß für fuß gieng da in kürtzweyl<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Schritt für Schritt als Zeitvertreib“</note></l><lb/> <l n="22">Etwas fast auff ein viertheilmeyl<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „etwas zu weit fort, eine Viertelmeile“</note></l><lb/> <l n="23">In dem gestreuß <choice><sic>an</sic><corr resp="#NK">ans</corr></choice> meers gestatt.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „im Gesträuch am Meeresstrand.“</note></l><lb/> <l n="24">Da sie alsbald ersehen hatt<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dort sah sie bald“</note></l><lb/> <l n="25">In dem meer ein schröcklich meerwunder,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „im Meer ein schreckliches Meerwunder,“</note></l><lb/> <l n="26">Einer grewlichen gstalt besunder,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „von einer ausnehmend scheußlichen Gestalt,“</note></l><lb/> <l n="27">Das uberal verwachssen war,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „das am ganzen Körper missgestaltet war“</note></l><lb/> <l n="28">Wie ein ber, mit rabschwartzem haar.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „wie ein Bär, mit rabenschwarzem Haar;“</note></l><lb/> <l n="29">Sein augen glasteten mit fewer.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „seine Augen loderten voller Feuer,“</note></l><lb/> <l n="30">Auch hett das meerwunder unghewer<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „zudem hatte das furchtbare Meerwunder“</note></l><lb/> <l n="31">Zwen flügel wie die fledermeuß.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „zwei Flügel wie die Fledermäuse.“</note></l><lb/> <l n="32">Diß meerwunder auß dem gestreuß<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dieses Meerwunder aus dem Gesträuch“</note></l><lb/> <l n="33">Eylt geschwind her auß dem meer tiff<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „eilte geschwind aus dem tiefen Meer heraus“</note></l><lb/> <l n="34">Und die zart königin ergriff.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und ergriff die anmutige Königin.“</note></l><lb/> <l n="35">Die köngin thet ihm widerstreben,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die Königin leistete ihm Widerstand“</note></l><lb/> <l n="36">Schrey: „Mordio!“ von leib und leben.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „(und) schrie: ‚Mordio!‘, um Leib und Leben.“</note></l><lb/> <l n="37">Doch unerhöret war ihr stimm.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Doch ihre Stimme wurde nicht gehört.“</note></l><lb/> <l n="38">Das meerwunder in sterck mit grimm<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Das Meerwunder überwältigte sie voller Stärke und Ingrimm,“</note></l><lb/> <l n="39">Sie ubergweltigt, mit ir rang,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „kämpfte mir ihr,“</note></l><lb/> <l n="40">Fellt sie und in dem gstreuß notzwang.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „brachte sie zu Fall und vergewaltigte sie im Gesträuch.“</note></l><lb/> <l n="41">Die köngin schrey in hertzenleyd.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die Königin schrie vor Herzeleid.“</note></l><lb/> <l n="42">Indem ein ritter vom gejeyd<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Unterdessen kam von ungefähr ein Ritter“</note></l><lb/> <l n="43">Ungfehr reit, hört die kläglich stimm<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „von der Jagd dahergeritten; er hörte die klagende Stimme“</note></l><lb/> <l n="44">Der frawen und rennet in grimm<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „der Frau und eilte ingrimmig“</note></l><lb/> <l n="45">Dem gestreuß zu, dem gschrey nachsucht.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „auf das Gesträuch zu. Er ging dem Geschrei auf den Grund.“</note></l><lb/> <l n="46">Da gab das meerwunder die flucht<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Da flüchtete das Meerwunder“</note></l><lb/> <l n="47">Und sprang hinein das wüttend meer.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und sprang in das wütende Meer hinein.“</note></l><lb/> <l n="48">Die köngin betrübt weynet sehr.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die betrübte Königin weinte bitterlich.“</note></l><lb/> <l n="49">Doch zeygt sie dem ritter nicht an,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dennoch berichtete sie dem Ritter nicht, “</note></l><lb/> <l n="50">Was das meerwunder hett gethan.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „was das Meerwunder getan hatte.“</note></l><lb/> <l n="51">Sagt, es hett sie wöllen ertrencken,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Sie sagte, es habe sie ertränken“</note></l><lb/> <l n="52">Mit gewalt in das meer versencken.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „und mit Gewalt ins Meer versenken wollen.“</note></l><lb/> <l n="53">Der beleyt die köngin forchtsam,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Der (Ritter) geleitete die verängstigte Königin,“</note></l><lb/> <l n="54">Biß zu dem frawenzimmer kam.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „bis sie zu ihrem Gefolge gelangte.“</note></l><lb/> <l n="55">Die war vol hertzleyd, angst und schrecken,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Die (Königin) war erfüllt von Herzeleid, Angst und Schrecken,“</note></l><lb/> <l n="56">Vol unmuts in dem hertzen stecken.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „voller Verzagtheit im Herzen.“</note></l><lb/> <l n="57">Doch sagt sie niemand die geschicht.<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Dennoch erzählte sie niemandem die Geschichte.“</note></l><lb/> <l n="58">Nach eim monat fund sie gericht,<note resp="#NK" type="editorial">Übertragung: „Nach einem Monat bemerkte die Königin,“</note></l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [59c/0002]
Mit ander freuden mancherleyen,
Eine hie und die ander dort.
Aber die köngin an dem ort
Fuß für fuß gieng da in kürtzweyl
Etwas fast auff ein viertheilmeyl
In dem gestreuß ans meers gestatt.
Da sie alsbald ersehen hatt
In dem meer ein schröcklich meerwunder,
Einer grewlichen gstalt besunder,
Das uberal verwachssen war,
Wie ein ber, mit rabschwartzem haar.
Sein augen glasteten mit fewer.
Auch hett das meerwunder unghewer
Zwen flügel wie die fledermeuß.
Diß meerwunder auß dem gestreuß
Eylt geschwind her auß dem meer tiff
Und die zart königin ergriff.
Die köngin thet ihm widerstreben,
Schrey: „Mordio!“ von leib und leben.
Doch unerhöret war ihr stimm.
Das meerwunder in sterck mit grimm
Sie ubergweltigt, mit ir rang,
Fellt sie und in dem gstreuß notzwang.
Die köngin schrey in hertzenleyd.
Indem ein ritter vom gejeyd
Ungfehr reit, hört die kläglich stimm
Der frawen und rennet in grimm
Dem gestreuß zu, dem gschrey nachsucht.
Da gab das meerwunder die flucht
Und sprang hinein das wüttend meer.
Die köngin betrübt weynet sehr.
Doch zeygt sie dem ritter nicht an,
Was das meerwunder hett gethan.
Sagt, es hett sie wöllen ertrencken,
Mit gewalt in das meer versencken.
Der beleyt die köngin forchtsam,
Biß zu dem frawenzimmer kam.
Die war vol hertzleyd, angst und schrecken,
Vol unmuts in dem hertzen stecken.
Doch sagt sie niemand die geschicht.
Nach eim monat fund sie gericht,
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des „Meerwunders“
(2018-02-22T15:10:46Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle
Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand
zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen
muss.
Nora Ketschik, Christian Thomas: Konvertierung der Ausgangsdaten (HTML)
nach DTABf und Nachbearbeitung des XML-Dokuments.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Der Sangspruchband SG 15 des Stadtarchivs Zwickau, der auf Blatt 104ff. das Gedicht „Königin Deudalinda mit dem Meerwunder“ enthält, ist seit mindestens 1853 verschollen. Der Text ist daher nur noch durch eine Edition von Keller/Goetze aus dem Jahr 1886 erschließbar. Ein kritischer Apparat ist dem Text nicht beigegeben, so dass Aussagen über eventuelle Eingriffe der Herausgeber in den ursprünglichen Wortlaut der Handschrift nicht möglich sind.
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